Mutter und Sohn vor dem Löwenkäfig im Kronstädter Zoo im Jahr 1988, eine Familie im Noua-Strandbad in den 70er Jahren, zwei Freundinnen auf dem Schulerau-Weg im Sommer 1992, Schüler auf der Purzengasse/Republicii im Jahr 1957, eine junge Frau auf der Postwiese/Livada Poştei in den 30er Jahren. Über 100 Fotografien aus dem Kronstadt des letzten Jahrhunderts konnten zwischen dem 31. Oktober und dem 2. November in Nürnberg besichtigt werden.
Die Ausstellung „Die vergessene Heimat – Kronstadt: der deutsche Einfluss in der lokalen Architektur und Kultur“, die in der von der Rumänin Cristina Simion geleiteten „Tiny Griffon“-Galerie gezeigt wurde, besteht aus zwei Teilen. Zum Einen sind es Familienfotos, die größtenteils aus persönlichen Sammlungen stammen und in Kronstadt im Rahmen der Kampagne „Gedächtnis einer Stadt“ (Oraşul memorabil) eingesammelt wurden, zum anderen wird anhand historischer Bilder und Nachdrucken von Archivprojekten die architektonische Besonderheit der Stadt dargestellt. Veranstalter des Projektes sind der Rumänische Architektenorden und die NGO „Lokale Initiavgruppe Corona“ zusammen mit der Kronstädter Kreisbibliothek „George Bariţiu“.
Das Gedächtnis einer Stadt: Menschen und Gebäude
„Gedächtnis einer Stadt“ ist ein Projekt, das schon seit 2011 vom Kronstädter Architektenorden organisiert wird. Mit eigenen Fotos zu der Ausstellung beitragen kann jeder Kronstädter. Die Bilder können aus jedwelchem Jahr sein. Die einzige Bedingung ist, dass sie an einem öffentlichen Platz in Kronstadt oder Umgebung aufgenommen wurden und dass darauf bekannte Straßen oder Gebäude zu erkennen sind. Auch wird erwartet, dass auf den Fotos Menschen zu sehen sind. Die Fotografien werden gescannt und den Besitzern zurückgegeben.
Auf den Fotos, die in Nürnberg zu sehen waren, konnte man den Wandel der Stadt erkennen. Wo jetzt ein Café oder eine Bank ist, waren früher Nahrungsmittelläden. Wo heute Supermärkte, Restaurants, Taxi-Haltestellen und Zeitungs-Kiosks an einandergereiht sind, standen früher nur Bäume. Auf den heute überfüllten Straßen war vor 40 Jahren nur selten ein Auto zu sehen. Es geht aber auch umgekehrt: Wo heute zerfallene Mauern liegen, gab es früher ein wunderschönes Café mit Terrasse und Sonnenschirmen. Man bemerkt interessante Details, wie zum Beispiel den Mann, der sich viel zu nahe an den Löwenkäfig wagt, oder ein Tarom-Flugzeug, das auf der Wiese im Zentrum der Schulerau steht, oder dass das Aro-Hotel früher „Carpaţi” hieß. Man erinnert sich an die Trolleybusse, die blauen Telefonzellen, die Brotgeschäfte und die Tram.
Die Stadt verändert sich manchmal schneller als die Menschen - innerhalb von 2-3 Jahren verschwinden Cafés, Supermärkte und Fast-Food-Restaurants, und es erscheinen neue. Parks, Bushaltestellen und Gebäude werden modernisiert, und an die Werbeplakate, die vor fünf Jahren auf der Purzengasse zu sehen waren, kann sich heute niemand mehr erinnern.
Die Fotografien helfen, diese Lücken zu füllen und ein wenig nostalgisch in die Vergangenheit zurückzublicken. Die Geschichte wird von den Menschen geschrieben und die große Geschichte enthält Millionen von Einzelgeschichten. Ein Stück Vergangenheit wird durch Familien-Fotografien wieder zum Leben erweckt.
Nürnberger werden aufgefordert, mitzumachen
Die Vernissage am Abend des 31. Oktober, an der um die 70 Personen teilnahmen, startete mit Beiträgen zum Thema „Leben im multikulturellen Kronstadt“ von Dr. Daniel Nazare, Direktor der Bibliothek „George Bariţiu” in Kronstadt, Dr. Angela Dobrescu, Expertin für Kulturstrategien und Projektmanagement für die Organisation „Gruppe Für Lokal-Initiative GIL Corona“, und Dr. Adrian Lăcătuş, Dekan der Kronstädter Philologie-Fakultät. Es wurde der multiethnische Charakter der Stadt und ihre Rolle als Schnittpunkt von verschiedenen Kulturen betont.
Nach der Eröffnung standen die Organisatoren dem Publikum für Fragen und Gespräche zur Verfügung. „Die Ausstellung tourt seit 2012 durch verschiedene Städte in Europa. Bis jetzt wurde sie in 10 Ortschaften in Bulgarien, Ungarn, Österreich und Deutschland vorgestellt. Wir haben für jede Ortschaft, wo wir ausstellen, ein anderes Konzept. Zum Zielpublikum gehören sowohl Kronstädter, die ausgewandert sind, als auch Personen, die unsere Stadt nicht kennen“, meint die Soziologin Angela Dobrescu. Obwohl die Ausstellung nur ein Wochenende lang in Nürnberg zu sehen war, wird man in Zukunft die Chance haben, sie erneut zu besuchen und neue Fotos aus der Vergangenheit zu bewundern. Kronstädter, die inzwischen in Nürnberg wohnen, werden aufgefordert, mit eigenen Bildern zu der Ausstellung beizutragen. Die neue Ausstellung könnte im nächsten Jahr im Nürnberger Bürgermeisteramt gezeigt werden. Mehr Infos zum „Gedächtnis einer Stadt“ findet man unter www.orasulmemorabil.ro.