Eingehendste Dokumentation zur industriellen Entwicklung des Landes

Dr. Volker Wollmann brachte fünften und zugleich vorletzten Band der Serie „Vorindustrielles und industrielles Erbe in Rumänien“ heraus

Der Neustädter Kirchturm ist aus weiter Ferne zu sehen. Die in diesem befindliche Turmuhr, vom Unternehmen „J.J.Fuchs&Sohn“ im Jahre 1886 hergestellt, funktioniert weiterhin einwandfrei. Restauriert wurde sie 2011 von Zoltan Boer.
Foto: der Verfasser

Zu: Volker Wollmann, „Patrimoniu preindustrial {i industrial în România“, Band 5, Honterus Verlag 2015.

Zu einer unerschöpflichen Quelle und  eingehendsten Dokumentation ist die Buchserie von Dr. Volker Wollmann „Vorindustrielles und industrielles Erbe in Rumänien“ jetzt schon, auch vor dem Erscheinen des sechsten und letzten Bandes, an dem der Autor gegenwärtig arbeitet, geworden. Ursprünglich dachte der Autor, die gesamte Dokumentation in vier Bänden zu bündeln. Doch die Vielfalt an fixem oder mobilen Industriebestand, der von großer Bedeutung für ganz Südosteuropa vom 16. bis zum 20. Jahrhundert ist, erforderte eine Ausweitung dieser Forschungsreihe auf sechs Bände. Zwar ist viel von diesem Erbe durch die Enteignung nach dem Zweiten Weltkrieg in der sozialistischen Epoche zerstört worden, doch gibt es noch technische Ausstattungen, die in die Wirtschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts eingegangen sind.  Univ.Prof. Dr. Ioan Opriş, der bekannte Historiker und Ethnologe, der im rumänischen Kulturministerium auch als Staatssekretär einige Jahre wirkte, bezeichnet Volker Wollmannn als den wichtigsten Historiker Rumäniens im Bereich des Industrieerbes, auch unter dem Aspekt der geographischen Gebietsverteilung, für die  Konservierung und den Schutz dieses Nachlasses.

Volker Wollman wurde am 17. April 1942 in Hermannstadt geboren. Seine Kindheit verbrachte er in Mühlbach, zu dessen Ehrenbürger er seit einiger Zeit ernannt worden ist. Nach dem Geschichtsstudium in Klausenburg war er ab 1965 Direktor des Museums in Reschitza, danach wurde er 1988 als Akademischer Rat ans Institut für Archäologie in Klausenburg berufen. Nach seiner 1988 erfolgten Aussiedlung  wurde er zum Direktor des Siebenbürgischen Museums in Gundelsheim ernannt. Für seine gesamte Forschungstätigkeit und seine vielen Veröffentlichungen erfreute er sich zahlreicher Ehrungen. 2012 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen. Die Universität „1 Decembrie 1918“ von Karlsburg verlieh ihm den Ehrendoktor-Titel.

Der kürzlich erschienene 5. Band,  der im Hermannstädter Honterus-Verlag unter besten drucktechnischen Voraussetzungen herausgebracht wurde, umfasst sieben  Bereiche, die sich auf: Brunnen, Springbrunnen und öffentliche Quellen, dann öffentliche Uhren, Uhren von und in Kirchentürmen, Sonnenuhren, Sternwarten und Planetarien, Leuchttürme landesweit beziehen. Wurden in den ersten vier Bänden sämtliche Betriebe vorgestellt, wird der sechste Band dann den technischen Denkmälern aus dem Bereich Post und Fernmeldewesen (Telegraf, Telefon, Radio) gewidmet werden.
Die sechs Bände umfassende Buchserie,  die in rumänischer Sprache erscheint, und somit einem breiten Forscher- aber auch Leserkreis dadurch zugänglich ist, wird von dem Departement für interethnische Beziehungen im Rahmen des Generalsekretariats der Regierung, mittels des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) und dem Hermannstädter Ortsforum  finanziert.

In dem Vorwort zu diesem Band geht der Autor auf einige bestehende technische Museen in Städten des Landes ein. Auch sei in Hermannstadt die Rettung eines ganzen Industrieensembles, dem ehemaligen Independenţa-Werk, 1869 von Andreas Rieger gegründet, ins Auge gefasst worden. Ebenfalls hebt er die Rolle zeitweiliger Ausstellungen hervor, wie die „Industriearchitektur in Kronstadt: 1880 – 1940“, die im Hof der Forstfakultät am Anfang des Vorjahres zu sehen war und von den Architekten Ovidiu Taloş, Miruna und Cătălin Stroe, Mitglieder der hiesigen Filiale des Architektenordens dokumentiert worden ist.  Volker Wollmann spricht seinen aufrichtigen Dank den zahlreichen Kollegen und Freunden aus, die ihm bei der Dokumentation behilflich waren, dem DFDR, Mitarbeitern des Honterus-Verlages.

Das erste Kapitel des Bandes ist den öffentlichen Brunnen als eine besondere Kategorie von architektonischen und technischen Denkmälern gewidmet. Ausgehend von einigen allgemeinen Begriffen und geschichtlichen Daten stellt der Autor einige Brunnen vor, die sich in ethnographischen Museen befinden, den Brunnen in der Rosenauer Bauernburg, der bis zu 75 m Tiefe in den Jahren 1625 – 1640 ausgehoben wurde. Es folgen Springbrunnen, wobei die meisten sich in  Bukarest befinden, aus anderen Städten, dem Rudolfs-Brunnen aus Kronstadt, der in den 1990-er Jahren zerstört wurde und wiederhergestellt werden konnte. Es folgen in der Dokumentation Brunnen und öffentliche Quellen in den Kurbädern des Landes, viele von diesen wahre Kunstwerke. Aber auch Viehtränken, beispielsweise aus Großschenk, Meschendorf, Wolkendorf, der Nachbarschaftsbrunnen in Weidenbach.

Fortgesetzt wird mit der Darstellung öffentlicher Uhren auf Gebäuden und Institutionen, wobei besonders zahlreich die von Bukarest sind (Nationalbank, Justizpalast, Sparkassa CEC, Hauptpost u.v.a.). Interessant sind die Daten über die im Turm des alten Kronstädter  Rathauses befindliche Uhr, bis hin zur Anschaffung  des neuen Uhrwerks. Eingehend wird der Stundturm von Schäßburg, einem wahren Kunstwerk, das die Wochentage anzeigt, vorgestellt. Es folgen die Uhren, die sich in Kirchtürmen befinden, wobei der Autor von den ersten urkundlichen Daten über diese ausgeht. Besonders reich sind die diesbezüglichen Angaben, da er praktisch auf alle Kirchen, besonders die Evangelischen eingeht, die auch zahlenmäßig führend sind. Aber auch Uhrmacher, Meister, die diese Instand hielten, werden angeführt. Der Autor geht auf ausländische Firmen ein, die derartige Turmuhren geschaffen haben. Besonders für Kenner ist die Typologie der Uhrenmechanismen, die Wollmann ebenfalls beschreibt, von Interesse. Beispielweise gibt er sogar die Geldsumme an, die für die Anschaffung der Uhr im Kirchturm von Agnetheln, und nicht nur, benötigt wurde.

Bei jeder Uhr gibt er Jahr und Hersteller an, technische Daten über das Uhrwerk, Gewichte, die dieses antreiben. Ausführliche Daten erhält man u.a. über die Turmuhr der Schwarzen Kirche, auf deren Gehäuse der Hersteller „Joh. Mannhardt – München – 1858“ und die Seriennummer 513 eingetragen wurden.  Die Turmuhr der Bartholomäer Kirche ist ein Produkt der Firma J.J.Fuchs&Sohn, etwa 1890 hergestellt. Aus Kronstadt findet man Daten auch über die Uhren der Katholischen Kirche in der Kronstädter Klostergasse, der orthodoxen Sankt Nikolaus-Kirche, der  reformierten Kirche, die 1963 abgetragen worden ist, der römisch-katholischen Kirche von Steierdorf. Praktisch findet man diesbezügliche Daten über alle Kirchen, aller Konfessionen, die mit Turmuhren ausgestattet sind.

Eine besondere Kategorie ist die der Sonnenuhren. Erste Sonnenuhren sind erstmals in Mesopotamien, nachher in Ägypten, Griechenland, im Römischen Reich geschaffen worden. Ein Zifferblatt einer römischen  Uhr wurde im Hof eines Ortsbewohners in der Gemeinde Cump˛na, Kreis Konstanza, im Frühling 1960 entdeckt. Auch auf der Mauer der Schwarzen Kirche sind die Spuren einer ehemaligen Sonnenuhr zu sehen. Dr. Volker Wollmann geht mit seiner genauen Dokumentation auch auf die verschiedenen Typen der Anzeigen von Sonnenuhren ein. Mehrere Sonnenuhren konnte er auf öffentlichen Gebäuden, die der neueren Zeit angehören, ausfindig machen. Beispielsweise auf dem Gebäude der Hermannstädter Hauptpost oder der Seidenweberei in Schäßburg, in Reschitza auf dem Pittner-Haus, in Mediasch auf dem Gebäude des „St.L. Roth“-Lyzeums, an Wänden von Privathäusern oder Schlossanlagen. Auf einem Privatgebäude in der Kronstädter Katharinengasse Nr. 25 ist ebenfalls eine Sonnenuhr, in Fogarasch auf der Wand des Franzikaner-Klosters in der V. Alecsandri -Str. Nr. 1 ist eine Sonnenuhr  zu sehen. Durch einige Besonderheiten zeichnet sich die Sonnenuhr  unter einem Kirchenfenster der Bartholomäer Kirche aus. Auf der Nordseite der Kirchenburg von Kleinschenk, sind ebenfalls die Spuren einer Sonnenuhr zu sehen. Einige Sonnenuhren werden noch in Museen aufbewahrt.  Im Museum im Stundturm von Schäßburg ist ein horizontales, eingraviertes Marmorblatt ausgestellt.   
             
Einen Besuch verdient das einzige Uhren-Museum des Landes, das sich in Ploieşti befindet und in dem viele, besondere Exponate aller Kategorien von Uhren zu sehen sind. Das vorletzte Kapitel widmet der Autor den Sternwarten und Planetarien von Bukarest, Klausenburg, Jassy, Karlsburg und den anderen Städten, in denen es solche gibt. In der Gemeinde Horodnic de Jos, Kreis Suceava hat sich Dimitrie Olenici das erste private Planetarium des Landes errichtet. Auch dieses wird vorgestellt und wurde in den Bestand aufgenommen. Und schließlich stellt Dr. Volker Wollmann im letzten Abschnitt des Bandes die Leuchttürme vom Gebiet Rumäniens, auch als technische Denkmäler vor. Ausgehend von einem geschichtlichen Rückblick und der Bedeutung der Leuchttürme allgemein, stellt er die von der Küste des Schwarzen Meeres von Konstanza, Sulina, Mangalia, Tuzla und von der Schlangen-Insel vor. Abgeschlossen wird der Band  mit einem bibliographischen Anhang und einem Index der Ortsnamensverzeichnisse. Der rund 400 Seiten umfassende Band bietet auch 422 Fotos,  die diese Dokumentation bestens abrunden. Diese in den letzten Jahren ausgearbeitete Dokumentation von Dr. Volker Wollmann ergänzt die Landesgeschichte durch die genaue Übersicht der wirtschaftlichen Entwicklung im Laufe der Jahrhunderte und bietet einen kompetenten Überblick über diesen Bereich.                   

Dieter Drotleff