TEIL 1
Über die Konferenz - „Das Bild Kronstadts in Fotopostkarten“
In Felmern wird die Kirchenburg seit mehr als 12 Jahren vom Verein Renascendis.org verwaltet, der von Radu Bârl˛ und Alina P˛tru geleitet wird und als Ziel ein nachhaltiges Konzept für das Management von Kulturerbe hat. Sie verwalten u. a. für ein besonderes fotografisches Archiv aus ganz Rumänien. Radu Bârlă sprach Ende Juni in der Kronstädter Kreisbibliothek über historische Fotopostkarten, die Kronstadt verbildlichen. Er erwähnte Leopold Adler, Josef Brand, Heinrich Zeidner, Heinrich Lang, Marie Gebauer, Knauer Gyula (Julius), Fotofilm Klausenburg, Verlag Cartea Românească, Union Bücherei, Gheorghe Opreanu, Marietta Jekelius, Martha Weiss & Lilli Fuchs, Arthur Adler, Victor Adler, Verlag Ilustra]ia Gherla, Csiszar Victor. Über das Fotoarchiv, aber auch über die Herausforderungen seiner Arbeit sprach Radu Bârl˛ mit der KR-Redakteurin Cristina Ciubotaru.
Herr Bârlă, wie spiegelt sich Kronstadt in diesen Bildern wider?
Die vorgestellten Fotopostkarten sind fast alle aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie erzählen vom Übergang vom Gewerbe zur Industrie, von Offenheit und Inklusion, vom Gleichgewicht zwischen Tradition und Moderne in Architektur, von einer Stadt, die von ihren Bewohnern geliebt wurde, in der die Menschen eine identitätsstiftende Verbindung zu ihr hatten und wo der Gemeinschaftsgeist noch zum Ausdruck kam.
In welcher Beziehung stehen Fotopostkarten zu anderen Kunstformen?
Während Malerei meist das Motiv kontrolliert und gestaltet, unterliegt Fotografie der Unwiederholbarkeit des Augenblicks. Fotopostkarten dokumentieren oft ganz unbeabsichtigt genau das, was andere Medien bewusst in-szenieren.
Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts ist eine Zeit, in der Städte reich an Formen öffentlicher bildender Kunst sind. Gerade die Postkarten zeigen uns, wie reich die Stadt an visuellen Reizen war. Plakate, gemalte Laden- und Werkstattschilder, Werbetafeln, Architektur und Grafik bilden zusammen ein urbanes Bildarchiv wie eine Geschichte mit Schubladen, wobei jede dieser Formen ihre eigene Rolle hatte. Allerdings galten nicht alle Bildformen als Kunst und Fotopostkarten wurden damals nicht als Kunstform angesehen. Kunstfotografie war im damaligen Verständnis Studiofotografie, die inszeniert wurde.
Welche Botschaften stehen üblicherweise auf den Postkarten?
Es fällt auf, dass es meist einfache Grüße, Alltags- oder Reise-themen, oft aus dem Kontext gerissene Fragmente sind. Im Grunde sind sie Ausdruck noch immer existierender mentaler Strukturen, die uns dazu bringen, von Urlauben und Reisen in sozialen Medien zu posten und vom Gesehenen und Erlebten mitzuteilen. Interessanterweise schrieben auch damals viele mit geringer Sprachbeherrschung, ähnlich wie heute auf Facebook oder Twitter.
Wie entstand das Postkarten-Phänomen, und wie lässt es sich heute nutzen?
Das Postkarten-Phänomen entsteht aus dem Wunsch nach schneller, knapper Kommunikation, die durch den Schienenverkehr überhaupt erst möglich wurde. Die Postkarten dienen als unterhaltsame Ergänzung, visuelle Vielfalt. Darüber hinaus werden sie zu Sammlerstücken, die Zugang zu fremden Städten und Ländern bieten. Praktisch entwickelt die Postkarte ein eigenes Universum, geht über den Status eines brieflichen Mediums hinaus und wird zum Selbstzweck.
Heute können sie die Kontinuität der Identität des Ortes über demografische und soziale Veränderungen hinaus sicherstellen, Geschichte sichtbar machen und Stadtentwicklung kritisch begleiten. Sie sind zweifellos Teil des kollektiven Gedächtnisses und visuelle Zeugen dessen, was bewahrt oder rekonstruiert werden sollte.
Entdeckten Sie bei der Vorbereitung etwas Neues oder eine besondere Karte?
Bei meiner Arbeit habe ich keine Karte gefunden, die völlig neu oder spektakulär ist. Der Vortrag ist Teil einer laufenden Forschung. Aber jede Karte hat das Potential, immer wieder Neues zu zeigen. Historiker sind dafür trainiert, eher nüchtern zu bleiben, aber Qualität lässt sich selbstverständlich würdigen. Hier nenne ich z.B. eine Fotopostkarte aus den frühen Jahren des 20. Jh., ein Bild vom Raupenberg mit den noch vorhandenen Holzstützen und mit der schönen Silhouette der reformierten Kirche in der Ferne – ein Motiv, das Kronstadts Wahrung handwerklicher Wurzeln zeigt. Es widerspricht der touristisch geprägten Stadtwahrnehmung von heute. Damals war es eine Stadt ihrer Bewohner, mit multikulturellem Beitrag. In der neueren Zeit wurden viele dieser Identitätselemente, meiner Meinung nach, grundlos geopfert.
Zeigten Sie in der Konferenz seltene oder unveröffentlichte Karten?
Rarität ist eher ein Merkmal, das Sammler stolz macht und Öffentlichkeit begeistern soll. Für Historiker ist sie zweitrangig. Aber ja, die Konferenz umfasste unveröffentlichtes Material. Dies liegt jedoch an der schwachen Entwicklung des Fachgebiets, dem Mangel an Spezialisten, an Digitalisierung und hauptsächlich an Interesse. Natürlich enthalten die Renascendis-Sammlungen und das Fotoarchiv viel mehr unveröffentlichtes Material, darunter auch aus Kronstadt.
Drei bekannte Fotografen haben Sie nicht in Ihre heutige Auswahl aufgenommen. Warum?
Heinrich Gust, Oskar Netoliczka und Karl Lehmann habe ich bewusst ausgelassen, weil ihre Arbeit so umfangreich ist, dass eine Auswahl sie nicht würdigen würde. Sie haben eine Sonderstellung. Gust, wahrscheinlich in Wien ausgebildet, arbeitete kurz mit Ida Guggenberger und war ab 1910 in Kronstadt tätig. Er fotografierte Stadt, Umgebung und Berge, produzierte über 600 Klischees für Postkarten und lieferte Bildvorlagen für viele Publikationen. Netoliczka, ein vielseitiger Künstler und Lehrer aus einer angesehenen Familie, schuf (unter anderem) einige der kunstvollsten Stadtansichten der Zwischenkriegszeit. Und Lehmann, der nach Kriegsgefangenschaft und Rückkehr aus Sibirien sich ganz den Karpaten widmete, war eine Bergsteigerlegende, dessen Postkarten in den 1930er-Jahren in großen Auflagen erschienen. Was sie vereint, ist ihre Leidenschaft für Fotografie. Von der „allgemeinen Tätigkeit“ unterscheiden sie sich durch Qualität, Vielfalt und Umfang ihres überlieferten Werks. Sie verdienen keine bloße Einbindung in eine thematische Auswahl, sondern jeweils eigene monografische Studien.
Gibt es Publikationen und Datenbanken zum Thema?
In Rumänien sind wir in dieser Hinsicht sehr schlecht vertreten. Die Fachbibliografie ist spärlich und katastrophal schlecht. Ich könnte kein Fachwerk auf Rumänisch empfehlen, höchstens als Negativbeispiel. Wir verfügen leider auch nicht über Fachstudien zum lokalen vs. europäischen fotografischen Erbe.
Es gibt jedoch nützliche allgemeine Fotografie-Datenbanken – siehe „Fortepan“ und „Fototeca Azopan“. Was digitale Sammlungen betrifft, wurde ein Teil der „Oroveanu-Sammlung“ auf photopastfuture.ro veröffentlicht, und ein Teil der Fotosammlung des Rumänischen Bauernmuseums ist online unter arhiva.muzeultaranuluiroman.ro zu finden. Eine ausgezeichnete Ressource in englischer Sprache sind die Materialien des Getty Conservation Institutes.
Unsere Datenbank, an der wir seit einiger Zeit arbeiten, wird demnächst wieder online zugänglich (www.arhivadefotografie.ro) und die erste wissenschaftliche Datenbank in Rumänien sein, die sich der Geschichte der Fotografie und dem fotografischen Erbe widmet. Ein sehr kleiner Teil der Sammlungen ist auf der Facebook-Seite „ArhivadeFotografie“ verfügbar.
Wie kann Bildgeschichte Identität stärken und wie retten wir sie?
Anhand der Bildgeschichte können wir uns einfach mit der Vergangenheit verbinden, denn ein fotografisches Bild braucht nicht unbedingt die Deutung einer Fachperson – es wirkt direkt. Wir haben aber leider bereits viel Bildgeschichte verloren, viel mehr als wir jemals retten können. Allein, wenn wir an die Archive der damaligen Fotowerkstätten denken. Nicht einmal 1 % dieser Archive sind noch da, denn alte Fotografie wurde von Museen, Archiven, Bibliotheken nicht als Dokument behandelt und nicht systematisch gerettet. Fotogeschichte bei uns ist deshalb fast gar nicht entwickelt. Es ist eine tragische Realität, die wir dem sozialistischen Regime verdanken. Tatsächlich beruht auch heute unsere gesamte Beziehung zur visuellen Geschichte noch immer auf den Praktiken des sozialistischen Regimes. Archive werden heute noch zerstört oder weggeworfen. Viele verlieren ihren dokumentarischen Wert, weil sie zerstreut oder anonym gehortet werden. Um das zu ändern, braucht es Verantwortung, Gemeinsinn und Engagement für das kulturelle Erbe. Wir versuchen, bei jeder Gelegenheit und mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln das fotografische Erbe zu retten.
Was tun mit alten Fotos? Wie kann man sie schützen oder verantwortungsvoll weitergeben?
Alte Fotos sollte man möglichst einzeln, kühl, trocken, lichtgeschützt und nicht in Plastik aufbewahren – besser in säurefreiem Papier oder Japanpapier. Auf keinen Fall aufkleben.
Bei Spenden bitte nicht automatisch an Museen denken – viele sind überfordert. Leider verschwinden dort auch immer wieder Objekte. Beispielsweise existiert derzeit nichts mehr von dem, was eine meiner Tanten, eine Siebenbürger Sächsin aus Rosenau im Jahr 2001 Museen in Kronstadt überließ.
Das Landesarchiv ist leider auch nicht die beste Option. Es bietet ein gewisses Maß an Sicherheit, ist aber auch nicht risikofrei. Außerdem muss sich dort ein langes Verfahren abwickeln, bis das Gespendete der Forschung zugänglich gemacht wird; Digitalisierung ist unwahrscheinlich, der Zugang erfolgt daher nur auf Anfrage. Konservierung kommt nicht in Frage.
Positiv hervorzuheben sind das Bildarchiv des Nationalmuseums des Rumänischen Bauern und – für sächsische Bestände – das Archiv der Evangelischen Kirche A.B.
Landesweit gibt es etwa fünf Spezialisten, die sich alle aus eigener Kraft und mit großem Einsatz spezialisiert haben. Leider sind daraus nur wir die einzigen, die reisen, um das fotografische Erbe zu retten, und die einzigen, die unabhängig sind. Der Rest ist an Institutionen gebunden. Die Möglichkeiten sind also äußerst begrenzt.
Und ehrlich gesagt, ist „das Fotoarchiv“ derzeit die einzige Einrichtung, die verantwortungsvoll und transparent mit Spenden umgeht. Natürlich sind wir auch weit von dem Niveau entfernt, das wir uns wünschen, aber alle Spenden werden recherchiert, digitalisiert, zugänglich gemacht und unter angemessenen Bedingungen gelagert. Was die Art und Weise des Spendens betrifft, empfehle ich jedem, nicht ohne ein klares Inventar und ohne Unterzeichnung zumindest eines Übergabe- und Empfangsprotokolls zu spenden. Ohne die erforderliche Dokumentation landen die Güter höchstwahrscheinlich in privaten Sammlungen oder im Handel.
Herr Bârlă, wann begann Ihre Leidenschaft für Fotoarchive?
„Leidenschaft“ wäre übertrieben. Ich bin Historiker und davon überzeugt, dass Handlungsbedarf besteht, dass Einsatz dringend ist. Was mich bewegt, ist Überzeugung und Pflichtgefühl, manchmal Verzweiflung.
Welche Mission hat der Verein Renanscendis?
Unsere Mission war und bleibt die Umsetzung eines Ansatzes im Kulturerbe-Management, der gebautes Erbe, mobiles Erbe und (Fach)Ausbildung integriert. Methoden und Prioritäten haben wir an Gegebenheiten stets anpassen müssen, aber die Vision bleibt.
Welche Projekte haben Sie eingeleitet und an welchen waren Sie beteiligt?
Seit 2012 (physisch seit 2015) verwalten wir die Kirchenburg in Felmern, versuchen sie zu retten und in über zehn Jahren sind bereits viele Projekte entstanden.
Erwähnenswert ist die Reihe „Reste und Sinn“ (2016–2019), ein Projekt zur Erfassung und Förderung des mobilen Erbes von rund 30 evangelischen Gemeinden im Raum Fogarasch- Reps- Kerz/Cârța. Ab 2024 läuft diese Arbeit in Zusammenarbeit mit dem Verein „Contrafort Pro Kleinschenk“, in Zusammenarbeit mit Carmen Schuster und dem Bezirkskonsistorium Hermannstadt.
Zudem setzen wir zahlreiche Bildungsprojekte für Kinder und Jugendliche um.
Seit 2018 nimmt das Fotoarchiv viel Zeit in Anspruch, mit Ausstellungen im In- und Ausland.
Ein nennenswertes Projekt an dem ich beteiligt war gehört den „Șenchea-Archiv“, das buchstäblich in Fogarasch aus den Trümmern und vom Dachboden des Hauses gerettet wurde, in dem der Anwalt Ioan Șenchea gelebt und gearbeitet hat.
Gibt es ein Projekt, das Ihnen besonders am Herzen liegt?
Ja, die Projekte, die der Klischeebibliothek des Sárdi-Fotostudios in Klausenburg/ Cluj (1936–1959) gewidmet waren bzw. dem Teil, den wir retten konnten.
Arbeiten Sie mit anderen Archiven, Museen oder privaten Sammlern zusammen?
Ja, ständig – mit anderen NGOs und Museen. Etwa mit dem Nationalmuseum für Landkarten und alten Büchern („Fotos auf der Weltkarte. Rumänische Reisende im Ausland. 1890 – 1990“) mit „Muzeon“, einem privaten Museum in Klausenburg, („Sárdi-Juden“); mit dem Museum des Fo-garascher Landes („Șenchea-Archiv“). In Zusammenarbeit mit dem Museum der Erinnerungen an den Kommunismus haben wir mehrere Projekte, manche laufen noch. Dieses Jahr bereiten wir in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Bukarest das Projekt „Romania Agfacolor“ vor.
Trotzdem gibt es zu wenig echte Kooperationen. Viele Museen sind eher zurückhaltend, privaten Sammlern fehlt es oft an Offenheit, Wissen oder Interesse. Viele sehen Fotografie als Objektfetisch. Wir haben durch Kritik an unverantwortlichen Praktiken ein beachtliches Hass-Kapital gesammelt.
Manche schätzen unsere Arbeit und dann gibt es konstruktive Diskussionen. In der Regel handelt es sich da eher um Menschen, die ein Interesse haben, das über das Sammeln hinausgeht.
Was beinhaltet die Forschung in diesem Bereich konkret?
Wir unterscheiden zwei Forschungsarten, die sich zwar oft überschneiden, aber unterschiedliche Ziele verfolgen.
Die Archivforschung ordnet das Material anhand externer/ technischer (Maße, Material, Technik) und interner/ inhaltlicher Merkmale (Bilddetails, Texte). Ziel sind eine technische Beschreibung, eine korrekte Datierung, Zuordnung, Lokalisierung, Benennung sowie die Angabe von Autor oder Werkstatt.
Die andere Art der Recherche ist eine gründliche Untersuchung des Bildes, um alle Elemente zu identifizieren, die relevante historische oder künstlerische Informationen liefern können.
Was enthalten Ihre beiden Sammlungen? Gibt es ein eigenes Ordnungssystem?
Sie umfassen mobile Kulturgüter – die Renascendis-Sammlung erfasst die von uns erworbenen und in die Obhut des Vereins überführten, wobei das Fotoarchiv Schenkungen oder durch Spenden erworbene enthält. Wir verfügen, einerseits über Archivbestände: Alben, (Familien)Archive, Lose, Serien, die als Einheit aufbewahrt und geordnet werden, andererseits über Einzelstücke. Wir bemühen uns um eine wissenschaftliche Methode, unterliegen aber oft verschiedenen Einschränkungen (vom Platz bis hin zu unzureichenden Konservierungs- und Lagermaterialien).
Woher stammen Ihre Stücke – gibt es auch ungewöhnliche Bezugsquellen?
Die Quellen sind vielfältig, hauptsächlich aber von zwei Arten: Ankauf und Spenden. Erfreulicherweise haben uns auch Institutionen Archivbestände für Konservierung, Forschung und Förderung anvertraut. Dazu organisieren wir jährlich zwei Spendenaktionen, um Ankäufe auf dem Markt in Negreni (Kreis Klausenburg) zu ermöglichen, einem Ort, der sich für die Sicherung des fotografischen Erbes als sehr wichtig erwiesen hat.
Wie schützen und bewahren Sie alte Fotografien?
Konservierung ist die große Herausforderung. Sie ist unspektakulär, deshalb nicht groß anerkannt, erfordert viel Zeit und Ressourcen, ist aber unerlässlich. Wir reinigen und führen dann die sog. präventive Konservierung durch. Durch stabilisierende Lagerung versuchen wir den beschleunigten Verfall zu stoppen.
Das Archiv im evangelischen Pfarrhaus Felmern ist klein und konnte nicht vollständig optimiert werden. Mit mehr Aufwand finden wir bald ein neues Zuhause für das Archiv und hoffen somit auf ein optimales Niveau bei Konservierung und Lagerung.
Ich muss betonen, dass wir uns nicht mit Restaurierung beschäftigen. Uns fehlen die Mittel dazu. In Rumänien gibt es keine Foto-Restauratoren und -Konservatoren, mit der bemerkenswerten Ausnahme einer jungen Frau, die gerade ihr Studium abgeschlossen hat und mit der wir begonnen haben, zusammenzuarbeiten.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung in Ihrer Arbeit?
Die Digitalisierung ist unerlässlich. Sie erlaubt, den physischen Umgang mit Dokumenten zu begrenzen, ermöglicht eine effiziente Recherche, die mit bloßem Auge oder mit einer Lupe nicht zu erfassen ist und ermöglicht, Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Was ist die größte logistische Herausforderung für Sie?
Die Sammlung wächst stark: Von einigen Hundert Stück (2018) auf über 150.000 Fotos (heute), aus allen Epochen, in allen erdenklichen Arten, Formen und Größen, dazu noch einige hundert Fotoausrüstungen. Die logistische Herausforderung ist somit der Platzbedarf (Arbeits- und Lagerraum).
Gibt es auch Herausforderungen bei der Identifizierung und Authentifizierung?
Authentifizierung ist meistens einfach. Kopien und Fälschungen sind offensichtlich, was aber nicht bedeutet, dass sie bei rumänischen Auktionen, trotz Bestätigung von MC-Experten, fehlen. Die Identifizierung ist komplexer. Auch wenn wir nach sieben Jahren über eine umfangreiche Datenbank verfügen, heißt es nicht, dass manche Fotodokumente uns kein Kopfzerbrechen bereiten.
Was macht ein historisch oder künstlerisch wertvolles Dokument-Foto aus?
Ich mag keine Wertklassifizierung, denn jedes Foto hat zumindest minimalen dokumentarischen Wert. Es hängt alles davon ab, wie viele Informationen sie liefern. Auch ist der Wert für die Forscher nicht derselbe wie für die Öffentlichkeit. Oft sind informative Fotos optisch unspektakulär, während „stille“ Bilder geschätzt werden. Künstlerischer Wert ist umstritten und oft vom Zeitgeist geprägt, doch im Laufe der Zeit schien tatsächlich der künstlerische Wert in Mode zu sein und das ist heute nicht anders. Früher schätzte man klassische Studiofotografie, während glamouröse Bilder als trivial galten. Heute erkennen wir auch deren künstlerischen Wert.
Welches Foto hat Sie durch technische Details überrascht?
Viele Fotos überraschen mich technisch, besonders von Amateurfotografen, die damals viel Geschick und Übung für die Technik brauchten.
Welches Foto war bisher am schwierigsten zu beschaffen?
Viele Fotos sind schwer zu erhalten, vor allem wegen unserer knappen Finanzen. Hinter den Sammlungen stecken persönliche Ressourcen, Verzicht auf Urlaub, Feiertage, eigene Güter und Anhäufung von Schulden. Es sind Opfer, die auch unsere Kinder spüren. Es ist allerdings eine freiwillige, bewusste Entscheidung. Aktuell versuchen wir, 25.000 Lei zu sammeln, um das größte Archiv eines professionellen Fotografen vor 1990, das in Rumänien noch erhalten ist, zu retten (20.000 Klischees).
Gibt es bekannte, aber verlorene Fotos, die einen bedeutenden Beitrag geleistet hätten? Gibt es Fotos, die Sie gerne finden würden?
Es fehlt viel fotografisches Erbe und das hätte vermieden werden können. Das riesige Klischeearchiv des Adler-Studios z. B. hätte viele Informationen über Kronstadt enthalten und es hätte in den 40er und 50er Jahren fast vollständig gerettet werden können. Wir suchen somit Archive, um dokumentarische Kohärenz zu bewahren. Anders als Sammler, die „Stücke jagen“, erwerben wir tatsächlich auch einzelne Fotos für Forschungszwecke und um sie zugänglich zu machen aber meist ohne gezielt danach zu suchen.
Haben Sie Fotos abgelehnt? Wie gehen Sie mit unklarer Herkunft um?
Alles ist relevant und verdient, für zukünftige Generationen bewahrt zu werden. Wir lehnen nur zu stark biologisch beschädigte Fotos ab, die andere gefährden könnten. Administrativ haben wir als NGO Freiraum, üben aber große Vorsicht überhaupt bei gestohlenen Kulturgütern. Solche Fälle gab es schon.
Gibt es eine bevorzugte Verbindung zwischen Fotografie und Literatur?
Als Historiker sehe ich Fotografie vor allem als dokumentarisches Mittel für historische Realitäten, also bevorzuge ich es, wenn die Fotografie Realitäten dokumentiert, die für die Literaturgeschichte relevant sind.
Welche wichtigen oder zufriedenstellenden Momente gibt es in Ihrer Arbeit?
Jedes Fotodokument, das in Sicherheit gebracht wird, ist ein Moment der Erfüllung, ebenso jede entdeckte Information, die wir der Öffentlichkeit zugänglich machen. Oft erkennen Menschen Verwandte auf Fotos. Und es gibt viele überraschende Geschichten, die Fotodokumente erzählen.
Welche zukünftigen Projekte planen Sie?
Wir arbeiten derzeit an einem einzigartigen Projekt, „Romania Agfacolor. 1940–1947“ mit Ausstellung und Tournee, mit Herausgabe eines Albums und verschiedenen Bildungsaktivitäten. Natürlich arbeiten wir kontinuierlich an einem zukünftigen Fotomuseum. Wir wollen ein Museum „wie im Ausland“ schaffen; vielleicht wäre eine öffentlich-private Partnerschaft mit einer kulturstarken Stadtverwaltung die Lösung. Es kann auch über eine Partnerschaft im privaten Sektor sein. Wir werden die Idee auch der Evangelischen Kirche als ein Konzept für Auswertung des vielfältigen Immobilienerbes vorstellen.
Haben Sie erwogen, das Projekt einer anderen öffentlichen/offiziellen oder privaten Institution zu übergeben?
Die AdF-Plattform entstand gerade als Reaktion auf die Katastrophe im spezialisierten öffentlichen Bereich, auf die bibliografische Ödnis, Politisierung, Korruption, Vetternwirtschaft, Inkompetenz, Missgunst, Gleichgültigkeit und den maßlosen Stolz. Die ständige Unterfinanzierung ist nicht das Hauptproblem. Daher wäre die Antwort ein klares Nein. Das Projekt einer öffentlichen Einrichtung zu überlassen, hieße, es zu verurteilen. Nur wenige von uns erklären öffentlich und mit aller Verantwortung, dass rumänische Museen ausgeraubt wurden und werden. Oft existiert unser nationales mobiles Kulturerbe nur auf dem Papier. Falls wir diese Arbeit aufgeben müssen, tragen wir die Verantwortung dafür, dass zumindest die AdF-Sammlung erhalten bleibt. Die einzige Option, der wir derzeit vertrauen, ist das Bildarchiv des Bukarester Museums des rumänischen Bauern.
Welche Strategie verfolgen Sie für eine langfristige Nachhaltigkeit?
Wir streben an, das Fotoarchiv als autonome, leistungsfähige, professionelle und effizient geführte Einrichtung zu etablieren – idealerweise als angemessen dimensioniertes Museum in einer lebendigen Touristenstadt. Solche Modelle funktionieren im Westen gut.
(Fortsetzung folgt)