Die Neuauflage der letzten Variante der Weltbeschreibung von Johannes Honterus aus dem Jahre 1542 ist sicher das wichtigste Verlagsereignis diese Jahres. Dank der Zusammenarbeit eines internationalen Forscher- und Übersetzerteams konnte das am meisten verbreitete Druckwerk des Kronstädter Humanisten in dreisprachiger Übersetzung – deutsch, rumänisch, ungarisch - im Schiller Verlag Hermannstadt – Bonn in diesem Jahr erscheinen. Herausgegeben im Auftrag des Demokratischen Forums der Deutschen in Kronstadt in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde e.V. Heidelberg – Hermannstadt, von Robert Offner, Harald Roth, Thomas Şindilariu und Ulrich A. Wien, hat die Neuauflage großes Aufsehen unter Historikern und in der Fachwelt ausgelöst, was auch bei den öffentlichen Buchvorstellungen in Hermannstadt und Kronstadt ersichtlich wurde.
Unterstützung bei der Herausgabe dieses Bandes, eine wahre bibliophile Rarität, gewährten auch das Presbyterium der Kronstädter Evangelischen Honterusgemeinde A.B., der Historiker und Honterusforscher Gernot Nussbächer, Dr.Zsolt Török (Budapest), Dr. Heinz Heltmann, Dr. Peter Pauly (Bonn), Dr. Edit Szegedi, Eva Maria Papp, Prof. Andras F. Balogh (Klausenburg), Dr. Sânziana Ileana Migia und Prof. Călin Căliman (Kronstadt), Kinder der Übersetzerin Valeria Căliman. Finanziell wurde das Projekt von dem Departement für interethnische Beziehungen der rumänischen Regierung unterstützt, wie auch durch eine Spende von Peter Maffay.
Anlässlich der in Kronstadt vorgenommenen Vorstellung der Neuauflage der Weltbeschreibung führten wir mit Dr. Robert Offner, einem der Herausgeber, folgendes Gespräch.
Als Mitherausgeber dieser Neuauflage der Weltbeschreibung von Johannes Honterus, wie schätzen Sie das Erscheinen dieses Buches in der Gegenwart ein?
Das Erscheinen des Honterus-Buches die „Grundzüge der Weltbeschreibung“ war längst fällig. Es gab ja Generationen vor uns die sich damit befasst hatten und versucht haben, das Buch möglicher-weise sogar mehrsprachig herauszubringen und zu veröffentlichen, doch nur mit einem Teilerfolg. Das Buch erschien 1988 in zwei Sprachen, auf Rumänisch und Latein. Aber es ist nicht das, was wir heute davon erwarten. Deswegen haben wir uns engagiert, das Buch neu zu verlegen, aufzulegen, und zwar auf deutsch, rumänisch und ungarisch.
Gemeinsam mit Dr. Heinz Heltmann sind Sie Autor der Studie „Tiere und Pflanzen, Sozialkunde , Anatomie und Krankheitsnamen“, die in dem Band enthalten ist. Wie sind die Visionen von Honterus aus heutiger Sicht zu bewerten?
Honterus-Visionen? Ich sehe darin die Vision, dass Honterus ein klares Bild von dem hatte, was ein junger Mann, ein Gymnasiast, möglicherweise ein Lehrer oder Pfarrer, oder sogar ein Akademiker, der vielleicht im Ausland studieren sollte, wissen musste. Diese sollten ein solides Wissen, einen Sockel des Wissenskanons bekommen und zwar eher in der Schule, damit er erfolgreich kommunizieren kann mit der Kollegen- und Gelehrtenwelt im Ausland, aber auch im Inland. Somit sehe ich sein Hauptziel darin, dass er Allgemeinbildung auf dem neusten wissenschaftlichen Kulturstand schaffen wollte.
Die Weltbeschreibung ist eine frühe Schulenzyklopädie. Kann diese heute noch als solche Verwendung finden oder ist sie nur noch von geschichtlichem Wert?
Ich betrachte dieses Werk ausschließlich aus historischer Sicht. Für die heutigen Ansprüche ist diese Buch keineswegs ausreichend und umfassend. Es ist längst überholt. Dennoch ist das Buch interessant, lehrreich, sehr inhaltsreich, vor allem für Literaten, für Fachleute, Forscher, aber nicht für das breite Publikum.
Von der Ausbildung her sind Sie Mediziner. Wie kamen Sie zu dem Interesse an der Geschichte und Zusammenarbeit mit zahlreichen Historikern und dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde?
Es ist eine gute Frage. Eine schwere Frage sogar. Aber auch mein Vater und mein Kronstädter Bittner-Großvater waren historisch interessierte Menschen. Die haben mir das schon Zuhause beigebracht, obwohl damals, als ich erwachsen war, das Interesse an der wahren Geschichte gesellschaftlich im Sozialismus nicht erwünscht war. Es war eher verheimlicht worden. Deswegen war für mich das Kennenlernen von damals engagierten und professionellen Historikern ein Highlight gewesen, hier in Kronstadt. Nämlich in erster Reihe Paul Binder, oder Binder Pal, ein ehemaliger Schulkollege meiner Mutter, der mich mit diesem Virus der Liebe zur Geschichte, der Liebe zur Landeskunde sozusagen infiziert hat. Somit begann mein Interesse und meine ersten Forschungen bereits vor der Ausreise 1990, und die ersten Publikationen kamen bereits 1991 in der neuen Heimat, in Bayern.
Sie haben das Konzept und die Koordination dieses dreisprachigen Buchprojektes in die Hand genommen. Sicher war das nicht ein leichtes Unterfangen. Wie haben Sie schließlich das Projekt durchführen und abschließen können?
Kurz nach der Ausreise wurde ich im gleichen Jahr 1990 Mitglied des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landekunde, so dass ich bereits ein halbes Jahr später an einem Projekt, „Reiseführer Siebenbürgen“, mitwirken konnte. Somit kam ich zur rechten Zeit mit den richtigen engagierten Arbeitskreiskollegen in Berührung und in Kontakt. So kennen wir uns teilweise seit 25 Jahren insbesondere Harald Roth und seine Kollegen, aber auch Thomas [indilariu, Heinz Heltmann. Deswegen war es mir nicht schwer gefallen mit diesen engagierten, geschätzten Kollegen, unter andern auch Erika Schneider und Hans Georg von Killyen, verschiedene Projekte umzusetzen. Dieses ist mittlerweile meine fünfte Buchedition und ich habe inzwischen über 50 Publikationen im heimatkundlichen Bereich hinter mir. Mich beschäftigen weiterhin neue Projekte und Forschungsgebiete. Ich denke, auch durch meine Vielsprachigkeit war es mir leicht gewesen, die richtigen Menschen für dieses Projekt begeistern und gewinnen zu können. Es gilt sowohl für die rumänischen, ungarischen als auch für die deutschen Kollegen gleichermaßen.
Schließlich kann man nicht umhinkommen, Sie zu fragen: Welche ist Ihr nächstes Projekt?
Erstmal ausruhen. Eine wohlverdiente Pause. Nach zweieinhalb, fast drei Jahren Honterus-Projekt, wünscht meine Familie und ich, dass erstmals nichts folgt, außer Entspannung. Vielleicht eine gemeinsame Siebenbürgen-Reise mit unseren fränkischen Freunden und Bekannten. Allerdings, bei mir schlummert noch ein Projekt das mich seit fast 22 Jahren beschäftigt, nämlich das Auslandsstudium der Siebenbürger Mediziner, die seit 1392 bereits ausländische Universitäten besuchten, um Ärzte zu werden. Das war nämlich bis 1872 im Lande nicht möglich gewesen. Das Projekt umfasst mittlerweile schon über 200 Seiten. Ich schätze noch, gute zwei Jahre Arbeit zu brauchen, um das Projekt meinen Erwartungen entsprechend abzuschließen.
Herr Offner, unsere Leser möchten mehr auch über Ihre Person und Tätigkeit wissen. Ist das möglich?
Natürlich. Geboren wurde ich 1960 in Szeklerburg, besser bekannt als Miercurea Ciuc/Csikszereda, obwohl meine Eltern, insbesondere mein Vater, aus dem Sachsenland stammen. Mein Vater wurde 1922 in Mediasch, wo mein Großvater Müller war, geboren. Nach der Weltkrise kamen sie ins Szeklerland, wirtschaftlich bedingt, von wo seine Frau herkam. Somit wurde die Familie in Csikszereda ansässig. Meine Mutter ist eine gebürtige Kronstädterin und lebte da bis zu ihrem 25. Lebensjahr als sie in Csikszereda meinen Vater heiratete.
Ich wuchs dort auf und besuchte das ungarische Gymnasium. Allerdings durch meine beiden Großväter war die Zweisprachigkeit ein großes Anliegen. Meine Schulferien in Kronstadt trugen auch wesentlich dazu bei. Schließlich das Kennenlernen meiner Frau aus Seiden an der Kleinen Kokel, eine Siebenbürger Sächsin, trug dazu bei, dass meine Dreisprachigkeit vollständig wurde. Somit bin ich gerne, sag ich mal, als dreisprachiger Siebenbürger unterwegs. Beruflich bin ich Humanmediziner; ich studierte in Klausenburg von 1979 bis 1985.
Danach war ich praktischer Arzt in der Moldau, zuletzt in Seiden, woher wir 1990 mit meiner Familie nach Bayreuth gekommen sind, wo wir auch heute leben. Allerdings beruflich hat es sich dann soweit geändert, dass ich von 1990 bis 1998, bzw. bis 2008 Institutsleiter war. Mein Fachgebiet ist Transfusionsmedizin. Drei Jahre war ich in der Privatwirtschaft in der Plasma-Industrie. Anschließend wechselte ich 2012 an die Universität Regensburg, wo ich in der Medizinischen Fakultät in Patientenversorgung, Transfusionsmedizin, Forschung und Lehre tätig bin. Ich bin für die Stammzellentransplantationen zuständig.
Für Ihre Bereitwilligkeit auf unsere Fragen zu antworten, dankt Ihnen
Dieter Drotleff