Spricht man über die deutsche Minderheit in Rumänien, so steht auch oft die Frage nach ihrer Zukunftsperspektive im Raum. Dieser Fragestellung widmeten sich auch insgesamt 13 Schülerinnen und Schüler des Deutschen Theoretischen Lyzeums „Johann Ettinger“ in Sathmar/Satu Mare im Rahmen eines von der deutschen Botschaft geförderten Projektes. Als Ergebnis der Projektarbeit entstand zunächst eine Ausstellung, die interessante generationsübergreifende Einblicke zu den Themen Zukunft und Identitätsverständnis bei den Sathmarer Schwaben gewährt.
Die Jugendlichen machten sich durch die Befragung der teilnehmenden Generationenpaare auf die Suche nach Antworten auf die Fragen nach Identitäts(merkmalen), Sprache und Zukunftsperspektiven innerhalb der deutschen Minderheit in Sathmar. Im Verlauf der Projektarbeit führten die Ettinger-Schüler zahlreiche Interviews mit den teilnehmenden Personen, die auch gefilmt wurden. Im ersten Schritt entstand so die Ausstellung mit den Fotografien und ausgewählten Kernaussagen, die sich in den Gesprächen herauskristallisierten. Die Ausstellung wurde bereits am 20. Dezember im Rahmen einer Sitzung des Regionalforums Nordsiebenbürgen im Wendelin-Fuhrmann-Saal eröffnet und wird voraussichtlich noch bis Mitte Januar zu sehen sein.
Die Projektteilnehmer sind zurzeit in der Bearbeitungsphase der Videoaufnahmen. Das Material wird in einem zweiten Schritt als Basis für eine entstehende Dokumentation genutzt, die ebenfalls noch Ende dieses Monats präsentiert werden soll.
Deutsche Sprache als verbindendes Element für die eigene Identität
Die Ausstellung bringt einen interessanten Querschnitt der Sathmarer Schwaben hervor. Nicht nur die Altersunterschiede der präsentierten Generationskonstellationen weisen darauf hin, sondern vor allem auch die unterschiedliche Einstellung zur deutschen Sprache.
So stößt man bei den Porträts auf Stefan Mok und Martha Holtzberger, zwei Sathmarer Schwaben durch und durch. Beide sprechen nach wie vor die schwäbische Mundart, die ihre Vorfahren vor knapp über 300 Jahren aus der Urheimat in die Region Sathmar mitgebracht haben. Sie haben auch ihren Kindern das Schwäbische weitergegeben. Weder Assimilierungsversuche der Ungarn im 19. Jahrhundert noch die über 50 Jahre kommunistische Diktatur in Rumänien konnten den schwäbischen Dialekt aus ihren Familien verschwinden lassen.
Demgegenüber porträtiert die Ausstellung auch Sathmarer Schwaben, die in ihren Kernaussagen offenbaren, dass die Großeltern und Eltern noch deutsch bzw. schwäbisch sprachen, aber dann diese Sprachkenntnisse generationsübergreifend mit unterschiedlichem Tempo verloren wurden. Einige Eltern sind froh, dass zumindest ihre Kinder wieder in deutschsprachigen Kindergärten und Schulen die Chance haben, die deutsche Sprache zu erlernen und sie im Optimalfall zu pflegen und weiterzugeben.
Andere sind sich bewusst, dass sie selbst die deutsche Sprache nicht mehr oder nur schlecht beherrschen. Liest man die Kernaussagen aufmerksam, so wird deutlich, dass die deutsche Sprache dennoch ein wichtiges verbindendes Element für die eigene Identität als Sathmarer Schwabe darstellt. Dieses Identitätsmerkmal durchdringt alle Generationen. Eine besondere Bedeutung hat dabei das seit über zwei Jahrzehnten bestehende deutsche Lyzeum.
Alle porträtierten Kinder und Enkel besuchen diese Bildungseinrichtung. Die deutsche Schule liefert daher einen enorm wichtigen Beitrag für die deutsche Gemeinschaft in der Region.
Traditionen und Bräuche sind wie Klebstoff, der die Gemeinschaft zusammenhält
„Trachtenfest, Oktoberfest, Strudlifest, ... dort kommen alle Schwaben zusammen und unterhalten sich. Nach der Kirche treffen wir auch beim Sonntagskaffee zusammen. Der Kaffee ist aber nicht wichtig, sondern die Unterhaltung, die Ideen, die man dort austauschen kann.“
Diese Aussage von Stefan Mok gibt einen tiefgreifenden Einblick in die Seele der Sathmarer Schwaben. Viele Traditionen und Bräuche sind im Laufe der Jahrhunderte verlorengegangen oder werden heute nicht mehr ausreichend gepflegt. Dennoch hat es die deutsche Gemeinschaft in der Region geschafft, diverse Traditionen und Bräuche zu bewahren und sie zu pflegen. Die diversen Feierlichkeiten und kulturellen Veranstaltungen werden in der Region fest mit der deutschen Minderheit verbunden. So ist es nicht ungewöhnlich, dass auch viele Ungarn und Rumänen das kulinarische Strudlifest oder das Oktoberfest besuchen.
Die mit den Festen verbundenen Traditionen und Bräuche sind Fixpunkte in der sathmarschwäbischen Kultur. Sie sind wie Klebstoff, der die Gemeinschaft zusammenhält und für viele identitätsstiftend wirkt. Die Kernaussagen der Ausstellung zeigen auch, dass die Traditionen über die Generationen hinweg ein wichtiges Element sind. „Ich mag das Strudlifest und den Martinstag“, gibt die Zweitklässlerin Lara Toth zu Protokoll.
„Die typischen Feste der Schwaben sind wichtige Identitätsmerkmale, z. B. Kirchweihfest, Erntedankfest … vor Jahrhunderten haben unsere Vorfahren sie gefeiert, jetzt feiern wir sie und ich hoffe sehr, dass sie auch weitergefeiert werden“, äußert sich die Gymnasiastin Gerlinde Leitner im Gespräch. Die traditionellen Feste und Bräuche stoßen auch bei den Jüngsten auf Begeisterung und vermitteln einen identitätsstiftenden Charakter.