Eindrücke am Rande einer landeskundlichen Exkursion ins Repser Ländchen
Sechs begeisterte Leute warten auf den Kleinbus, den ihnen die Kronstädter Transilvania Universität zur Verfügung gestellt hat, um einige berühmte Kirchenburgen der Umgebung zu besichtigen. Diese sechs Leute waren wir, die Masterandinnen der Interkulturellen Studien zur deutschen Sprache und Literatur zusammen mit unserer Dozentin, Frau Carmen Elisabeth Puchianu. Mit ihr lernen wir nicht nur Theorie, sondern wir bekommen auch Gelegenheit das im Unterricht Erlernte praktisch zu erfahren.
Alle waren wir gut gegen das regnerische Wetter gerüstet, vor allem unsere Dozentin, die sicherheitshalber ihre Gummistiefel mitgeschleppt hatte. Mit einiger Verspätung sind wir am 10. Mai, einem Samstag, aus Kronstadt losgefahren.
Unsere erste Station war Hamruden, wo Pfarrer Siegmar Schmidt mit offenen Armen auf uns wartete. Er war unser Reiseführer, der uns an diesem Tag alte Kirchen- und Burgtore geöffnet und viele Informationen vermittelt hat. Er hat uns einen Blick in den ehemaligen Garten Eden der Sachsen ermöglicht. Leider sind nur die Schnecken und die wunderschönen Pflanzen darin übriggeblieben. Die Kirche in Hamruden, die den Sachsen einst Hoffnung und Glaube bot, steht heute leer und ist eine gute Zuflucht für ein Schwalbenpaar geworden. Die evangelische Gemeinde im Dorf zählt gerademal 15 Seelen, wie wir erfahren. Der Turm, „Burgfried“ genannt, wurde zum Schutz gegen Mongolen, Türken, Tataren zur Kirche dazu- gebaut. Eine von uns hat sogar den Turm bestiegen und sich am Ausblick erfreut.
Pfarrer Schmidt erzählte uns, dass dort, wo eine Kirche stand, auch gleich eine Schule gebaut wurde. Und wenn es keinen Lehrer im Dorf gab, dann wurde der Unterricht vom Pfarrer übernommen. Diese Gebäude (Kirche und Schule) sind in Hamruden unverändert zu sehen, allerdings gibt es keine deutschen Klassen mehr, die Unterrichtssprache ist heute Rumänisch bzw. Ungarisch.
Wahrscheinlich waren die Schwalben nicht zufällig in der leeren Kirche von Hamruden zu sehen, weil unsere nächste Station, Reps, nach der Erzählung von Pfarrer Schmidt, die Form einer Schwalbe hat, wovon wir uns tatsächlich überzeugen konnten, als wir später oben auf dem Repser Burgberg standen. Die Burg thront seit dem 14. Jahrhundert auf dem Berg wie ein riesiges Schiff oder wie eine Schnecke. In Reps selbst leben noch 59 Sachsen.
Die Burg diente den Siebenbürger Sachsen als letzte Bastion gegen die vordrängenden Türken. Es gab ungefähr 100 Unterkunftsräume im Inneren der Burg. Die Grundrisse entlang der inneren Mauer sind auch heute sehr gut zu sehen. Die Vorstellung, dass in solchen kleinen Zellen eine oder sogar zwei Familien zusammenlebten, scheint uns heute ganz unglaublich. Interessant zu erwähnen ist der Speckturm, der für alle als Vorratskammer funktionierte. Auf dem Berggipfel angelangt, bot sich uns eine wunderschöne Aussicht nach allen Richtungen hin. Während wir die Landschaft bewunderten, erzählte uns Pfarrer Schmidt einige spannende Legenden: Nachdem die Türken Siebenbürgen angegriffen hatten, wurde der Repser Stadtrichter gefangen und in Konstantinopel eingesperrt. Das Oberhaupt der Osmanen versprach, dass er den Stadtrichter frei lassen würde, wenn er ihm ein gutes Essen kochen würde. Er durfte allerdings kein Holz zum Feuer machen benützen. Der Stadtrichter bat seinen Begleiter, den Zauberer Menenges, um Hilfe. Menenges hatte die Idee, statt Holz Nussschalen für das Feuer zu verwenden. Das Essen schmeckte dem Osmanenherrscher, aber er hielt sein Wort nicht und sperrte sowohl den Stadtrichter, als auch den Zauberer ein. Menenges benutzte seinen Zaubermantel für die Flucht. Die beiden entwichen durch das Schlüsselloch, flogen auf dem Mantel hinaus und landeten neben Reps im Wald. Dort trafen sie ein Mädchen, das zwei Pferde hatte. Das Mädchen gab ihnen die Pferde und so gelangten sie zu Hause an. Bei ihrer Ankunft stellten sie fest, dass die Pferde eigentlich die Katzen der Nachbarn waren.
Eine andere Sage spricht von der Tochter des Stadtrichters und ihrer Hochzeit. Am Tag der Hochzeit trägt die junge Frau ein wunderschönes Kleid. Da sie wie eine Prinzessin sein wollte, heftete sie sich einen Schal an den Gürtel. Das war nur dem Adel erlaubt. Als ihr Vater das sah, ärgerte er sich sehr und gab dem Brautpaar seinen Segen nicht. Gerne hätten wir Pfarrer Schmidt noch länger zugehört, aber der Tag war schon ziemlich weit vorgerückt, wir waren hungrig und hatten auch noch eine letzte Wegstation vor uns.
Nach einem schmackhaften Mittagessen in einem Restaurant am Fuße des Repser Burgbergs machten wir uns auf den Weg nach Deutsch-Weißkirch. Dort stiegen wir zur Kirchenburg hinauf, wo wir insgeheim hofften, nicht nur Spuren der Sachsen und deren Vergangenheit anzutreffen, sondern auch jene von Prinz Charles, dem prominenten Förderer des Dorfes.
Unsere landeskundliche Exkursion fand bei hausgemachtem Obstkuchen, Kaffee und Holundersaft im rustikalen Café gleich unterhalb der Kirchenburg ihr Ende. Dem Prinzen sind wir natürlich nicht begegnet, dafür haben wir jede Menge Eindrücke und Fotos mit nach Hause nehmen können. Nebenbei bemerkt: Es hat auch nicht geregnet, was wir angeblich den mitgeschleppten Gummistiefeln unserer Dozentin zu verdanken hatten.
Tünde Miklossy, Larisa Pioaru, Noémi Székeli und Emöke Timár
(alle MA1 - Interkulturelle Studien zur deutschen Sprache und Literatur, Transilvania Universität, Kronstadt)