In Meschen geboren, in Schässburg zur Schule gegangen und in Klausenburg das Studium der Germanistik abgeschlossen, beheimatete sich Horst Schuller Anger zusammen mit seiner Familie in Kronstadt, wo er ab Ende der 1960er Jahre als Redakteur der Kronstädter Wochenschrift Karpatenrundschau tätig wurde und diese in ihrer langjährigen wechselvollen Geschichte maßgeblich begleitet und bestimmt hat. Sein journalistisches Können und Bemühen galt vor allem der Pflege landeskundlicher und literarischer Traditionen der Siebenbürger Sachsen sowie dem Facettenreichtum älterer und neuerer rumäniendeutscher Literatur, der er objektiv, sachlich, mitunter ironisch nachsichtig begegnete, Autorinnen und Autoren unterschiedlicher Generationen gleichermaßen mit konstruktiver Kritik und kompetenten Ratschlägen zur Seite stand.Während der 1980er Jahre setzte er sich mit diplomatischer Gelassenheit für die Karpatenrundschau ein, leitete u.a. den Literaturkreis der KR und ermöglichte dadurch einen authentischen Dialog zwischen Kultur- und Literaturschaffenden und Lesern. Nach seiner Ende der 1980er Jahre erlangten Promotion wagte er den Schritt in die unversitäre Lehre und Forschung, nahm eine gewaltige Herausforderung an und etablierte sich bald an der Hermannstädter Lucian Blaga Universität, wo er zeitweilig Lehrstuhlinhaber sein sollte. Der Spagat zwischen der journalistischen Tätigkeit in Kronstadt und der Lehr- und Forschungstätigkeit in Hermannstadt war sicher nicht immer leicht für ihn, aber sein heiteres Naturell, seine charakteristische Ruhe und Ausgeglichenheit halfen ihm dabei, auch fand er bei seiner Partnerin, Hannelore, den notwendigen Rückhalt. Daraus schöpfte er die Kraft, allen Aufgaben gerecht zu werden und sich vielfach zu engagieren, nicht zuletzt für seine Doktorandinnen und Doktoranden sowie für akribisches bibliophiles Aufarbeiten von Archivdokumenten für Tagungsvorträge und zahlreiche wissenschaftliche Artikel.
Horst Schuller Anger war und bleibt für uns ein überzeugter Wahlkronstädter, er fühlte sich der Stadt stets verbunden, und hätte es keine schwerwiegende, gesundheitlich bedingte Gründe gegeben, hätten er und Hannelore 2002 sicher nicht für eine Umsiedlung nach Heidelberg gestimmt. Kein Jahr ist danach vergangen, in dem er nicht wenigstens ein- oder zweimal nach Kronstadt gekommen wäre, zunächst zusammen mit Hannelore, nach deren Tod dann auch allein oder in Begleitung der einen oder der andern Tochter, Bärbel oder Susanne.
Gebildet und kompetent wirkte Horst Schuller Anger niemals arrogant oder selbstgefällig, er empfing seine Doktoranden und Studierenden mit ebenso höflicher wie offenherziger Freundlichkeit, mit der er seine Freunde und Bekannten empfing. Im kleinen Vorgarten des Familienhauses in der Langgasse Nr.177, wo den ganzen Sommer über rosafarbene Geranien blühten, konnte man an lauen Abenden lange zusammensitzen und sich von Horst in gedämpftem Ton Ernstes und Anekdotisches erzählen lassen. Mit besonderer Belustigung pflegte er sich zum Beispiel des Tages zu erinnern, an dem er seine Doktorenurkunde in Bukarest abholen sollte. Man hatte ihm vorher unverblümt nahegelegt, ja nicht mit leeren Händen bei der zuständigen Sekretärin zu erscheinen, also würde er mit dem Fuß anklopfen, sagte er und lächelte verschmitzt.
Das war Horstens Markenzeichen: Das immer heitere, immer etwas verschmitzte Lächeln, das seine Lippen umspielte, das in seinen Augen blitzte. Damit meisterte er das Leben, nahm dessen Bürden und dessen Freuden geduldig an, blieb stets ausgeglichen, stets gelassen, egal wie schwierig oder wie unbeschwert sich gerade das Leben der Seinen und sein eigenes zutrug.
Der zu frühe Abschied von Hannelore hat ihm sehr zugesetzt, er hat ihn abmagern und traurig werden lassen auch deswegen, weil er den endgültigen Abschied von Kronstadt einleitete. Kronstadt zurückzulassen muss Horst sehr schwer gefallen sein, aber er sah darin eine unumgängliche Notwendigkeit, die ihm das Schicksal wie alles andere davor auftrug und abverlangte. Und dieser Forderung würde er natürlich gerecht werden. Es kostete ihn viel Kraft alles zu ordnen, aufzulösen, zurückzulassen. Dankbar nahm er die Hilfe ehemaliger Doktorandinnen, guter Bekannten und zurückgelassener Freunde an, denn nur so vermochte er seine gewohnte Gelassenheit wiederzugewinnen und aufrechtzuerhalten, um sich bald darin mehr und mehr zurückzuziehen und sich vor den weiteren Anfechtungen des Lebens in einer ganz eigenen Welt in Sicherheit zu bringen.
Wie hinter einem Vorhang, der immer dichter und undurchlässiger wurde, verbrachte er den letzten Lebensabschnitt, etwa anderthalb, beinahe zwei Jahre, in dieser eigenen und eigenartigen Welt, versank darin wie früher in seiner Arbeit, die ihn allerdings streckenweise noch sinngebend begleitete, und war auf die Pflege der Töchter und anderer Personen angewiesen. Auch das nahm er gelassen und tapfer hin. Eine der letzten Ablichtungen, die wir von ihm erhielten, wurde im Juli 2020 gemacht und zeigt Horst Schuller Anger in aufrechter Haltung in Begleitung seiner jüngeren Tochter, Bärbel. Er lehnt seinen Körper leicht an den ihren, findet so den nötigen Halt. Den Kopf hält er etwas gesenkt, ebenso den Blick, als würde er sich seiner bereits sichtbaren Gebrechlichkeit wegen genieren, aber auf seinem Gesicht liegt das gewohnte Lächeln, mit dem er jedem und sicher auch dem Tod begegnet ist.
Mit Horst Schuller Anger verlieren wir mehr als einen namhaften Germanisten und beherzten Journalisten, wir verlieren einen besonderen Menschen, an den wir uns in Dankbarkeit und Zuneigung erinnern, weil er jeden von uns, die ihn gekannt haben, mit seiner Offenheit, Hilfsbereitschaft, Warmherzigkeit und nicht zuletzt Bescheidenheit zutiefst bewegt und stets kompetent begleitet hat. Gott schenke ihm die ewige Ruhe!