Was wäre Rumänien ohne seinen Schnaps? So verschieden das Land und unterschiedlich seine Regionen, so auch die Brände, die es herstellt. Man kann sagen, dass das ganze Land mit einem Schnapsladen zu vergleichen ist. Und dabei sind die Rumänen die Schnäpse selber. Schön in Flaschen abgefüllt. In Regalen ausgestellt. Ganz oben die Brände, die sich so gut wie niemand leisten kann. Die Nobelbrände. Gealtert in Edelfässern. Die Plätze haben sie sich über die Jahre gesichert und geben sie nicht her. Die Flaschen, in denen sie aufbewahrt werden so schick, dass man sich kaum traut, den Blick zu ihnen zu heben. Es sind die Flaschen, die anscheinend gar nicht für den Konsum gedacht sind. Ihre einzige Bestimmung: immer dort oben auf den Regalen zu sein.
Auf Augenhöhe findet man die Schnäpse, deren Flaschen an Designerläden erinnern. Sie verstehen sich als Edelbrände. Sie glänzen gekonnt im künstlichen Licht des Ladens, doch weiß man nicht, ob die Flüssigkeit auch das hält, was die Verpackung verspricht. Ab der Brustebene findet man die normalen Brände bis zu dem Fusel auf den untersten Regalen, zu dem sich so gut wie niemand hinunterbückt.
Die Verwalter des Ladens haben ständig von der Besonderheit der Ware geschwärmt. Dabei ging es ihnen weniger um die allgemeine Qualität der Ware, sondern um das Polieren der Schnapsflaschen. Je nach Bedarf wurden die Flaschen auf den unteren Regalen alle vier bis fünf Jahre abgestaubt. Manchmal bekamen diese Schnäpse sogar neue Flaschen, in denen sie sich aufhalten durften. Wenn das der Fall war, wurden auch die Flaschen der Brände auf den oberen Regalen ausgetauscht. Denn der Qualitätsunterschied sollte auf einen Blick erkennbar bleiben. Öfters wurden nur diese oberen mit neuen Behältern ausgestattet. Denn sie gaben sich als Garant der Qualität des gesamten Ladens aus und wurden von den Verwaltern dementsprechend behandelt.
Nun war in letzter Zeit den Verwaltern die Wirtschaftlichkeit des Ladens egal. Ihr Bemühen betraf nur das Wohlbefinden der Schnäpse. Sie gaben sich dieser Aufgabe so sehr hin, dass sie gar nicht bemerkten, wie der Laden bankrott ging. Mit einem unvermeidlichen Insolvenzverfahren konfrontiert, versuchen sie nun, die Betriebskosten zu senken. Pauschal werden die niedrigen Schnäpse in Großbehälter gegossen. Dabei wird großmäulig von der Solidarität im Laden gepredigt, denn der Laden ist die Voraussetzung für die Existenz des Schnapses als solchem.
Bittend wenden sich die Verwalter mit dem gleichen Anliegen an die Edelbrände. Hier wird ihnen aber erklärt, dass man gefälligst nicht Birnen mit Äpfel vergleichen sollte. Alle Brände stammen zwar aus Maische, doch ist Maische nicht gleich Maische. Man musste zu viele Opfer bringen, um zum Edelbrand heranzureifen. Und obwohl man ein Edelbrand ist, kann man sich kaum ein durchschnittliches Schnapsdasein leisten. Außerdem ist man ja die ganze Zeit dem Neid und den Hetzkampagnen der niederen Brände ausgesetzt, was zu guter Letzt sogar die Qualität der Edelbrände beeinträchtigen würde. Und will man am Ende des Tages überhaupt noch über ein Minimum an Qualität verfügen, sollte man sie gefälligst auf ihren Regalen in Ruhe lassen.
Wohlwollend blicken von den obersten Regalen die Nobelbrände herunter und verstehen das ganze Hin und Her gar nicht. Von dort oben, von wo sie von allen den weitesten Blick haben, ist alles in bester Ordnung. Niedrige Brände wird es immer geben und es ist deren Pflicht, sich zu bemühen, die Verkaufszahlen aufrecht zu erhalten.
So finden sich die Verwalter zwischen Hammer und Amboss wieder: die niedrigen Brände müssen, aber es reicht nicht was sie können, die Edel- und Nobelbrände könnten, aber wollen nicht. Auf dem Laden leuchtet weiterhin das runde rote Warnzeichen: das Erdbeben, dass alles in Scherben verwandeln wird, steht noch bevor.