„Die Kultur – Kunst, Musik, Literatur – vereint uns. Die Politik trennt uns“

Zweisprachige Buchausgabe zum 100. Geburtstag des Schriftstellers Hans Bergel

Die Schriftstellerin Ana Blandiana liest aus einem Buch über Hans Bergel vor.

In der Zeitspanne 8. bis 24. August fand in Rosenau, Kronstadt, Marienburg und Zeiden die XVII. Auflage des Festivals für Film und Geschichten (FFIR – Festivalul de Film și Istorii Râșnov) statt. Der Titel der diesjährigen Auflage lautete nicht zufällig „Anti(Sistem)“. Das 2009 ins Leben gerufene Festival setzt sich zum Ziel, ein bedeutendes Kapitel des einheimischen und internationalen Films zu thematisieren, Gespräche über aktuelle Themen in den Vordergrund zu rücken. Das groß angelegte Event ist einzigartig in Rumänien, regt zum Nach- und Mitdenken an, stellt zahlreiche Fragen an die Kultur, Politik und Gesellschaft des Landes und bietet auch originelle Lösungsvorschläge.

Über die Gebrüder Hans und Erich Bergel wurde und wird immer wieder in der ADZ berichtet. Am 24. August, dem letzten Tag der Veranstaltungen im Rahmen des Rosenauer Festivals, wurde eine besondere Gedenkfeier in memoriam Hans und Erich Bergel organisiert. Um 12 Uhr stellte die Schriftstellerin Dr. Mihaela Malea Stroe ihren im Kronstädter Pastel Verlag kürzlich erschienenen zweisprachigen Band „Hans Bergel – un om, o viață, un crez / Hans Bergel – ein Mensch, ein Leben, ein Glaube“ vor. Im wunderschönen sommerlichen Gartenambiente der Familie Nan versammelten sich interessierte Literatur- und Musikliebhaber nicht nur aus Rosenau, Kronstadt und Umgebung. Die Witwe von Hans Bergel, Elke Raschdorf-Bergel, war aus diesem Anlass aus München angereist, anwesend waren auch viele Freunde und Freundinnen der beiden Brüder. In wenigen Wochen ist es Mihaela Malea Stroe gelungen, ihre im Laufe der Zeit verfassten und veröffentlichten Interviews, Rezensionen und Reflexionen zu Bergels Werk ins Deutsche übersetzen zu lassen. Sie dankte in ihrer Ansprache Gabriela Ilie{, Mariana-Virginia Lăzărescu, Eugen D. Popin, Christian W. Schenk, Gheorghe Stanomir, Miruna Tutoveanu und Elise Wilk, die die Texte in kurzer Zeit ohne finanzielle Ansprüche ins Deutsche übertragen haben und ohne deren Engagement der Band nicht hätte erscheinen können. Dem Inhaltsverzeichnis sind folgende Titel zu entnehmen: Tanz in Ketten; Die Heimkehr des Odysseus; Eine siebenbürgische Stadt: Ein Herzensbedürfnis für Hans Bergel; „Ich habe vor einer vergänglichen Monstrosität nicht niedergekniet“; Romul Munteanu – Hans Bergel (zwei liebe Menschen); Das dringende Bedürfnis zu schreiben; Ein Stück Literaturgeschichte; Rückkehr, durch das Schreiben, in die Heimat; Die Geschichtsstunde; „Möge Gott die Menschheit mit weisen und verantwortungsvollen Führern segnen“; Hans Bergel – ein Mensch, ein Leben, ein Glaubenssatz: „Dem guten Geist in allen Zeiten treu bleiben, die vom unreinen Geist beherrscht werden“; Brief des Nicht-Vergessens; Drei Rosenauer Sachsen in der Kultur des Burzenlandes; Drei Jahre des Schweigens.

Von S. 147 bis S. 152 sind auch einige schöne Fotos von verschiedenen Buchvorstellungen und -umschlägen, von Persönlichkeiten und kulturellen Ereignissen abgedruckt. Auf anderthalb Seiten schreibt die Autorin einige Gedanken als Schluss- und Nachwort und gesteht, dass der Band als ein bescheidenes Zeichen der Wertschätzung anlässlich des 100. Geburtstags von Hans Bergel, einem Schriftsteller und Freund, zu betrachten ist, dessen Porträt sie mit den ausgewählten Texten aus ihrer Wahrnehmungsperspektive und den gemeinsamen Erinnerungen kreidete. Auf dem Cover des Buches ist ein dem Zeitgeist entsprechendes Zitat von Hans Bergel auf Rumänisch und Deutsch zu lesen:

„Die Idee der europäischen Einheit ist eine existenzielle. Wenn wir nicht in der Lage sind, sie zu verwirklichen, haben wir alle keine Zukunft. Deshalb muss alles getan werden, um den Europäern – vom Norden Norwegens bis zum Süden Kretas, von den Shetlandinseln bis zum Ural – zu erklären, dass sie alle Teil derselben kulturellen Familie sind. Es hat Epochen in der Geschichte Europas gegeben – das Mittelalter oder die Renaissance –, in denen sich die Europäer dessen bewusster waren als heute. Wenn ich im Westen über eine Persönlichkeit aus der rumänischen Kultur spreche, dann tue ich das aus diesem Blickwinkel. Die Kultur – Kunst, Musik, Literatur – vereint uns. Die Politik trennt uns.“

Die Buchpräsentation wurde zu einem außergewöhnlich gut durchdachten Erlebnis auch durch die ideenreichen Kommentare der anwesenden Podiumsgäste Ana Blandiana, Cosmin Budeancă sowie infolge der Lesung einiger Fragmente aus Bergels Roman „Wenn die Adler kommen“ durch die Studentin der Kronstädter Transilvania-Universität Alexandra Ulian. Auch einen Büchertisch mit mehreren Neuerscheinungen der Verlage Eikon und Pastel gab es bei dieser Gelegenheit. Im Anschluss an die Buchvorstellung wurde eine Gedenkplatte zu Ehren der in Rosenau geborenen Brüder enthüllt, leider nicht an deren Geburtshaus in der Brückgasse, da dieses in einem baufälligen Zustand ist, sondern an dem Nachbarhaus.

Um 15 Uhr folgte im Rosenauer Kino die Debatte „‘Worte in Ketten.‘ Die Meinungsfreiheit im Kommunismus und heute, in memoriam Hans Bergel, 100 Jahre seit seiner Geburt“, an der Ana Blandiana, Schriftstellerin und Vorsitzende der Stiftung Bürgerliche Akademie (Funda]ia Academia Civică), Thomas Șindilariu, Historiker, Unterstaatssekretär im Department für interethnische Beziehungen der Regierung Rumäniens, Corneliu Pintilescu, Historiker, Institut für Geschichte „George Barițiu“ der Rumänischen Akademie Klausenburg, Univ.-Prof. Dr. András F. Balogh von der Universität „Babes-Bolyai“, Klausenburg und Cosmin Budeancă, Historiker, Kulturstiftung Memoria, teilnahmen.

Um 17 Uhr wurde in der Evangelischen Kirche Rosenau im Rahmen des Festivals Musica Barcensis der Persönlichkeit Erich Bergels gedacht. Über ihn schrieb Hans Bergel in „‘Der kristalline Mittelpunkt der abendländischen Tonwelt‘. Erich Bergel und die ‚Kunst der Fuge‘“, dass er ein musikalisches Elefantengedächtnis, 120 Sinfonien dirigierbereit im Kopf besitzt. Der Violinist Albert Márkos, ehemaliger Konzertmeister der Klausenburger Philharmonie, führte das Publikum in das weniger bekannte künstlerische Leben des Musikers, Komponisten und Dirigenten Erich Bergel ein, sprach aber auch über den Schriftsteller Hans Bergel und hob die Tätigkeit der beiden Brüder hervor, die im Laufe der Zeit Höhen und Tiefen erfahren hat. Leider gab es kein Mikrophon und seine Ausführungen konnten akustisch schwer verstanden werden. Der bekannte, preisgekrönte Organist Erich Türk bot anschließend ein beeindruckendes Programm mit mehreren Stücken von Johann Sebastian Bach. Der Höhepunkt des Konzertes war die Interpretation von Bachs „Kunst der Fuge“ BWV 1080, einem unvollendeten Stück, das von Erich Bergel meisterhaft fertiggestellt wurde.

Am Ende eines reichhaltigen Programms im Rahmen der Gedenkfeier für die Brüder Bergel, zweier europäischer Werte aus Siebenbürgen, musste ich als Germanistin an Hans Bergels Worte denken:

„Alles, was ich in meinem Leben wollte und über diese Stunde hinaus will, verstehe ich als Handwerker, dessen einziges Streben es ist, saubere Arbeit abzuliefern. Als ein Handwerker an der unbeschreiblich schönen deutschen Sprache.“