Im Naturschutzgebiet von Breite neben Schäßburg findet man die ältesten Eichen Siebenbürgens. Sie wurden im 12. Jahrhundert von den deutschen Einwanderern gepflanzt, an einem Ort, den sie „ihre Heimat“ nannten. Mit Bildern aus dem 800-jährigen Eichenwald beginnt der Dokumentarfilm „Ein Pass für Deutschland“/ „Paşaport de Germania“ in der Regie von Răzvan Georgescu. Der Film erzählt die Geschichte des Verkaufs der Rumäniendeutschen aus der Sozialistischen Republik Rumänien an die Bundesrepublik Deutschland anhand persönlichen Geschichten von Betroffenen sowie Aussagen politisch Verantwortlicher und Aufnahmen aus Filmarchiven. Die Gala-Vorführung fand am Donnerstag, dem 20. November, in Anwesenheit des Regisseurs und des Produzenten Alexandru Solomon im Kronstädter Cityplex Kino statt.
Eine Geheimsache
In Rumänien lebten nach dem Zweiten Weltkrieg rund 350.000 Angehörige der deutschen Minderheit. Über 250.000 verließen das Land in der Zeitspanne 1968-1989. In diesen 21 Jahren existierte zwischen Rumänien und der Bundesrepublik Deutschland das sogenannte „Geheimsache-Kanal Abkommen“, durch das Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben „freigekauft“ wurden. Für einen Auswanderer zahlte der deutsche Staat je nach Ausbildung zwischen 2000 und 10.000 DM, ohne Quittung. Der Geheimdienst Securitate leitete die Operationen, die Öffentlichkeit erfuhr nichts davon. Insgesamt zahlte der deutsche Staat über 3 Milliarden DM für die Aussiedler.
Der in Temeswar aufgewachsene Răzvan Georgescu musste in seiner Kindheit miterleben, wie deutsche Kollegen und Freunde plötzlich verschwanden. Er selbst folgte seiner Frau, die Banater Schwäbin ist, und wanderte 1989 nach Deutschland aus. Für ihn, hat er später erfahren, zahlte der Deutsche Staat 8000 DM. „Das Thema das Films - das plötzliche Verschwinden der Deutschen und die Umstände ihrer Auswanderung - hat mich durch meine ganze Kindheit begleitet. Ich bin im Temeswar der 70er Jahre aufgewachsen. In der Schule war ich einer der wenigen Rumänen. Die meisten meiner Kollegen gehörten der deutschen Minderheit an und ich war in diesen Jahren der Zeuge ihrer Migration. Jede zwei Wochen gab es eine Abschiedsparty eines Kollegen. Andere erschienen von einem Tag auf den anderen nicht mehr im Unterricht“, erzählte Georgescu dem Publikum nach der Projektion des Filmes.
„Es war eine humanitäre Aktion“
Dem rumänischen Regisseur gelang es, die Hauptakteure dieser Aktion zum ersten Mal nach 25 Jahren zum Sprechen zu bringen, darunter den Rechtsanwalt Heinz-Günther Hüsch, den alleinigen Verhandlungsführer seitens der Bundesrepublik Deutschland, den von der Securitate zwischen 1981 und 1986 zu den Verhandlungen delegierten Stelian Octavian Andronic und den ehemaligen Temeswarer Milizhauptmann Viorel Bucur.
„Es war eine große humanitäre Aktion. Es war die Befreiung von Deutschstämmigen aus Rumänien die aus eigenem Willen Rumänien verlassen wollten, es aber wegen der politischen Verhältnissen nicht durften. Es ist eben der Kauf von Freiheit“, sagt Heinz Günther Hüsch. Er präsentierte auch den Koffer, mit dem er das Geld nach Rumänien brachte. „In diesen Koffer passen etwa 6 Millionen DM. Es kommt drauf an, wie glatt die Scheine sind, aber höchstens 6 Millionen passen hinein“, meint er. In den 80er Jahren wollten viele Sachsen oder Banater Schwaben auswandern. Die Wartelisten für die Ausreisebescheinigungen waren immer größer. So bildete sich ein Netzwerk das von den Ausreisewilligen Schmiergeld kassierte, um sie an die Spitze der Liste zu setzen. Zwischen 1984 und 1989 hat Viorel Bucur das Schmiergeld in Temeswar kassiert. Mit der rumänischen Presse wollte er nie darüber sprechen; R²zvan Georgescu überredete ihn jedoch zu einem Interview. „Wir haben so viel Geld kassiert, deine Ohren werden flattern, wenn ich dir sage, wie viel. Millionen DM. Die Leute standen Schlange, um das Schwarzgeld zu zahlen“, erzählt Bucur im Film.
Ein Handel mit Menschen
Es gab Familien, die 18.000 DM gezahlt haben: 6000 für eine Frau ohne Hochschulabschluss, 12.000 für den Mann und das zehnjährige Kind konnte kostenlos auf die Liste kommen. Diese hohen Summen mussten sie sich von Freunden und Bekannten borgen. In Deutschland angekommen, mussten sie hart arbeiten, um diese Schulden zu bezahlen. Die Einzelgeschichten der „verkauften“ Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben sind verschieden. Die einen lebten sich schnell in Deutschland ein, andere fanden dort ein Konsumparadies, den lang ersehnten Erfolg oder die Freiheit, von der sie jahrelang geträumt hatten.
Andere, die wenigsten von ihnen, sind nach der Wende wieder nach Rumänien zurückgekehrt. Der menschliche Faktor habe ihm gefehlt - so erklärt einer von ihnen seine Rückkehr. Besonders emotional wird es, als die Betroffenen gebeten werden, zu sagen, was sie sich unter dem Wort Heimat vorstellen. „Kein Mensch auf dieser Welt verlässt gerne seine Heimat, den Ort, wo er das Licht der Welt erblickt. Es war aber der Lauf der Geschichte und man kann dem Lauf nicht entrinnen“, meint einer von ihnen.
22 Jahre lang hat der Verkauf der deutschen Bevölkerung gedauert. Einer Viertelmillion Bürger wurde die Freiheit gekauft. Das bedeutete über 3 Milliarden DM, die nach Bukarest geschickt wurden. Das Abkommen wurde von Ceau{escu am 4. Dezember 1989, drei Wochen vor der Revolution, beendet. Im ersten Jahr nach dem Fall des kommunistischen Regimes sind andere 100.000 Deutsche ausgewandert. Nun wohnen noch knapp 40.000 Angehörige der Deutschen Minderheit in Rumänien. Die Eichen, die ihre Vorfahren vor 800 Jahren gepflanzt haben, stehen immer noch da.
„Ein Pass für Deutschland“ läuft bis zum 4. Dezember im Cityplex-Kino (Bazaltului-Straße 2).
Mehr Infos unter cityplex-brasov.ro. Ab dieser Woche wird der Dokumentarfilm auch vom Sender HBO ausgestrahlt.