500 Jahre seit der Reformation

Eine Betrachtung zur Feier des Reformationsfestes

Im „27. Bericht der ev. Stadtpfarrgemeinde A.B. in Kronstadt über die Jahre 1916 – 1930“ finden wir einen sehr interessanten Bericht über die Art und Weise, wie die Honterusgemeinde 1917, mitten im 1. Weltkrieg, die 400. Wiederkehr des Thesenanschlages Luthers in Wittenberg gefeiert hat und wie daraus der Gedanke entstand, dass dieses am Tag der Reformation, dem 31. Oktober geschehen sollte, im Gegensatz zu der Gewohnheit, in der Landeskirche dieses Ereignis am auf den 20. Oktober folgenden Sonntag zu feiern.

Der diesbezügliche Text lautet im oben genannten „Bericht“:
... Trotzdem versuchte man der Feststimmung, wenn auch in ernstester Weise, Rechnung zu tragen. Hier in Kronstadt wurde dies noch dadurch erhöht, dass unsere reformierte ungarische Schwesterkirche den Tag mit uns in feierlichster Art mitbeging. Die von einem Ausschuss vorbereitete 400-jährige Reformationsfeier fand seitens der Schulen am 30. Oktober 1917 in der Obervorstädter Kirche statt, während der Festgottesdienst am Mittwoch dem 31.Oktober, 10 Uhr vormittags in der Stadtpfarrkirche erfolgte und ebendort am Nachmittag 5˝ Uhr eine Gemeindefeier mit einem Vortrag des Stadtpfarrers D. Franz Herfurth „Was verdanken wir unserer Volkskirche?“  Daran reihten sich Begrüßungen, Gemeindelieder und Gesangsvorträge. Diese großangelegte Feier brachte den Gedanken nahe, von nun an das Reformationsfest auch hier, so wie es in allen andern evang. Weltkirchen geschieht, am 31. Oktober jeden Jahres, ohne Rücksicht darauf, auf welchen Wochentage es fällt, abzuhalten. Doch ließen die ungewissen Zeiten des Weltkrieges diesen Gedanken nicht aufkommen.
Erst als Stadtpfarrer D. Dr. Victor Glondys nach Kronstadt berufen worden war, kam in der Beurteilung der Frage ein neuer Impuls. In wie weit die beinahe einmütige Absicht Kronstadts in der Folge endlich zum Ausdruck kam, wird unten in den Anlagen durch den Bericht des Stadtpfarrers Dr. Glondys selbst auseinander gesetzt. Die hohe Landeskirchenversammlung dagegen beschloß die Anregung Kronstadts abzulehnen. Trotzdem hat Kronstadt eine Form gefunden, die allen Wünschen sowohl als auch den Beschlüssen des hochl. Landeskonsistoriums Rechnung trägt.
Aber Hermannstadt ist nicht einverstanden, wie es der folgende Brief zeigt:

    Zl. 6031/1927
    Gegenstand: Reformationsfest.
    An das hochehrwürdige
    ev. Stadtpfarramt A. B. Kronstadt
Aus Tageblättern geht hervor, dass in Kronstadt das Reformationsfest, entgegen den Beschlüssen der Landeskirchenversammlung, am 31. Oktober gefeiert worden ist, eventuell – es ist nicht ganz klar – am 31. Oktober und am ersten Sonntag nach dem 30. Oktober.
Das hochehrwürdige Stadtpfarramt wolle berichten, wie die Sache sich verhält.
Hermannstadt, 25. November 1927
    Vom Landeskonsistorium der ev. Kirche A.B. in Rumänien
        D. Fr. Teutsch     Max Tschuri
Bischof Hauptanwalt

Worauf der Stadtpfarrer Glondys am 19. Dezember antwortet:
Pf. Z. 472/927
    Zur L.K.Z. 6031/027
    Gegenstand: Reformationsfest
    in Kronstadt.
                        Kronstadt, am 19. Dezember 1927
An das hochlöbliche  ev. Landeskonsistorium A.B. In Hermannstadt

Zum Jahre 1923 beschloß das Kronstädter Presbyterium über Antrag des Stadtpfarrers einstimmig den 31. Oktober in Würdigung seiner hohen Bedeutung für die evangelische Kirche hochfestlich zu feiern. Die Begeisterung für diese Feier war so groß, dass die sächsischen Geschäftsleute und Gewerbetreibenden an diesem Tag ihre Geschäfte sperrten;  Vereine und Körperschaften erschienen mit ihren Fahnen zum Gottesdienst; alte Zunftfahnen, zum Teil sogar aus dem Museum hervorgeholt, schmückten an ihren alten Stellen aufgepflanzt wieder das Gotteshaus.
Die riesige Kronstädter Stadtpfarrkirche war für die Menge der Teilnehmer zu klein geworden; bis an die Stufen des Altars standen die dichtgedrängten Scharen der Besucher. Auch aus den ländlichen Gemeinden des Burzenlandes waren wohl alle Pfarrherrn und eine Reihe von Gemeindemitgliedern zu diesem Gottesdienst erschienen. Als die 4000 Menschen sich erhoben und das alte Lutherlied „Ein feste Burg“ sangen, wirkte dies geradezu überwältigend als Bekenntnis zur lutherisch evangelischen Art. Die Stadt Kronstadt trug feierliches Gepräge. Man merkte, wie stark das Sachsentum hier noch das Leben beherrscht und der Stadt das Gepräge gibt. Das ganze Fest war auch nach außen hin eine eindrucksvolle Kundgebung des Sachsentums und seines entschlossenen Bekenntnisses zu seiner sächsisch-lutherischen Art, der Eindruck war so groß, dass Vertreter der helvetischen (reformierten) Gemeinde in dem sächsischen Stadtpfarramt erklärten, die Helveten würden sich in Zukunft mit den Unitariern, wenn die Sachsen dieses Fest weiterhin so zu feiern gedächten, dieser gewaltigen Kundgebung des evangelischen Christentums auch anschließen. Tatsächlich hatten auch schon bei der ersten Feier des 31. Oktober ungarische Kaufleute zum großen Teil ihre Geschäftsläden gesperrt. Unter diesem Eindruck beschloß das Presbyterium und die Gemeindevertretung noch im Jahre 1923 das hochlöbliche Landeskonsistorium zu bitten, die Einführung dieses Festtages in der ganzen Landeskirche in die Wege zu leiten zu wollen.

Im nächsten Jahr wurde wohl von einer kleinen Gruppe der Versuch gemacht, diese Feier  wieder auf den Sonntag zu verlegen, aber der einmütige Wille der erdrückenden Mehrheit unserer Gemeinde machte diesen Versuch zunichte. Auch in den folgenden Jahren wurde der 31. Oktober hochfestlich gefeiert.
Heuer war eine neue Sachlage durch die Verordnung des hochl. Landeskonsistoriums Zl. 2800/27 gegeben. Anlässlich der Bekanntgabe des Erlasses an das Presbyterium und die Gemeindevertretung fügte der Stadtpfarrer hinzu, er werde in selbstverständlichem Gehorsam gegenüber diesem Erlass den auf den 30. Oktober folgenden Sonntag als landeskirchlichen Reformationssonntag in sämtlichen Kirchen der Stadtpfarrgemeinde in festlicher Weise feiern lassen, doch werde er auch den 31. Oktober festlich begehen und hierzu die Gemeinde einladen. Sowohl das Presbyterium als auch die Gemeindevertretung nahmen diese Mitteilung mit einhelliger Zustimmung genehmigend zur Kenntnis.
In einem Aufruf an die Gemeinde wies der Stadtpfarrer auf die durch das landeskirchliche Gesetz geschaffene Lage hin und gab der Gemeinde bekannt, dass der auf den 30. Oktober folgende Sonntag als landeskirchlicher Reformationssonntag gefeiert wird, lud aber die Gemeinde ein, unbeschadet der Befolgung der gesetzlichen Verfügung dennoch den 31. Oktober durch Teilnahme am Gottesdienst als besondern Tag hervorzuheben. Die Gemeinde folgte dem Rufe auch heuer und überfüllte die Stadtpfarrkirche. - Einige Geschäftsleute sperrten auch heuer für den ganzen Tag, viele nur für die Vormittagsstunden, manche gar nicht, weil keine Einladung nach dieser Richtung hin erfolgt war. Nur der Gewerbeverein hatte seine Mitglieder amtlich zur Feier dieses Tages und zum Kirchgang eingeladen.

Der Wille der Gemeinde Kronstadt, diesen Tag als einen besondern zu feiern, ist über jeden Zweifel erhaben. Wer die Kundgebung dieses Willens auch heuer wieder erlebt hat, kann sie in einer Zeit, in der mit Recht über entkirchlichten Sinn viel geklagt wird, nur mit großer Wärme begrüßen. Dieser Wille hat aber auch sein tiefverankertes Recht und steht nicht im Widerspruch mit dem Gehorsam gegen das Gesetz, sondern strebt etwas an, das über das  Gesetz hinausgeht.
Eine Unifizierung um des äußerlichen Erfolges willen, dass keine Gemeinde etwas tue, noch tun dürfe, was die andern auch nicht tun, würde im vorliegenden Falle eine schwere Schädigung des kirchlichen Lebens bedeuten. nur um hierüber Klarheit zu verschaffen, habe ich mir erlaubt, über die Geschichte der Kronstädter Feier des 31. Oktober vielleicht ein wenig zu umständlich zu berichten.
Um des Lebensaufbaues willen bitte ich ein hochl. Landeskonsistorium diese Kronstädter Besonderheit zu genehmigen.
                            Hochachtend
    Dr. Glondys, Stadtpfarrer

Soweit der Bericht.

Aus heutiger Sicht ist dieser Streit kaum zu verstehen. In Zeiten des Umbruchs, wie es die des ersten Weltkrieges und die darauf folgenden waren, sich an den Termin eines Gedenk- und Feiertages so zu klammern und eine Gemeinde wie Kronstadt so vor den Kopf zu stoßen und zu gängeln, kann nicht mehr nachvollzogen werden.
Wo lag aber der Grund zu dieser harten Haltung?
Da müssen wir weiter in die Vergangenheit zurückgehen. Nach der Reformation wurden die vielen Gedenktage der Heiligen als arbeitsfrei abgeschafft. Für besondere, tief im Bewusstsein des Volkes verankerte Gedenktage dieser Art, wurde deren Gedenken auf den folgenden Sonntag verlegt. Dieses fand  große Zustimmung, konnten so die Handwerker und Kaufleute in den Städten und die Bauern auf dem Land ihren Arbeiten im Verlauf der Woche nachgehen, ohne die Arbeit unterbrechen zu müssen. Nachdem Siebenbürgen im Habsburgerreich integriert worden war, gab es immer wieder Bestrebungen der österreichischen Verwaltung, die Heiligentage an ihrem Datum zu feiern. Gegen diese Bestrebungen konnten sich die Vertreter der sächsischen Gemeinschaft erfolgreich durchsetzen.
Im Hinblick auf diesen Hintergrund erscheint die Haltung der Landeskirche nicht mehr so unverständlich, ging es doch darum, möglichst viel von den alten Rechten und Gebräuchen zu erhalten.