„Erdbeerapfel“, „Bismarck-Apfel“, „Hasenschnauze-Apfel“, „Renet-Apfel von Kanada“ oder „König von Neapel“. Diese Namen klingen nach exotischen Früchten aus fernen Ländern. Bei allen handelt es sich jedoch um traditionelle Apfelsorten, die aus den siebenbürgischen Dörfern stammen. Leider hat man wenig Chancen, solche Früchte zu essen, besonders wenn man in der Stadt in einem Wohnblock lebt. In Supermärkten findet man fast nur glänzende, knallrote Riesenäpfel, die aussehen, als seien sie aus Plastik hergestellt und überhaupt keinen Geschmack haben. Auch was als „Bio-Obst“ gekennzeichnet ist und in den Supermarkt kommt, ist nicht wirklich traditionell. Und gesund ist es schon gar nicht. „Bis es auf unseren Tisch gelangt, wird das Supermarkt-Obst bis zu 30 Mal chemisch behandelt“, meint der Forstingenieur Kadar Tibor aus Baraolt. Seit einigen Jahren nimmt er als Freiwilliger an einem Programm teil, das eine nachhaltige Lebensart fördert und das Verschwinden von traditionellen Obstsorten mit allen möglichen Mitteln zu bekämpfen versucht.
Mit der Gegend kompatibel
„Auch auf dem Markt findet man immer seltener traditionelle Sorten, da die Bauern immer weniger Kenntnisse zu Veredelung, Schnitt und Pflege der Obstbäume haben. Das Wissen wurde mit den Jahren vergessen“, meint Kadar. Die alten Bäume werden oft gefällt und mit jungen Schösslingen ersetzt, die aus dem Handel stammen. Die „modernen Früchte“ sehen zwar aus wie im Bilderbuch, sind aber vom Geschmack her weniger gut. Es gibt inzwischen in Rumänien mehrere Stiftungen und Projekte zur Erhaltung und Rettung des landwirtschaftlichen Erbes. Seit 2013 kämpft der „Mihai Eminescu Trust“ (MET) dafür, den alten, traditionellen Obstgarten zu retten, die einheimischen Sorten zu verwerten und die traditionellen Methoden des Obstanbaus zu fördern. 2013 hat der MET die Suche nach traditionellen Obstsorten in den Kreisen Hermannstadt, Kronstadt, Mieresch und Harghita angefangen. Es wurden 57 Namen von Apfelsorten, 13 Namen von Birnensorten, Pflaumen, Kirschen, Marillen, Walnüssen, Pfirsichen, Sauerkirschen und Aprikosen identifiziert.
In Malmkrog, Kreis Hermannstadt, wurde auf einer Fläche von 5000 Quadratmetern eine Baumschule angelegt, um die traditionellen Sorten zu hegen. Auch der Verein „CIVITAS“ aus Odorhellen versucht seit einigen Jahren, die Obstsorten aus dem Szeklerland zu retten und hat sich den Projekten von MET angechlossen. „Was wenige Bauern wissen, ist, dass die traditionellen Obstsorten mit dieser Gegend kompatibel sind. Sie haben sich während der Jahre an das hiesige Klima angepasst und benötigen minimale Behandlungen. Der Geschmack ist natürlich viel besser. Und auch die Lebenserwartung ist höher“, meint Kadar Tibor.
„Wir müssen alles retten, was noch zu retten ist“
Im Jahr 2012 hat der in Ungarn lebende Kovacs Gyula die Gegend „Drei Stühle“ aus Covasna besucht, die besonders reich an traditionellen Fruchtarten ist. Damals kam er auf die Idee, in Ungarn eine Genbank einzurichten. Heute werden dort über 3000 traditionelle Obstarten aus Siebenbürgen aufbewahrt.
„Wir wollen die traditionellen Sorten wieder zum Leben erwecken. Der erste Schritt ist, die Edelreiser für die Veredelung von Obstbäumen aus den sehr alten Bäumen zu schneiden. Viele verlassene Obstgärten sind noch immer eine wichtige Quelle für Edelreiser.“ Im Februar dieses Jahres haben CIVITAS und MET in den Dörfern Schweischer, Keisd und Deutsch-Weisskirch Edelreiser geschnitten. Nach dieser Aktion wurde eine Vielzahl von Obstbaumsorten identifiziert. Darunter wurden 5 Sorten gefunden, die es nur in der siebenbürgisch-sächsischen Gegend gibt: Aner Peos, Robinenapfel, König von Neapel, Bürgermeister, Bloomenbach. Die veredelten Schösslinge werden in die Genbank von Ungarn und in die Genbank von Malmkrog des MET geschickt und dort aufbewahrt.
„Wir wollen einen nachhaltigen und umweltfreundlichen Lebensstil fördern. Es ist schade, dass Arten verschwinden, die mit dieser Gegend genetisch kompatibel sind. Noch gibt es Dorfbewohner, die die Namen der Obstarten kennen. Zum Beispiel Frau Sarah Dotz aus Deutsch-Weißkirch. Sie kannte alle Arten. Dieses Wissen geht jedoch verloren, wenn man nichts dagegen tut. Jetzt, in der allerletzten Sekunde, müssen wir alles retten, was noch zu retten ist“, meint Kadar. Bei den Obstarten, die in den Genbanken aufbewahrt sind, handelt es sich um Äpfel, Birnen, Pflaumen und Aprikosen. „Auf den Dörfern waren Früchte während der Winterzeit die einzigen Vitaminquelle. Einmal war Obst lebenswichtig. Jede Art hatte eine andere Bestimmung – manche waren gut zum Essen, andere dienten für Marmelade, andere wurden konfiert oder für die Herstellung von Brandwein benutzt“, erzählt der Ingenieur.
Projekte in Schulen und auf Dörfern
Um die Bewohner der Dörfer darauf aufmerksam zu machen, dass sie wahre Schätze in ihren Gärten bergen, wurden Workshops und verschiedene Kampagnen organisiert. Bei den Workshops haben die Dorfbewohner gelernt, wie man eine Frucht veredelt und wie man einen Obstgarten richtig pflegt, aber auch wie man ökologischen Fruchtsaft herstellt. Somit bekamen sie die Möglichkeit eines Verdienstes. Die Verwertung der lokalen Obstsorten soll den Gemeinden zu neuen Einnahmequellen verhelfen. „Wichtig ist, dass man durch diese Tätigkeit auch Gewinne erzielen kann. Man muss aber zusammenhalten. Ein einziger Dorfbewohner kann nicht sehr viel mit ein paar Liter Apfelsaft anfangen, aber wenn das ganze Dorf dazu beiträgt, sieht es schon anders aus“, meint Kadar Tibor. Der Ingenieur meint, dass die Kosten, einen Obstgarten zu pflegen, minimal sind. „Ein Bauer aus Schweischer hat uns erzählt, er habe Obstbäume aus dem Handel gekauft und die Früchte seien nicht so lecker. Mit den traditionellen Arten benötigt es vielleicht mehr Zeit. Man sollte sich aber Zeit dafür nehmen. Man sollte sich nicht beeilen“.
Auch Schüler werden in das Projekt mit einbezogen. Eine Kopie des Muster-Obstgartens von Malmkrog wurde voriges Jahr in der Nähe der Gymnasialschule in Hamruden eingerichtet. Hier setzen Schüler selber die Obstbäume und sind für ihre zukünftige Pflege verantwortlich. „Falls jemand einen Obstgarten hat und mit uns zusammenarbeiten will, würden wir uns sehr freuen. Interessenten sollten ein Foto von ihrem Obstbaum machen und es uns senden. Es wäre gut, wenn sie auch den Namen der Obstsorte kennen würden. Sie werden einen veredelten Schößling erhalten, der an die klimatischen Bedingungen aus Siebenbürgen angepasst ist“, meint Kadar Tibor.
Civitas-Stiftung
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Mihai Eminescu Trust
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