„Es geht vor allem darum, eine bürgernahe Verwaltung zu schaffen“

Interview mit Bernhard Heigl, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen im Kreis Kronstadt

Bernhard Heigl (Jahrgang 1984) ist seit zehn Jahren in Kronstadt sesshaft. Davor hat der Historiker aus Hieflau in der Steiermark (Österreich) ein Austauschjahr in Klausenburg gemacht. Zwischen 2014 und 2022 war er im Archiv und in der Bibliothek der Honterusgemeinde tätig. Vor zwei Jahren nahm er die Herausforderung an, das Kronstädter Kreisforum zu leiten. Über seine Tätigkeit im Forum, die Wahlkampagne und die Zeit in Kronstadt sprach Bernhard Heigl mit Laura Căpățână Juller.


Herr Heigl, Sie sind im Jahr 2014 nach Rumänien übersiedelt. Warum?

Nach meinem Austauschjahr an der Universität Klausenburg bin ich immer wieder im Sommer für diverse Projekte nach Kronstadt gekommen und habe mich hier immer sehr wohl gefühlt. 2014 gab es dann die Gelegenheit für vorerst zwei Jahre in Kronstadt zu arbeiten. Aus diesen zwei geplanten Jahren sind mittlerweile zehn geworden.

Was hält Sie hier?
Im Vergleich zu Österreich ist es hier lebendiger, aufregender. Im guten, wie auch im weniger guten Sinn. Es stellt sich keine Routine ein. Es sind jeden Tag andere Probleme zu lösen. Das Land hält dich auf Trab und das gefällt mir.

Was vermissen Sie von zu Hause?
Schwarzbrot und trinkbares Leitungswasser, das nicht nach Chlor schmeckt.

Ist das alles?
Ja. Kronstadt ist ein zweites Zuhause geworden.

Warum haben Sie 2022 die ehrenamtliche Leitung des Kreisforums übernommen?
Ich wurde gefragt, habe mich aber lange gewehrt, weil ich mich nie in der Politik sah. Habe dann die Herausforderung angenommen, mich in der Vertreterversammlung zur Wahl gestellt und setze mich seitdem dafür ein, das Forum sanft zu modernisieren. Es ist eine interessante Tätigkeit, weil wir z.B. jetzt gerade dabei sind, im Kreis Kronstadt mehr Ortsforen zu gründen, um die Angehörigen der Minderheit im Kreis wieder ein wenig näher ans Forum zu bringen. Und es beginnt zu funktionieren. Wir brauchen noch den Beschluss der Vertreterversammlung, aber es sieht so aus, als ob es in diesem Jahr neue Ortsforen in Wolkendorf und Heldsdorf geben wird. Darauf bin ich besonders stolz, denn es bilden sich dort Kristallisierungspunkte, die Kulturarbeit wird wieder lebendiger, es werden mehr Projekte gemacht und die Forumsarbeit wird wieder attraktiver.

Welches sind Ihre Aufgaben als Vorsitzender des Kreisforums?
Momentan kümmere ich mich vor allem um die Kommunalwahlen und die Bürokratie dahinter: Kandidaten registrieren, die Wahllokale mit Vertretern besetzen, die mit der Finanzierung des Wahlkampfes verbundene Bürokratie etc..

Welches sind Ihre Aufgaben, wenn nicht gerade Wahlen anstehen?
Im Kreisforum werden z.B. die ganzen Kulturprojekte des Forums im Kreis, mit Ausnahme derer des Forums der Stadt Kronstadt, verwaltet. Auch den Nachkommen der Russland-Deportierten dienen wir als Anlaufstelle, um ihnen bei den Entschädigungsanträgen zu helfen, oder wenn wir selbst nicht weiterhelfen können, ihnen zumindest zu erklären, an welche Stellen sie sich hier im Land oder in Deutschland wenden können. Dann fallen gewisse Angelegenheiten der Schulen mit deutscher Unterrichtssprache im Kreis (mit Ausnahme der Stadt Kronstadt, welche vom Ortsforum betreut werden) in unseren Aufgabenbereich (wenn z.B. die Klassengröße überschritten werden muss, muss dies vom Forum unterstützt werden und Anträge an das Kreisschulinspektorat und das Unterrichtsministerium gestellt werden). Weiters gibt es immer wieder Treffen mit den diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik, Politikerdelegationen oder auch Studentengruppen, die sich für die Angelegenheiten und die Situation der deutschen Minderheit interessieren und uns auch bei manchen Projekten unterstützen. Man darf auf keinen Fall vergessen, dass der deutschsprachige Unterricht in Rumänien von der Bundesrepublik jährlich mit ca. 1,3 Millionen Euro über die Saxonia-Stiftung gefördert wird. Auch die Kontaktpflege zu anderen Minderheiten spielt eine wichtige Rolle, am 14. Mai war ich z.B. eingeladen bei den Feiern zum israelischen Unabhängigkeitstag der Kronstädter jüdischen Gemeinde. Eine andere Aufgabe ist z.B. die Teilnahme an den Sitzungen des Siebenbürgenforums und des Landesforums.

Welches, finden Sie, ist die Hauptarbeit des Forums?
Die Hauptarbeit des Forums soll, meiner Ansicht nach, in der Förderung der Kulturarbeit liegen, in den Kulturprojekten und weniger in den politischen Projekten. Aber da in Rumänien alles so durchpolitisiert ist, muss man auch da aktiv werden.

Bei den Wahlen am 9. Juni hat das Forum auf Kreisebene in manchen Orten eigene Kandidaten. Wie läuft die Wahlkampagne?
Ja, in Heldsdorf treten drei Kandidaten, in Reps sechs, in Seiburg ein Kandidat für das Forum an. In Fogarasch hat die Liste des Forums acht Kandidaten.

Sie leben nun schon seit zehn Jahren in Kronstadt und kommen viel im Kreis herum. Welche sind die größten Probleme, die es im Kreis gibt?
Eines der größten Probleme, auf das ich immer wieder stoße, ist die fehlende adäquate medizinische Versorgung in den Gemeinden. Das betrifft zwar nicht nur unsere Minderheit, wird aber bei uns besonders sichtbar, aufgrund des gehobenen Altersschnitts. Ein anderes ist die zunehmende Isolierung, Vereinsamung unserer älteren Mitglieder.

Was wünscht sich das Forum für die Zukunft der Stadt und des Kreises?
Es geht vor allem darum, in Kronstadt, sowohl in der Stadt als auch im Kreis eine offene, transparente und bürgernahe Verwaltung zu schaffen. Dem Forum ist natürlich der Erhalt unseres materiellen und immateriellen Kulturerbes ein besonders wichtiges Anliegen. Ein speziell für das Forum wichtiger Punkt ist die Unterstützung des Unterrichts in deutscher Sprache auf muttersprachlichem Niveau. Man denke an die Honterusschule mit knapp 1400 Schülern hier in Kronstadt.

Auch auf Kreisebene will man die deutschsprachigen Schulen erhalten und fördern, z.B. die Gymnasien in Reps, Rosenau, Fogarasch oder Zeiden. Es scheint derzeit einen Aufwärtstrend der deutschsprachigen Schulen im Kreis zu geben. In Reps, zum Beispiel, hat man jahrelang um den Erhalt des deutschsprachigen Schulwesens gekämpft, weil zu wenige Schüler waren. Und nun war es das erste Mal der Fall, dass es fast zu viele sind, 26 Einschreibungen für die Vorschulklasse.

Die Wahlbeteiligung in Rumänien ist besonders niedrig. Warum sollte man wählen gehen?
Welche anderen Möglichkeiten hat man, sich am politischen Prozess zu beteiligen, wenn man nicht kandidieren möchte? Wenn die Wahlbeteiligung extrem niedrig ist, wie das in Rumänien, aber auch anderen Ländern, der Fall ist, dann entscheidet eine extrem kleine Gruppe von Menschen darüber, was mit uns allen passiert. Lassen Sie uns eine sehr vereinfachte Rechnung machen. Nehmen wir an, es gibt ein Dorf mit 100 Wahlberechtigten. Die Wahlbeteiligung ist hoch und es gehen 50 Prozent zur Wahl, d.h. 50 Menschen geben ihre Stimme ab. Es gibt drei Bürgermeisterkandidaten. Ein Kandidat bekommt 20 Stimmen, ein Kandidat bekommt 8 Stimmen und der dritte Kandidat bekommt des Rest von 22 Stimmen. Daraus folgt, dass der gewählte Bürgermeister von weniger als einem Viertel der wahlberechtigten Einwohner des Dorfes unterstützt wird.
Sie müssen unbedingt wählen gehen, egal welcher politischen Richtung Sie anhängen! Aber in der Stadt Kronstadt empfehle ich den Stempel bei Allen Coliban als Kandidaten für das Bürgermeisteramt und der Wahlallianz „Uniți pentru Brașov“ (Vereint für Kronstadt) zu machen. Im Rahmen dieser Allianz kandidieren Olivia Grigoriu, Uwe Simon, Uwe Leonhard, Andrei Ispas und Raul Vintil˛ für das Forum. Dort empfehle ich Ihnen einfach beim Herz, dem Wahlzeichen des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien den Stempel zu machen. Für den Kreisrat finden Sie die Kandidaten des Forums auf der Liste der Allianz „Vereinte Rechte“ (Dreapta unită), im Deutschen ein sehr unglücklicher Begriff. In den folgenden Orten hat das Forum eigenständige Listen: In Fogarasch kandidieren Johannes Klein, Monica Montsch, Bruno Ercău, Manfred Konnerth, Wilhelm Montsch, Bianca Nedelcu, Marianne Konnerth und Luminița Dürr; in Reps kandidieren Karl Hellwig, Emerich Barfuss, Lily Sava, Harald Flagner, Claudia Both und Laura Schenker; in Heldsdorf kandidieren Günter Reiner, Andreas Muntean und Amalie Cioacă und in Seiburg kandidiert Martin Beier.

Vielen Dank für das Gespräch!