Enge Bindungen zu deutschen Autoren Siebenbürgens

Gespräch mit dem Schriftsteller Daniel Drăgan ausgehend von seinem Roman „Pfarrer Thom“

Der Schriftsteller Daniel Drăgan bei unserem in seinem Kronstädter Arbeitszimmer geführten Gespräch. Foto: Dieter Drotleff

Sein letzter Roman „Părintele Thom“ (Pfarrer Thom) dessen Hauptheld der evangelische Pfarrer Thomas und weitere sächsische Dorfbewohner sind, der in diesem Jahr  in einer dritten, verbesserten  Auflage  erschienen ist, bietet eine spannende Handlung  und Lektüre. Nicht zum ersten Mal treffen wir im schriftstellerischen Schaffen von Daniel Drăgan Angehörige der sächsischen Gemeinschaft an. Bisher veröffentlichte er 15 Romane, sechs Lyrik-Bände, Theaterstücke, Essays, Memoiren. Sein Debüt fand 1953 in der Zeitschrift „Tânărul scriitor“ (Der junge Schriftsteller) statt. Anschließend veröffentlichte er Gedichte und Prosa in der Zeitschrift „Gazeta literară“. Sein erster Roman „Doi ori doi“ (Zwei mal zwei) erschien 1978 im Verlag „Cartea Românească“.

Geboren wurde Daniel Drăgan am 20. Dezember 1935 in Glodeni, Kreis Dâmboviţa. Die Mittelschule besuchte er in Târgovişte, Predeal und Kronstadt/Braşov. Das weitere Studium erfolgte an der Literaturschule „Mihai Eminescu“ und an der Fakultät für Journalismus in Bukarest. Als Journalist arbeitete er bei der Kronstädter Tageszeitung „Drum nou“, leitete die hiesige Filiale des Schriftstellerverbandes (1965 – 1967), legte den Grundstein zu folgenden Zeitschriften denen er auch vorstand: „ASTRA“ (1966 – 1968), „Braşovul literar şi artistic“- neue Serie (1979 – 1984), „CORESI“ (1990 – 1993). Er ist auch Gründer des Arania-Verlags, den er von 1991 bis 2008 leitete. Einige seiner Arbeiten erschienen auch in deutscher und englischer Sprache.


Ihr Roman „Părintele Tom“ spielt in einer Ortschaft in der Rumänen, Sachsen, Ungarn in gutem Einvernehmen leben. Dabei erweisen Sie sich als guter Kenner der Geschichte der Sachsen, aber auch derer Mentalitäten. Bei der Buchvorstellung der zweiten Auflage in Hermannstadt 2002, an der sich zahlreiche deutschsprachige Leser beteiligten, hatte auch der Schriftsteller Eginald Schlattner anerkennende Worte dafür. Heuer fand die Vorstellung der dritten Auflage des Romans in Zeiden/Codlea statt. Wie war hier das Interesse?

Innerhalb der 4. Zeidner Begegnung, die vom 8. - 10. August l.J. stattgefunden hat und ehemalige und jetzige Ortsbewohner von hier und drüben vereinte, wurde ich zu der Buchvorstellung eingeladen, die am Sonntagnachmittag, dem 10. August, 17.30 Uhr, in der Kirche eingeplant worden war. Um ehrlich zu sein, war diese Begegnung mit den Lesern etwas zurückhaltender und auch misslungen. Die Buchvorstellung wurde in ein Programm aufgenommen, das schon vorher fest stand. Dafür wurde mir eine halbe Stunde zur Verfügung gestellt, nach dem Mittagessen der Teilnehmer und einer Filmvorführung in der Gaststätte „Schwarzburg“ und vor dem für 18 Uhr eingeplanten Orgelkonzert von Klaus Dieter Untch.

Die erwarteten Teilnehmer trafen mit Verspätung und in geringer Zahl ein, sodass wir in Zeitnot gerieten, und die Buchvorstellung nach dem Orgelkonzert fortführen sollten. Der anfängliche Misserfolg wurde dann aber von mehreren Teilnehmern an der Buchvorstellung behoben, die ein wahres Interesse an dem Roman zeigten und sogar mehrere Exemplare pro Person ankauften. Die dabei geführten Gespräche waren sehr interessant und aufschlussreich, da einige der Teilnehmer  den Inhalt des Romans aus den vorangegangenen Auflagen kannten. So wurde unser Gespräch sogar bei unserem Wagen der uns dann heim bringen sollte, fortgeführt.

Im Lauf Ihrer schriftstellerischen Tätigkeit haben Sie viele Freundschaften mit deutschen Kulturschaffenden und Autoren geschlossen, enge Beziehungen zu diesen gepflegt. Beispielsweise die Bindungen zu Hans Bergel, dessen Roman „Tanz in Ketten“ in der Übersetzung von George Guţu in Ihrem Verlag „Arania“ erschienen ist. War das eine Bereicherung für Sie?

Die Zusammenarbeit mit Hans Bergel war fruchtbar und hat ihren Niederschlag auch in dem Essayband „Die Heimkehr des Odysseus“ gefunden. Ein wunderbares Buch nach dem immer wieder auch jetzt noch gefragt wird, das jedoch leider nicht mehr verlegt wird. Benannt nach dem Poem von Radu Gyr, das in dem Band enthalten ist, erweist sich Hans Bergel in seinen darin enthaltenen Essays als ein besonders guter Kenner und Beobachter des Lebens in unserem Land und auf dem Balkan, wohin er immer wieder, wie Odysseus, zurückkehrt. „Ich sitze mit euch bei Tische, myrtenbekränzt,/doch schlafe ich lange schon unter Trojas Mauern./Und wie mein Pokal im Lachen der Griechen erglänzt,/ zecht ihr mit Toten und Geistern, die euch umlauern./Ich aber schlafe längst unter Trojas Mauern“, zitiere ich daraus.  Es ist der Komplex des Soldaten, der von der Front heimkehrt, sich aber immer wieder an diese erinnert so wie der politische Häftling an das Gefängnis in dem er eingekerkert war. Ich habe in Amerika einen rumänischen Kollegen angetroffen, der im Gefängnis war, und der durch seine Aussiedlung das Gefängnis mit sich genommen hatte. Er sah in allen nur Securisten und Kommunisten. „Gib acht!“ sagte er mir, „Hier gibt es keinen ehrlichen Menschen“. Es war schon eine krankhafte Veranlagung bei ihm.

Trifft das bei Hans Bergel auch zu?

Keinesfalls. Bergel ist ein Kulturmensch, ein Mensch der Zivilisation. Seine Beziehungen zu Rumänien bleiben weiterhin durch seine Struktur organisch. Die Bindungen zur rumänischen Kultur sind konstant, er ist ja selbst ein Produkt seiner Heimat. Und man darf nicht vergessen, Siebenbürgen ist sowohl ein rumänisch, wie deutsch und ungarisch geprägtes Gebiet, das auf seine Söhne einen entscheidenden Einfluss ausgeübt hat und ausübt.

Dieses Zusammenwirken und Zusammenleben kommt in Ihren Romanen immer wieder vor. So auch in Ihrem Buch „Pfarrer Thom“, von dem wir eingangs ausgegangen sind, oder in Ihrem ersten Roman „Doi ori doi“. Gibt es dafür eine besondere Erklärung?

 Ich habe bisher keine Statistik der Personen meiner Bücher aufgestellt. Wie viele Männer, wie viele Frauen, wie viele Bauern, wie viel Intellektuelle, wie viele Deutsche, wie viele Ungarn darin vorkommen. Aber ich habe sie darin aufgenommen, so wie das im Alltag vorkommt. Ich habe dies nicht gezielt getan, sondern es kam aus mir zum Ausdruck, es stand in meiner Feder in der Schilderung des siebenbürgischen Alltags.
Der Schriftsteller fotografiert nicht diese gegenseitigen Beziehungen, sondern erlebt sie, ist in diese impliziert. Ich habe dieses noch einige Male erklärt. Wir sind das Produkt unserer Heimat, der Scholle, der da erlebten Ereignisse mit unseren Mitmenschen.

Zeit Ihres Schaffens haben Sie enge Bindungen zu den hiesigen deutschen Kulturpersönlichkeiten gepflegt.  Können wir auch auf Ihre Beziehung zum Komponisten Norbert  Petri eingehen? Zwei Ihrer Librettos „Trandafirii Doftanei“ und „Idolul sfărâmat“ wurden von Petri in den Jahren des Kommunismus vertont. Die dazu geschaffene Musik wird aber auch heute geschätzt. Rückblickend, wie sehen Sie aus heutiger Sicht diese an?

Viele, die heute über „Trandafirii Doftanei“ sprechen, haben dieses Werk nicht gesehen. Seither sind 50 Jahre vergangen, und sie haben den Eindruck, dieses sei ein Werk das Gheorghe Gheorghiu-Dej und den damaligen Führern der Partei gewidmet worden sei. Nein! Die Personen dieser Oper sind Mitglieder einer Erdölarbeiterfamilie. Darin sind viele menschliche Beziehungen aufgenommen. Es gibt darin natürlich auch schematische Personen, was auf die damalige Zeit zurückzuführen ist. Norbert Petri hat dazu eine sehr gefühlvolle Musik geschaffen. Im zweiten und dritten Akt hat er, wie auch ich, sich etwas beeilt, da wir unter dem Zeitdruck der Premiere standen. Er arbeitete im gleichen Raum in dem er mit seiner Familie wohnte.

Er hatte auch das Leiden der Deportation erlebt, wo er Grubenarbeit verrichtete, nachher aber vom Lagerkommandanten gerufen wurde, um vor diesem Klavier zu spielen. Dieses hat sich auch auf die Arbeit ausgewirkt. Ich habe die Arbeit mir erneut vorgenommen, da ich von einem Verlag aus Deutschland  und von Helge Bömches diesbezüglich angesprochen worden bin. So wie das Libretto verfasst worden war, kann es heute nicht aufgeführt werden. Ich würde dieses jetzt nicht mehr ändern, da es nicht mehr im Einklang mit der Musik stehen würde. „Idolul sf²râmat“ ist das Drama einer Konfliktsituation zwischen den Generationen und ist von dem Roman „Die Stechfliege“ der Schriftstellerin Ethel Lillian Voynich inspiriert. Es ist eine Arbeit, die näher der Klassik steht. Es ist auch  bedeutend besser als das andere Werk und wurde nur zwei Mal aufgeführt. Die Hauptrolle hatte Ludovic Spiess übernommen, er  hat in Kronstadt und Russe (Bulgarien) die Hauptrolle interpretiert. Dann ist er weg aus Kronstadt, und so kam es zu keiner weiteren Aufführung.

Der Arania-Verlag ist von Ihnen geschaffen worden. Sie haben diesen abgetreten. Welches war der Grund?

Diesen habe ich 1991 gegründet und zahlreiche Bücher darin veröffentlicht. Nun habe ich diesen an den Lyriker Adrian Munteanu für einen Dollar verkauft. Im Arania-Verlag habe ich vor allem klassische und neuzeitliche rumänische und Universalliteratur veröffentlicht. Gegenwärtig musste von der Veröffentlichung dieser Literatur abgesehen werden wegen der von den großen Verlagen geschaffenen Konkurrenz. Diese können sich auch erlauben für das Copyright aufzukommen und haben einen guten Vertrieb gesichert. „Arania“ war und ist ein kleiner Verlag, wovon es beispielsweise in Frankreich 2000 solcher kleinen Verlage gibt, die alle  mit ihrem eigenen Profil bestehen können.

Sie sind Träger des Preises Opera Omnia der hiesigen Filiale des Rumänischen Schriftstellerverbandes für Ihr gesamtes Schaffen. Welche Tätigkeit entfaltet diese zur Zeit?

Monatlich veröffentlicht die Kronstädter Filiale ein Informationsblatt das allen Mitgliedern zugeschickt wird. Diese übernimmt die Vorstellung der Neuerscheinungen und der Begegnungen mit den Lesern, verleiht jährlich die Preise der Verbandsfiliale an die  Mitglieder für die besten Veröffentlichungen, organisiert Kulturevents. Kürzlich vermittelt diese auch zwischen einem von der EU unterstütztem Verlag  und den Autoren und sichert somit eine  vorteilhaftere Herausgabe der Bücher.

Sie waren viele Jahre Journalist, haben Zeitschriften gegründet, die eine wichtige Rolle in der hiesigen Kulturlandschaft gespielt haben. Welches ist Ihre Meinung über die jetzige Medienlandschaft vor Ort?

Es gibt sowohl eine positive wie auch negative Meinung. Erstens, dass die Medien frei sind. Positiv ist auch die Tatsache, dass diese sehr vielseitig von der Benennung und dem Inhalt her sind. Es wurden viele junge Leute in die Redaktionen aufgenommen, so wie es auch mit uns vor über 50 Jahren der Fall war. Ohne viel Ausbildung, ohne Hochschulabsolventen zu sein. Auch wir haben „im Gehen“ gelernt bis man merkte, ohne Fachausbildung kann man diesem Beruf nicht gerecht werden. So wird es auch heute geschehen.

Um im Pressewesen zu arbeiten, muss man eine entsprechende Ausbildung haben, ein gutes Allgemeinwissen besitzen. Denken wir zurück: wenn früher die Tageszeitung „Drum nou“ vielleicht ein Viertel ihrer heutigen Publikation ausmachte, so gab es kein Kulturereignis, das nicht darin widerspiegelt worden wäre und nach dem man heute nachblättern kann. Gegenwärtig findet man keine Buchvorstellungen, Konzerte- oder Theaterchroniken mehr in den hiesigen Tageszeitungen. Bei allen Kulturereignissen gab es eine Vorschau und anschließend eine Chronik. Blättert man heute in der Zeitungssammlung nach - die Zeitung musste selbstverständlich inhaltlich der Zeit angepasst sein - so findet man Daten über die vor Jahren stattgefundenen Kulturereignisse. Ich möchte von anderen Dingen absehen. Blättert man heute nur nach drei Monaten in einer Tageszeitung nach, findet man beim besten Willen keine diesbezüglichen Informationen, obwohl die Vielfalt an Konzerten, Ausstellungen, Aufführungen nun sehr breit gefächert ist.

Man kann eine Frage nicht umgehen. An was arbeiten Sie gegenwärtig?

An endgültigen Auflagen meiner bisher veröffentlichten Romane und Schriften. Ich bearbeite diese jetzt, und sie erscheinen als Neuauflage wie beispielsweise der Roman „Pfarrer Thom“, der nun als dritte Auflage vorliegt. In den 63 Jahren literarischer Tätigkeit habe ich viel geschrieben. Meine Pflicht ist es nun, endgültige Fassungen dieser Arbeiten zu hinterlassen. Kürzlich habe ich ein Epos unter dem Titel „Exodul“ herausgebracht, das sich auf den Exodus der Rumänen 1916 aus Siebenbürgen vor der ungarischen Herrschaft bezieht, eine Veröffentlichung, die heuer erschienen ist und mir sehr lieb ist.

Sie haben mit deutschsprachigen Autoren dieses Landes viel zusammen gearbeitet, hatten freundschaftliche Beziehungen. Wie schätzen Sie dieses Geben und Nehmen ein?

Ich muss  ein Gefühl des Dankes an Schriftsteller, Maler und Komponisten aussprechen, mit denen ich viel und sehr gut zusammengearbeitet, von diesen aber auch sehr viel mitbekommen habe, was sich auch auf meine Persönlichkeit als Schaffender auswirkte. Ich denke mit Dank zurück an Harald Meschendörfer, Adolf Meschendörfer, Helfried Weiß, Friedrich von Bömches, Norbert Petri, Hans Bergel, Hans Liebhardt, um nur einige zu nennen.
 
Herzlichen Dank für Ihre Offenheit bei unserem Gespräch!

Das Gespräch führte
Dieter Drotleff