Johann Gottlieb Tartler wurde am 1. April 1794 in Kronstadt, als siebentes Kind der altsächsischen Familie des Fassbinders Petrus Tartler und der Sara Bachner geboren. Seine Werkstatt hatte der Vater in dem Haus, welches später zum Tartlerischen Waisenhaus wurde und heute ein Gebäude der Honterusschule ist. Johann Tartler besuchte das evangelische Gymnasium in Kronstadt und anschließend die königliche Rechtsakademie in Klausenburg. Seine erste Anstellung war ab 1818 als unbesoldeter Kanzlist bei dem königlichen Gubernium, ebenfalls in Klausenburg. Es zog ihn aber nach Kronstadt zurück und so wurde er 1820 bei dem Kronstädter Magistrat zuerst als unbesoldeter Sekretär angestellt und dann in den verschiedenen Abteilungen der städtischen Verwaltung, als Kommunitäts-Aktuar und später als Verwalter der Stadtkasse, ein Amt welches nur sehr verläßlichen Männern anvertraut wurde.
1826 heiratete er Wilhelmine von Schobeln, mit der er 42 Jahre eine glückliche Ehe führte, getrübt nur durch den zu frühen Tod der einzigen Tochter die 14-jährig starb. Im Jahre 1836 wurde er zum Senator gewählt, das entspricht der heutigen Funktion eines Stadtrates, ein Amt welches er 16 Jahre lang neben anderen Ämtern bekleidete. 1852 trat er freiwillig aus diesem Amt aus um sich unbehindert um sein durch Fleiß und Sparsamkeit erworbenes Vermögen kümmern zu können.
Nachdem 1868 seine Frau gestorben war lebte er noch 7 Jahre als Witwer zurückgezogen und einsam bis er im 82. Lebensjahr 1875 auch starb. Sein Testament hatte er schon 1870 verfaßt und beim Gericht abgelegt. Es sieht vor, daß sein Haus zum Tartlerischen Waisenhaus für sächsische Waisen werden soll. Das Presbyterium der Honterusgemeinde wird beauftragt seinen letzten Willen durchzuführen. Vollstrecker des Testaments war der Rechtsanwalt Eugen von Trauschenfels. Zwei Jahre später, 1877 findet die feierliche Einweihung des Waisenhauses, in Gegenwart des Presbyteriums und der ersten 12 Waisen statt und bei der gleichen Gelegenheit wurde auch die rote Marmortafel angebracht die auch heute noch an dem Hause zu sehen ist.
Im Archiv der Honterusgemeinde findet man den ganzen Werdegang der Gründung und Verwaltung des Waisenhauses in den bis 1930 gedruckten Presbyterialberichten sowie in den Presbyterialprotokollen bis zum Jahr 1955. Eine Restitution des Gebäudes ist leider Mißlungen.
Abschließend noch die ganz private Ansicht des Dr. Eduard Gusbeth aus seinem Tagebuch.
“Soeben komme ich vom Leichenzuge des am 2. September – Jahrestag von Sedan, leider ohne jegliche Feier von unserer Seite vorgegangen – verstorbenen, emeritierten Senators Tartler, einer der wichtigsten Bürger von Kronstadt. Sein Vermächtnis hatte mich bestimmt, ihm die letzte Ehre zu erweisen. Sein Testament war vernünftiger, als Viele, unter denen auch ich, ihm zugetraut hatten. Für die Waisen von evangelisch sächsischen Eltern hat er die Summe von 60.000 Gulden bestimmt; außerdem sein Haus in der Heiligleichnams-Gasse, ferner seinen Bienengarten.
Aber nicht nur die Unmündigen hat er bedacht; auch die Erwachsenen armen Teufel lagen ihm am Herzen: – ich meine, mittellose studierende Jünglinge. Aber auch in dieser Beziehung war der alte Herr Tartler wieder Freund seines Volkes und nicht verschwommener Cosmopolit. Er hat nämlich Stipendien in der Höhe von 37.000 Gulden für evangelisch sächsische Studierende der Medicin und der Jurisprudenz hinterlassen. „
Johann Tartler wurde in der Gruft des Friedhofes Innere Stadt C8b beerdigt. Eine Gedenktafel erinnert an den edlen Spender. In der gleichen Gruft wurde schon sieben Jahre vor ihm seine Frau Wilhelmine geborene von Schobeln begraben.