Zur Anthologie „Es war einmal ... das Liedgut der Deutschen aus Russland“, herausgegeben von Eduard Isaak und Robert Korn. Waldemar Weber Verlag Augsburg, Großformat 2011, 258 Seiten, ISBN 978-3-939951-34-6
Unter Liedgut der Deutschen aus Russland verstehen die beiden Herausgeber, der Musiker und Komponist Eduard Isaak und der Pädagoge und Germanist Robert Korn, das von den Russlanddeutschen gesungene Liedgut.
Dies enthält selbstverständlich die bekannten deutschen Volkslieder und die zu Volksliedern gewordenen Weisen, die in allen der nach Kapiteln gegliederten Anthologie enthalten sind, wie im Kapitel „Geistliche Lieder“ „Als Jesus von seiner Mutter ging“, im Kapitel Balladen „Es waren zwei Königskinder“, im Kapitel „Historische und Soldatenlieder“ „Die Gedanken sind frei“, im Kapitel „Liebe und Schmerz“ „Du, du liegst mir im Herzen“, im Kapitel „Wander-, Jäger- und Berufslieder“ „Auf auf zum fröhlichen Jagen“, wie auch das zum Volkslied gewordene Kunstlied aus „Wilhelm Tell“ von Friedrich Schiller (1749-1805) „Mit dem Pfeil, dem Bogen ...“, Vertonung B.A. Weber, im Kapitel „Scherzlieder“ „Horch was kommt von draußen rein“, und im Kapitel „Advents- und Weihnachtslieder“ „Es ist ein Ros entsprungen ...“.
Dem Komponisten Friedrich Silcher (1789-1860), der unter anderem auch die Loreley von Heinrich Heine vertonte „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ – auch hier in der Anthologie zu finden – ist ein eigenes Kapitel gewidmet.
Er steht den Russlanddeutschen besonders nahe durch seine Vertonung des Liebesgedichtes von dem aus dem Memelland stammenden Dichter Simon Dach (1605-1659) „Ännchen von Tharau“.
Dies im ganzen deutschsprachigen Raum zum Volkslied gewordene frohgemute Kunstlied ist gewidmet der Pfarrerstochter Anna Neander aus dem Dorf Tharau in Ostpreußen, heute Wladimirowo in der russischen Enklave nördliches Ostpreußen. Jetzt steht in Simon Dachs Geburtsstadt Memel (heute der größte Hafen Litauens Kleipeda) der Simon Dach-Brunnen, der auch Ännchen von Tharau darstellt. Nach wie vor ein Besuchermagnet.
Dankenswerterweise gilt das Kapitel „Russische Lieder“ auch den von den Russlanddeutschen gern gesungenen russischen Liedern. Diese wurden mit großem Einfühlungsvermögen durch russlanddeutsche Dichterinnen und Dichter übersetzt. Sie wurden von den Russlanddeutschen nicht nur in der alten Heimat Russland gern gesungen, sondern werden auch in der neuen Heimat Bundesrepublik nach wie vor gepflegt.
Unter den 16 hier gebotenen Liedern sind so bekannte Dichter wie Sergej Essenin von Natascha Sinner übersetzt, „Ahorn, du mein Ahorn“, Vertonung Wassili Lipatow; von Johann Warkentin übersetzt „Brief an die Mutter“, Vertonung Wassili Lipatow, und ebenfalls von Johann Warkentin übersetzt „Verklungen ist in herbstlich goldenen Hainen“, Vertonung Grigori Ponomarenko, „Eile nicht“ von Jewgeni Jewtuschenko, übersetzt von Natascha Sinner, Vertonung Arno Babutschanjan und Rassul Gamsatow „Kraniche“ übersetzt von Natascha Sinner, Vertonung Jan Frenkel.
Auch im Kapitel „Russische Romanzen“ treffen wir unter den 18 Weisen auch in Deutschland bekannte Namen wie den russischen Klassiker und Nationaldichter Alexander Puschkin (1799-1837) mit „Ich denk an jene schönen Stunden“, übersetzt von Friedrich Bolger, Vertonung von M. Glinka, „Ich liebte dich“, übersetzt von Johann Warkentin, Vertonung B. Scheremetjew, „Mein Blut wallt auf“, übersetzt von Viktor Heinz, Vertonung M. Glinka, und Iwan Turgenjew (1818-1883) mit „Nebliger Morgen“, übersetzt von Viktor Heinz, Vertonung E. Abaza.
Eine Pioniertat ist die Präsentation der vom Herausgeber Eduard Isaak komponierten Liedauswahl zweier der bekanntesten russlanddeutschen zeitgenössischen Autoren: Viktor Heinz (1937 in Nowoskatowka in Westsibirien geboren, der auch einen Großteil der hier veröffentlichten russischen Liedtexte übersetzte), und Robert Weber (1938 in Pawlow Posad, Gebiet Moskau geboren und gestorben 2009 in Augsburg durch Freitod).
Bei Viktor Heinz konnte Eduard Isaak auf ihre gemeinsamen Musicals „Russland Ahoi“ und „Die Einsteinfalle“ zurückgreifen und daraus Lieder für diese Anthologie auswählen.
Aus der „Einsteinfalle“ bringt er ein Lied, das von Viktor Heinz nach einer Vorlage des Minnesängers Walther von der Vogelweide verfasst wurde mit dem wiederkehrenden zauberhaften mittelalterlichen „Tandaradei“.
Robert Webers mitunter abgründige Schwermütigkeit lässt sich hier in den Liedern „Der erste und letzte Schnee“ und „Unerwiderte Liebe“ ahnen, wenn auch sein liedhafter Grundton in dieser Sammlung zuversichtlich klingt wie in „Die Schale“, „Ob Sonne, ob Regen“ und „Zaghaftes Glück“.
Diese bemerkenswerte Sammlung von Liedern spricht natürlich zuerst Russlanddeutsche und mit russischer Kultur Verbundene an. Aber nicht nur! Denn dieses Buch bringt so vieles vom Volkslied über zu Volksliedern gewordenen Kunstliedern bis hin zu Liedern auch von Klassikern der deutschen und vor allem auch der russischen Literatur, dass auch alle Lieder Liebenden aus dem deutschsprachigen Raum daran Gefallen finden können.
Der schöne Einband mit Mohnblumen macht dieses schmucke Buch im Großformat auch zu einem wunderschönen völkerverbindenden Weihnachtsgeschenk.