Unermüdlich geht der Kronstädter Geschichtsforscher Gernot Nussbächer den Klärungen über die Vergangenheit der siebenbürgisch-sächsischen Ortschaften nach. Somit ist seine Forschungsserie „Aus Urkunden und Chroniken“, deren erster Band 1981 erschienen ist, nun bei Band 17 angelangt. Dieser ist den Ortschaften aus dem Gebiet des Unterwaldes gewidmet. Insgesamt umfasst dieser 27 Beiträge zur Geschichte der Gemeinden und Städte aus diesem Gebiet. Von denen sind je zwei Deutschpien, Urwegen, Weingartskirchen, Petersdorf und je drei Kelling und Mühlbach gewidmet. In je einem Artikel geht der Autor auf die Geschichte der Ortschaften Blutroth, Broos, Bulkesch mit Seiden, Bußd, Gergeschdorf, Langenthal, Langendorf, Michelsdorf, Rätsch, Reichau, Rumes, Scholten und Taterloch ein. Der kürzlich im Kronstädter aldus-Verlag erschienene Band umfasst Beiträge die der Autor in den Jahren 1957 – 1996 in der deutschsprachigen Presse des Landes veröffentlicht hat. Einige davon sind auch in anderen Bänden erschienen. Die thematisierten Ortschaften gehören von der Verwaltung her zum Großteil dem Kreis Alba an. Obwohl der Autor diese Beiträge überarbeitet und mit den neusten Forschungsergebnissen ergänzt hat, haben sie trotzdem nicht den Anspruch auf Vollständigkeit wie der Autor im Vorwort zu diesem Band vermerkt. Man trifft auch einige Wiederholungen an. In den insgesamt 582 Anmerkungen, die die Beiträge ergänzen, bietet er weitere Hinweise auf weitere eigene und andere Arbeiten. Insgesamt hat Gernot Nussbächer bisher 163 siebenbürgisch-sächsische Ortschaften dokumentiert und in dieser Buchserie vorgestellt, was einen enormen Aufwand an Arbeit bedeutet.
Dabei ist er der urkundlichen Erforschung jeder einzelnen Ortschaft nachgegangen, um genaue Daten über die jeweiligen ersten urkundlichen Erwähnungen, die wichtigsten Ereignisse aus deren Geschichte zu ermitteln. Somit ist die von ihm verfasste Forschungsserie „Aus Urkunden und Chroniken“ eine unersetzliche Quelle an Daten für die Historiker, die sich der Siebenbürgischen Geschichte verschrieben haben, geworden. Sehr aufschlussreich sind allgemein die Daten die der Autor zu den verschiedenen Ortschaften bietet, auch über die Ursprünge der heute bekannten Namen dieser Orte, die Zahl der Wirte, wirtschaftliche Entwicklung u.s.w. So wird im ersten Beitrag dokumentiert wie von „Berwinsdorf“ es zum jetzigen Namen „Blutroth“ kam. Die erste bezeugte deutsche Namensform geht auf das Jahr 1678 zurück. Die Stadt Broos, die im Miereschtal liegt, beging 1994 ihre 770. Feier der ersten urkundlichen Erwähnung. Broos war auch wirtschaftlich im Lauf der Jahrhunderte gut entwickelt. 1376 wurde die erste Zunftordnung für die Handwerker von Hermannstadt, Schäßburg, Mühlbach und auch Broos von den Sieben Stühlen festgelegt. Eine Enklave im Kokelgebiet bildeten die beiden Gemeinden Bulkesch und Seiden, deren Geschichte bis auf den Anfang des 14. Jahrhunderts zurück geht. Bekannt sind die beiden Ortschaften vor allem durch den hier auf Tradition zurückblickenden Weinbau. Bekannt ist die Ortschaft Bußd besonders durch die da befindliche Wehrkirche, ein besonderes architektonisches Bauwerk. Es handelt sich aber um das Bußd nördlich von Reußmarkt gelegen, da es ein weiteres Bußd auch südöstlich von Mediasch gibt.
Der Ortschaft Deutschpien bietet Gernot Nussbächer drei Beiträge. Laut seinen Forschungen geht die erste urkundliche Erwähnung auf das Jahr 1309 zurück. Auch nimmt er Bezug auf eine 1990 erschienene Ortsmonographie, die von Ioan Marta und Ioan Aron veröffentlicht wurde. Die älteste Urkunde, die Gergeschdorf erwähnt, stammt aus dem Jahr 1304. Der Name geht auf den Vater des damaligen Besitzers Graf Tyuan zurück, der Gregorius hieß. Die älteste Urkunde, die Ortschaft Kelling erwähnt, stammt aus dem Jahr 1269. Vom kirchlichen Standpunkt her gehörte Kelling zum Dekanat Mühlbach (Sebus). Der erste Pleban führte auch das Amt als Dekanus 1309. Kelling erlebte auch viele Widrigkeiten. 1438 wurde es im Sommer Opfer des Türkeneinfalls. Eine schwere Zeit folgte für Kelling und weiteren umliegenden Ortschaften 1464, nachdem der ungarische König Matthias Corvinus diese dem siebenbürgischen Wojwoden Johann Pongracz und seinem Bruder Andreas schenkte. Es folgen eingehende Daten zu Langenthal, Michelsdorf und Langendorf. Letzteres ist als Lancrăm bekannt, in dem der rumänische Dichter und Philosoph Lucian Blaga (1895 – 1961) geboren wurde.
Chronologisch stellt der Autor die Stadt Mühlbach vor, deren erste Erwähnung aus dem Jahr 1245 stammt. Schon 1241 erfolgte die Zerstörung Mühlbachs durch den Mongoleneinfall. Aus dem Jahr 1387 stammt das Privilegium zum Bau der Stadtmauern. 1438 wurde Mühlbach von den Türken belagert. 1495 wird die Stadt durch einen Großbrand verheert. 1523 wird ein großes Erdbeben da verzeichnet. 1661 wird Mühlbach wieder durch die Türken unter Ali Pascha verheert. In Mühlbach wurde das musikalische Wunderkind Carl Filtsch 1830 geboren, 1909 wurde da ein neues Rathaus gebaut. Und die Aufzählung der Daten, die Gernot Nussbächer bietet, ist noch viel reicher. Die Stadt besaß auch ein hohes Bildungsniveau, was aus den weiteren Beiträgen über den Bildungsstand Mühlbacher Studenten im 14. und 15. bzw. 16. Jahrhundert hervorgeht. In Petersdorf wurde 1857 die Papierfabrik durch mehrere Hermannstädter Unternehmer gebaut. Von da aus gingen dann in den nächsten Jahren gefragte Fachleute auch in andere gleichartige Betriebe, wie der Papierfabrik in Zernescht. Urkundlich wurde die Ortschaft zum ersten Mal 1309 erwähnt.
Der Autor dieses 17. Bandes der „Urkunden und Chroniken“ geht dann weiter auf die Geschichte der Ortschaften Rätsch, Reichau, Rumes, Scholten, Taterloch, Urwegen, Weingastkirchen ein. Dabei muss hervorgehoben werden, dass Rumes zu den ältesten urkundlich erwähnten Ortschaften Siebenbürgens zählt. Eine Urkunde bezeugt Rumes schon für das Jahr 1206. Die erste Urkunde, in der Urwegen genannt wird, geht auf das Jahr 1291 zurück. Besonders bedeutende Persönlichkeiten haben da gewirkt. Isaak Zabanius, der vorher auch Rektor des Hemannstädter Gymnasiums war und Vater des Sachsencomes Johann Zabanius Sachs von Harteneck, der Ortspfarrer von 1687 - 1691 in Urwegen war.
Die Fülle an Daten, die der Historiker bietet, auch wenn sie relativ trocken dargestellt werden, bieten zusammenfassende Übersichten zur Geschichte der jeweiligen Ortschaft, die aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbar sind. Die Dokumentation, die gesamte Serie „Aus Urkunden und Chroniken“, will der Autor – wie er uns versicherte – mit Nordsiebenbürgen und dem Kronstädter Kreisgebiet fortsetzen. Seinen besonderen Dank spricht Gernot Nussbächer dem Demokratischen Forum der Deutschen in Siebenbürgen aus, das den Großteil der Kosten vermittelt und getragen hat, dann Martin Bottesch, dem Vorsitzenden dieses Forums, der ihn in seinem Vorhaben gefördert und ihm selbst geholfen hat. Auch hat er das sehr ansprechende Kunstfoto der Gräfenburg in Urwegen für das Titelblatt geboten. Auf der Rückseite des Buches ist der Altar der Evangelischen Stadtpfarrkirche von Mühlbach abgebildet, das Foto stellte das dortige evangelische Stadtpfarramt zur Verfügung stellte. Der rund 160 Seiten umfassende Band, enthält wie üblich persönliche Daten über den Autor, Ehrungen deren er sich erfreuen konnte, wie eine Auflistung seiner Veröffentlichungen, ein Ortsnamenverzeichnis mit den deutschen, rumänischen und ungarischen Benennungen.
Einen besonderen Dank spricht Gernot Nussbächer dem aldus-Verlag aus, in dem er nun schon seit mehr als zwei Jahrzehnten seine Veröffentlichungen herausbringt und wo er volles Entgegenkommen hat.
Dieter Drotleff