Die nach 1990 erschienenen Bücher über die Deportation der Rumäniendeutschen in sowjetische Arbeitslager bestehen nicht nur aus Studien und Fachbüchern sondern auch aus Romanen, Erinnerungen und Tagebüchern. Mit dem Roman „Auf ewig gefangen?“ (rumänischer Originaltitel: „Veşnic prizonier?“) der 2014 dank der Übersetzung von Mihai Alexandrescu nun auch in einer deutschen Variante vorliegt, kommt ein weiteres Buch hinzu.
Es gibt einige Unterschiede zu ähnlichen Büchern, die auf „Auf ewig gefangen?“ neugierig machen können und einen zusätzlichen Anreiz sein dürften, das Buch in die Hand zu nehmen und zu lesen.
Das beginnt bereits mit dem Autor: Tibor Ostermanns Vorfahren stammen aus dem Banat, aus Tschermei; seine Mutter, Juliana Komlodi, wurde in einer ungarischen Familie aus Arad geboren.
Tibors Vater, Johann, arbeitete ab 1924 als Verwalter bei mehreren Landgütern, zuletzt, ab 1933 bei Mihăileşti, in der Nähe von Buzău. Von dort wird der knapp 18-Jährige zusammen mit seiner Schwester Itza und mit anderen Deutschen aus dem Altreich im Januar 1945 deportiert. Ein Fluchtversuch mit drei anderen Leidgenossen scheitert kurz vor der rumänischen Grenze; es folgen weitere Jahre der Deportation in Dnjepropetrowsk in einem Straflager für Flüchtlinge. Ostermann gehört zu den Überlebenden, kehrt im November 1949 nach Rumänien zurück und bleibt in Kronstadt, wohin inzwischen seine Schwester und seine Eltern übergesiedelt waren. Zeitweilig wohnt er zusammen mit ihnen in der Baiulescu-Straße 9, ein Wohnhaus wo heute im Erdgeschoss das Baciu-Museum untergebracht ist.
Über Ostermanns Anstrengungen, sich an ein Leben in Freiheit anzupassen und einen neuen Beruf zu erlernen, geht es in dem hier veröffentlichten Auszug. (Titel von der Redaktion ausgewählt). Tibor Ostermann wird Handelsdirektor bei IMMR Kronstadt (Intreprinderea mecanică de material rulant), fühlt sich aber weiter gefangen – in der Sozialistischen Republik Rumänien. Nach 1990 wandert er nach Deutschland aus, nach Leonberg, wo er 2001 in Folge eines Herzinfarktes verstirbt.
In dem von Oana Manolescu bearbeiteten Roman werden im letzten Teil des Buches Tagebuch-Einträge aus den Jahren 1985-86 gebracht, die Szenen aus dem kommunistischen Alltag beschreiben: mit dem Schlangestehen für Lebensmittel sowie für die monatliche Benzin-Ration, mit dem Kampf gegen Kälte und Dunkelheit, weil die Lieferung von Gas und Strom ohne Rücksicht auf kleine Kinder, Kranke oder alte Leute systematisch unterbrochen wurde; mit den Problemen bei der Arbeit, wo das Gehalt gekürzt wurde, wenn die Planvorgaben nicht erfüllt werden konnten; mit gesundheitlichen Problemen.
Im Krankenhaus kommt es übrigens zu Erinnerungen/Zeitversetzungen, wobei Ostermann im hohen Fieber Gegenwart und Vergangenheit, das Ceauşescu-Regime und das sowjetische Lager durcheinander bringt. Wach werden Erlebnisse und Leute, Ängste und kleine Freuden aus der Gefangenschaft, Verzweiflung und Hoffnung, endloser Hunger und Wunschträume über ein Festmahl in Reichtum und Freiheit schildert. So erhält der Leser einen Einblick auch über Aspekte, die weniger bekannt sein dürften: das Zusammentreffen mit Deutschen aus Serbien, Polen oder mit deutschen Kriegsgefangenen; Kompromisse die manche Landsmänner und -frauen machen, um ein besseres Leben in der Gefangenschaft zu führen als Aufpasser, Kochgehilfe usw.; die allgemeine Not in der Ukraine sowie, gegen Ende der Gefangenschaft, sogar die Perspektive als „Genosse“ dort zu bleiben, zu heiraten, sich in die Sowjetgesellschaft zu integrieren.
Auch durch diese Offenheit gewinnt der Roman der 1993 - 94 verfasst wurde, an Wert. Das persönliche und kollektive Drama beeindruckt, das Leid bleibt, obwohl die Erinnerungen verblassen. „Aber das was verbleibt, kann uns immer noch ein gutes Bild von der jüngeren Vergangenheit schaffen“, sagt Mitautorin Oana Manolescu, Politikerin und Vertreterin der albanischen Minderheit, in ihrem Vorwort.