Seit wenigen Tagen ist beim Multikulturellen Zentrum der Transilvania-Universität im Rektoratsgebäude auf der Postwiese die Ausstellung „Processions for Vanishing Parts“/ „Umzug für langsam verschwindende Arten“ des amerikanischen Künstlers rumänischer Herkunft Sasha Meret zu besichtigen. Der ehemalige Illustrator, der als fester Mitarbeiter über 20 Jahre lang bei Publikationen wie „New York Times“, „International Herald Tribune“ oder „Washington Post“ tätig war, sowie zahlreiche Bücher visuell gestaltete, hat mit seinen originellen Werken die Besucher der Vernissage in Kronstadt zum Staunen gebracht und zum Nachdenken angeregt. Seine Kunstwerke offenbaren „einen subtilen, oft von warmer, wohlwollender Ironie geprägten Kommentar über die widersprüchliche Welt, in der wir leben“, so Adrian Lăcătuș, Leiter des Multikulturellen Zentrums der Transilvania-Universität. Sie deuten auf die „unmittelbare Gefahr, die uns bedroht“ hin, „weil wir Völker von kleinen Lebewesen, die wichtiger sind als wir es glauben, nicht beachten“ sagt der „virtuelle Demiurg“, wie ihn Lăcătuș nannte.
Für seine Ausstellung ist der in Petroșani geborene Künstler von einem aufklappbaren Aschenbecher in Form einer Biene ausgegangen, den er am Flohmarkt beim ehemaligen Kronstädter Lkw-Werk gekauft hat. „Ich kaufe Gegenstände, die mir gefallen, stelle sie nebeneinander und merke dann, dass sie einen Zusammenhang, eine gewisse Kohärenz haben und Ideen, die mir im Kopf herumgekreist sind, aber noch nicht formuliert waren, werden konkretisiert.“ Die im Hinterkopf pendelnden Gedichte, Bücher oder Diskussionen über die Bedrohung der Bienen vom Aussterben, oder über diese Insekten in verschiedensten Erscheinungsformen sind beim Anblick des Aschenbechers und der anderen Gegenstände zum Gedanken des Umzugs für bedrohte Arten zusammengewachsen. „Es ist ein natürlicher Prozess, nichts ist erzwungen“ erklärt der Künstler.
100% aus Kronstadt
In einem Studio im Institut für Forschung, Entwicklung und Innovation der Transilvania-Universität hat Sasha Meret seit Anfang Mai an seinen Kunstwerken gearbeitet. Nach und nach hat er den Raum mit Gegenständen wie alte Tröge, alte Wollkämme, Messingtürklinken oder Holzräder, wie auch verschiedenartige Metalldosen, Nägel, Schläuche oder Teile von Schaufensterpuppen gefüllt.
Es wurden immer mehr Gegenstände, die er in Kategorien ordnete. Meret arbeitet oft mit alten Gegenständen, welchen die Menschen keine Achtung mehr schenken. Er verbindet sie miteinander, besprüht sie mit goldener Farbe und stellt sie in einen bestimmten Kontext, der ihnen eine neue Dimension und Komplexität, ein neues Leben schenkt und sie, so Meret, „himmlisch“ aussehen lässt. Somit ist eine Metalldose nicht mehr eine Metalldose, sondern wird als Teil eines Ganzen zu etwas Neuem, das seine eigene Energie hat, wie der Kunstschaffende selber erklärt. Merets mehrdeutige Kunstwerke, aber auch deren Titel laden die Zuschauer „zum Erfinden eigener Texte, Drehbücher, Geschichten oder Gedichte ein, die ins Unendliche erweitert werden können. Jedes einzelne Werk bietet eine spektakuläre Geschichte über die zeitgenössische Welt, so wie sie ist ( … ) und über das, was uns noch zu tun übrig bleibt“, so Adrian Lăcătuș.
Kunst als Therapie
Sasha Meret arbeitet schnell und an mehreren Projekten gleichzeitig. Er verbringt viel Zeit in seinem Studio und lässt seinen Ideen freien Lauf, ohne jegliche Erwartung und immer offen und neugierig auf das Resultat. Sein unermüdlicher Gedankengang kreist in Bereichen wie Kunst, Soziales, Wissenschaft, Geschichte und dessen Umsetzen in Kunst, sei diese Bildhauerei, Malerei, Zeichnen, Graphik oder Videokunst, bereiten ihm Spaß und Freude. Diese sind für ihn lebensnotwendig, besonders seit er ab 2003 an Parkinson leidet, weil sie sein Wohlbefinden stimulieren und seine Gelenke nicht versteifen lassen. „Ich habe eine Menge Vorteile vom Parkinson, ich bin gesünder geworden, habe seit 15 Jahren keine Erkältung mehr gehabt, bin meine Allergien los und konzentriere mich auf das wirklich Wesentliche: Kunst und meine Nächsten“ sagt er. Meret freut sich über den somit erreichten positiven Pragmatismus, bzw. die positivierte und gelassene Einstellung gegenüber der Welt, die ihm ein möglichst stressfreies Leben ermöglicht. Für den 62-Jährigen ist die Kunst der einzige Sinn im Leben. Sonst scheine sich die Menschheit auf einem zerstörerischen Pfad zu befinden.
„Kronstadt ist mein“
Werke von Sasha Meret waren schon 2005 und 2010 in Kronstadt ausgestellt. Immer wieder kehrt er gerne zurück in die Zinnenstadt, an die er sentimental gebunden ist. Seine Sommerferien hat er als Kind immer in Brenndorf bei seinen Großeltern verbracht, heute hat er hier Freunde, die er gerne besucht. Mit 32 ist er nach Amerika gezogen und hat dort u.v.a. die Reihe von Kunstwerken „Precious Aggression“ erschaffen, welche erkennbare Objekte wie einen Schädel, einen Stöckelschuh oder ein Buch darstellen, die mit Hunderten nach außen orientierten Reißzwecken, Nägeln oder Spiegeln dekoriert sind. Damit wies er auf die Aggressivität aus Amerika hin. Sein Vorstellungsvermögen vereint europäischen, afrikanischen, asiatischen und esoterischen Symbolismus mit einer zutiefst persönlichen visuellen Ausdrucksweise. Seine Kunstwerke umfassen unterschiedliche künstlerische Angehensweisen und Techniken und werden regelmäßig in Europa, den USA, Japan oder China ausgestellt.
Die Ausstellung “Processions for Vanishing Parts”, die das neu eingeführte Künstlerresidenz-Programm an der Kronstädter Universität eröffnet, kann bis am 17. Juli montags bis freitags zwischen 14 und 19 Uhr besucht werden. Der Eintritt ist kostenlos. Das Projekt ist ein Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen der Transilvania-Universität, dem Verein „Depoul de Art˛ urban˛“ und dem „Vibrate!“-Musikfestival, dessen vierte Edition die Kunstausstellung heuer eröffnet hat.