Das Typoskript der dritten Folge aus der im Jahr 1943 zusammengestellten Dokumentation über Kronstädter Musikerinnen trägt den Titel „Medi Fabritius / Oratorien- und Liedersängerin (Alt)“. Es handelt sich um einen autobiografischen Text, der aber – als einziger in dieser Beitragsserie – nicht aus durchformulierten Sätzen besteht, sondern eher stichwortartig die künstlerische Karriere von Medi Fabritius zusammenfasst. Trotzdem sind wir der Meinung, dass er berechtigterweise in unsere Artikelreihe aufgenommen wird, weil er u.a. einen aufschlussreichen Einblick in das reichhaltige kirchenmusikalische Angebot im Kronstadt der 1930er Jahre bietet.
In einem kurzen Nachruf auf die Sängerin, unterzeichnet H.T. und veröffentlicht in der „Siebenbürgischen Zeitung“ vom 15. Januar 1985, steht der Satz: „Sie war Mitbegründerin des Kronstädter Bach-Chors und begnadete Oratoriensängerin der ‚Schwarzen Kirche‘.“ Aus diesem Nachruf geht auch hervor, dass Medi Fabritius bis 1948 an Aufführungen von Oratorien, an Kantatenabenden und geistlichen Abendmusiken mitgewirkt hat. Nach Kriegsende erfolgte, nach über 20-jähriger Ehe, die Scheidung von Rechtsanwalt Dr. Ernst Fabritius (1899-1964). Im Jahr 1954 heiratete sie Victor Bickerich (1895-1964), Kantor der Schwarzen Kirche und Begründer des Kronstädter Bach-Chores, was zur Namensänderung in Medi Bickerich führte.
Medi (eigentlich Luise Margarethe) Kerschner, nachmalige Fabritius bzw. Bickerich, wurde am 21. August 1903 in Bu{teni geboren. Nach ihrer Aussiedlung nach Deutschland war sie als Organistin in Lechbruck (Bayern) aktiv. Ihren Lebensabend verbrachte sie im dortigen „Siebenbürgerheim“, wo sie am 3. Dezember 1984 verstorben ist.
Redaktionelle Ergänzungen im nachfolgenden selbstbiografischen Text sind in eckige Klammern gesetzt. Über Gesangslehrerin Spiess Strakesch (Berlin), Gesangslehrer Jean de Waligerski (Bukarest) und Musikdirektor Hermann Schelling (Berlin), die Medi Fabritius in ihrer Karriere-Übersicht erwähnt, konnten wir in einschlägigen Musiklexika wie auch im Online-Lexikon „Wikipedia“ kein Angaben finden.
I. Personaldaten:
Name: Luise (Medi) Fabritius geb. Kerschner.
Eltern: Buchhändler Eduard Kerschner und Frau (Henriette Louise) geb. Knopf.
Ehe: verheiratet mit Rechtsanwalt Dr. Ernst Fabritius, Kronstadt.
Kinder: 1. Bettina (1), 14 Jahre alt; 2. Cornelia, 10 Monate alt.
Wohnung und Anschrift: Kronstadt-Bra{ov, Johannisgasse 7.
II. Musikalische Ausbildung:
- 1928-1930 Privatunterricht in Kronstadt (Frau Elsa v. Bömches, Frau Aenne Bickerich (2)),
- 1930-1932 Privatstudium in Berlin (Frau Eva Katharina Lissmann (3), Gerhard Jekelius, Frau Spiess Strakesch),
- 1935-1940 Privatstudium bei Jean de Waligerski (Bukarest),
- seit 1935 Korrepetition bei Musikdir. Victor Bickerich, Kronstadt.
III. Konzerttätigkeit:
(es sind nur die größeren Konzertverpflichtungen genannt, kleinere Aufführungen und Mitwirkungen sind unberücksichtigt gelassen)
1930
- Kronstadt, 25. Juni: G. Fr. Händel, „Judas Maccabäus“ (Kronstädter Männer-Gesangverein),
- Kronstadt, 7. Sept.: G. Fr. Händel, „Judas Maccabäus“ (im Rahmen der Vereinstage 1930 in Kronstadt).
1931
- Berlin: Bach-Kantaten-Abend in der Kapernaum-Kirche unter Musikdir. Hermann Schelling,
- Kronstadt, 24. Juni und 3. Sept.: J.S. Bach, „Johannes-Passion“ (Kronstädter Männer-Gesangverein),
- Kronstadt, 1. Okt., Hermannstadt, 3. Okt., Schäßburg, 4. Okt., Bu{teni, 10. Okt.: Kammerduette und Zwiegesänge (mit Frau Aenne Bickerich).
1932
- Kronstadt, im Mai: G. Verdi, „Requiem“ (Kronstädter Deutscher Liederkranz unter Mus.-Dir. Nowak (4)),
- Kronstadt, 7. Juni: Bach-Kantaten-Abend (Kronstädter Männer-Gesangverein),
- Schäßburg, 3. Nov., Hermannstadt, 4. Nov., Kronstadt, 24. Nov.: Duette und Zwiegesänge (mit Frau Aenne Bickerich).
1933
- Hermannstadt, 10. April: J.S. Bach, „Johannes-Passion“ (Hermannstädter Bach-Chor),
- Kronstadt, 25. Mai: J.S. Bach, „Matthäus-Passion“ (Kronstädter Bach-Chor),
- Kronstadt, 31. Okt.: Bach-Kantaten-Abend (Kronst. Bach-Chor),
- Kronstadt, 28. Dez.: J.S. Bach, „Weihnachts-Oratorium“ (Kronst. Bach-Chor).
1934
- Kronstadt, 30. März, Schäßburg, 17. Juni: J.S. Bach, „Matthäus-Passion“,
- Kronstadt, 25. Nov.: W.A. Mozart, „Requiem“,
- Kronstadt, 28. Dez.: J.S. Bach, „Weihnachts-Oratorium“ (Kronstädter Bach-Chor).
1935
- Bukarest, 24. März, Kronstadt, 12. Mai: J.S. Bach, „Matthäus-Passion“,
- Kronstadt, 24. Nov.: W.A. Mozart, „Requiem“ (Kronstädt. Bach-Chor).
1936
- Kronstadt, 6. Febr.: G.Fr. Händel, „Samson“ (Kronstädt. Bach-Chor),
- Bukarest, 27. März: J.S. Bach, „Johannes-Passion“ (Kronstädt. Bach-Chor),
- Bukarest, 29. März: J.S. Bach, „Matthäus-Passion“ (Kronstädt. Bach-Chor),
- Kronstadt, 21. Mai: J.S. Bach, „Johannes-Passion“ (Kronstädt. Bach-Chor),
- Kronstadt, 30. Okt.: Bach-Kantaten-Abend (Kronstädt. Bach-Chor),
- Kronstadt, 22. Nov. : W.A. Mozart, „Requiem“ (Kronstädt. Bach-Chor).
1937
- Kronstadt, 10. Juni: J.S. Bach, „Matthäus-Passion“ (Kronstädt. Bach-Chor),
- Stuttgart, 1. Sept.: Lieder siebenbürgischer Komponisten,
- Reichssender Stuttgart, 2. Sept.: Lieder siebenbürgischer Komponisten,
- Stuttgart, 2. Sept.: W.A. Mozart, „Requiem“ (Kronst. Bach-Chor),
- Reichssender Frankfurt, 7. Sept., Deutschlandsender Berlin, 9. Sept., Kurzwellensender Berlin, 11. Sept.: Lieder siebenb. Komponisten,
- Radio Bukarest, 10. Nov.: Lieder von Schubert, Brahms, H. Wolf,
- Bukarest, 11. Nov.: W.A. Mozart, „Requiem“ (Kronst. Bach-Chor),
- Kronstadt, 15. Dez.: Anton Bruckner, „Tedeum“ (Kronst. Bach-Chor).
1938
- Bukarest, 12. April: J.S. Bach, „Matthäus-Passion“ (Kronst. Bach-Chor),
- Kronstadt, 15. April: J.S. Bach, „Matthäus-Passion“ (Kronst. Bach-Chor),
- Kronstadt, 29 Nov.: Lieder-abend – Händel, Schubert, Brahms, Hugo Wolf u.a.,
- Kronstadt, 16. Dez.: J.S. Bach, „Weihnachts-Oratorium“ (Kronst. Bach-Chor).
1939
- Kronstadt, 18. Mai: J.S. Bach, „Johannes-Passion“ (Kronst. Bach-Chor),
- Mühlbach, 17. Dez., Hermannstadt, 18. Dez.: J.S. Bach, „Weihnachts-Oratorium“ (Hermannstädter Bach-Chor),
- Kronstadt, 20. Dez.: J.S. Bach, „Weihnachts-Oratorium“ (Kronst. Bach-Chor).
1940
- Hermannstadt, 12. März: J.S. Bach, „Johannes-Passion“ (Hermannst. Bach-Chor),
- Kronstadt, 15. März: J.S. Bach, „Johannes-Passion“ (Kronst. Bach-Chor),
- Kronstadt, 27. Juni: J.S. Bach, „Magnificat“ (Kronst. Bach-Chor),
- Kronstadt, 24. und 27. Nov.: W.A. Mozart, „Requiem“ (Kronst. Bach-Chor),
- Hermannstadt, (15.) Dez.: J.S. Bach, „Weihnachts-Oratorium“ (Hermannstädt. Bach-Chor),
- Kronstadt, 22. Dez.: J.S. Bach, „Weihnachts-Oratorium“ (Kronstädter Bach-Chor).
1941
- Kronstadt, 3. April, Bukarest, 6. April: J.S. Bach, „Matthäus-Passion“ (Kronst. Bach-Chor),
- Bukarest: 5. Dez.: W.A. Mozart, „Requiem“ (Kronst. Bach-Chor),
- Kronstadt, 7. Dez.: Mozart-Gedenkfeier (Kronst. Bach-Chor).
1942
- Hermannstadt, 31. März: J.S. Bach, „Johannes-Passion“ (Hermannst. Bach-Chor),
- Kronstadt, 29. März: J.S. Bach, „Johannes-Passion“ (Kronst. Bach-Chor).
Kronstadt, 12. April 1943
Medi Fabritius e.h.
Anmerkungen
(1) Die ältere Tochter von Medi Fabritius wurde als Schriftstellerin bekannt unter dem Namen Bettina Schuller (1929-2019)
(2) Die Sopranistin und Gesangslehrerin Aenne Bickerich geb. Storbeck war die erste Ehefrau von Victor Bickerich, Kantor der Schwarzen Kirche. Gemeinsam übersiedelten sie 1921 aus dem polnischen Leszno (Lissa) nach Kronstadt. Nach Rumäniens Frontwechsel vom 23. August 1944 verließ sie das Land. In Überlingen am Bodensee fand sie eine Stelle als Organistin und Chorleiterin. Sie verstarb im Jahr 1988.
(3) Die Altistin Eva Katharina Lissmann, 1883 in Bremen geboren, war mit dem aus Kronstadt stammenden Konzert- und Oratoriensänger Gerhard Jekelius verheiratet. Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden beide von sowjetischen Soldaten, die in ihre Wohnung in Berlin eingedrungen waren, erschossen.
(4) Alfred Nowak (1871-1934) war u.a. ab 1896 Stadtkapellmeister und ab 1913 erster Chormeister des Männerchores „Hermania“ in Hermannstadt sowie ab 1929 Dirigent des Deutschen Liederkranzes und Lehrer am Konservatorium „Astra“ in Kronstadt.