Zugebissen: Die ausgetrocknete Tränendrüse


Gebührend einem des Völkermordes angeklagten Staatsoberhauptes wurde Putin in Alaska von seinem US-Gegenpart Trump empfangen. Der rote Teppich wurde ausgebreitet. An der Flugzeugtreppe konnte sich der zum Präsidenten gewordene Immobilienmogul die Luftsprünge, die er bei dem Anblick seines „Freundes“, den er seit so vielen Jahren nicht mehr in persona erleben konnte, kaum noch unterdrücken. Mit breitem Lächeln gehen die beiden auf einander zu. Trump versucht beim Händeschütteln sogar den Russen an sich heran zu ziehen, um ihn an seinen breite Brust zu drücken, doch dieser bleibt auf Distanz. Die Freundschaft hat durch die lange Trennung doch gelitten. 

Drei Stunden später ist ihre Zusammenkunft zu Ende. Es ist scheinbar während des Wiedersehens doch so manches anders gelaufen als geplant. Sogar die geplante gemeinsame Mahlzeit wird abgesagt. 

Bei dem Treffen mit der Presse steht Trump wie ein Schüler da, der soeben dabei erwischt wurde, dass er seine Hausaufgaben nicht vorbereitet hat. Gerade deswegen darf der aus dem Kreml angereiste Lehrer, anders als die diplomatischen Gepflogenheiten es vorsehen, als Erster sprechen. Es gibt Geschichtsunterricht: Die ganze Welt wird über die glorreiche russische Vergangenheit Alaskas unterrichtet. Die russisch-orthodoxe Gegenwart wird präsentiert und in typischer Weise zur identitätsstiftenden Komponente hochstilisiert. 

Dem durch seinen fast unkontrollierbaren Redefluss bekannten Rotschopf scheinen die Worte im Hals steckengeblieben zu sein. Er stellt fest, dass er eigentlich nichts zu sagen oder zu berichten hat. Das von ihm geplante Spiel wurde von dem Kameraden mit dem Handrücken vom Tisch gefegt und mit einem anderen ersetzt, dessen Spielregeln er nicht kannte. Halblaut gibt er seine Niederlage zu: „Es gibt kein Abkommen solang es kein Abkommen gibt“.

Der Sieger hingegen triumphiert. Er spricht von der Professionalität des Treffens, von Fortschritten, die aber keine Fortschritte sind, solang die Hauptursache des Konflikts noch vorhanden ist, von seinen ununterbrochenen Friedensbemühungen, von pragmatischen zwischenstaatlichen Beziehungen und von wirtschaftlichen Partnerschaften. 

In sich zusammengefallen steht Trump am Ende da. Dabei hatte sogar Melania einen so schönen Brief an Putin geschrieben. Einen Brief über Kinder und Kindheit, über die Verantwortung, die man als Eltern für die Welt trägt, in denen die Kinder leben werden. Sogar von dem „melodischen Lachen der Kinder“ und ihrer Unschuld hatte sie geschrieben. Doch nicht einmal damit war es gelungen, das steinerne Herz des russischen Lehrers zu bewegen. Die Tränendrüse, auf die die First Lady zu drücken gedachte, ist längst ausgetrocknet.  

Nun muss Trump den durch dieses Treffen selbstverschuldeten Dornenweg weitergehen. Er muss Selenskyj Putins Forderungen vorlegen, von denen er schon weiß, dass sie für den ukrainischen Präsidenten unannehmbar sind. Er muss irgendwie seine Niederlage den europäischen Partnern als Sieg verkaufen, wobei ihm bewusst ist, dass ihm das niemand abkaufen wird. Er wird der ganzen Welt erklären müssen, wieso seine harten Drohungen sich nicht nur in Wind aufgelöst haben, sondern fast zu einer Legitimation der russischen Kriegspolitik geworden sind. 

Von allen Seiten angegriffen besteht nun die Gefahr, dass Trump wie üblich nur noch aus seinem überdimensionierten Ego heraus reagiert, seine Spielsachen packt und sich aus der ganzen Geschichte herauszieht. Damit müsste er aber zugeben, dass er in Alaska in einem Bereich, in dem er sich als der einzige Experte der Welt darstellt, eine schmachvolle Niederlage erlitten hat. Zugleich müsste er damit auch den Traum vom Friedensnobelpreis in den Müllkorb werfen. Ob das sein Ego verkraften kann oder nicht, wird sich in Kürze zeigen.