Farbenrausch und Phantasie

Renate Mildner-Müller und Edith Schlandt stellen ihre gemeinsame Ausstellung vor

Die Schwestern Renate Mildner-Müller und Edith Schlandt eröffneten am 21. Juli ihre erste gemeinsame Ausstellung.

Mittelalterliche Kostüme von Edith Schlandt
Fotos: Hans Butmaloiu

„Atelier“ von Renate Mildner-Müller kombiniert Bild und Schrift Foto: Steffen Schlandt

Für einige Momente taucht man ein in eine andere Welt, umgeben von Phantasiegestalten und Figuren aus längst vergangenen Zeiten, die trotzdem erstaunlich lebendig wirken. Die bunten Zeichnungen auf den Wänden und die mittelalterlichen Kostüme passen chromatisch und stilistisch perfekt zueinander und ergeben ein Ganzes. Es sind die lebendigen Farben, die im Kopf bleiben, lange nachdem man die Ausstellung der beiden Schwestern Renate Mildner-Müller und Edith Schlandt verlässt.

„Vielseitig und facettenreich“ sind die Adjektive, die am besten zur Ausstellung passen. Bei Renate Mildner-Müller ist die Malerei stark an Literatur und Geschichte gebunden, während es bei Edith Schlandt Musik und Tanz sind, die mit den Kostümen Hand in Hand gehen.

Es ist die erste gemeinsame Ausstellung der beiden in Kronstadt/Braşov geborenen Schwestern. „Kalligraphie und figurative Malerei. Renaissance-Kostüme“ kann noch bis zum 10. August im Museum für städtische Zivilisation (Muzeul civilizaţiei urbane), Marktplatz 15 (Ecke Hirschergasse) besucht werden. (Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 10-18 Uhr)

Im Mittelpunkt stehen Figuren

Die beiden Schwestern kommen aus einer künstlerisch begabten Familie. „Unsere Eltern haben schon gemalt, und dann habe ich es auch versucht. Immer standen Figuren im Mittelpunkt meiner Zeichnungen, nie Landschaften. Ich erhielt als Schülerin mehrere Preise und schon sehr früh war mir klar, dass ich Malerei studieren will“, erinnert sich Renate Mildner-Müller.

„Auch während meines Studiums mochte ich es, Figuren zu zeichnen. Ich habe gerne arbeitende Menschen dargestellt, wie zum Beispiel Waldarbeiter in der Bukowina für meine Diplomarbeit“.  
Dem Studium an der staatlichen Akademie für Bildende Künste in Klausenburg folgten zahlreiche Einzel-und Gruppenausstellungen und mehrere Preise für Buchillustration und Grafik.

Bevor sie 1977 nach Deutschland auswanderte, war Mildner-Müller als Illustratorin für verschiedene Verlage tätig. „Ich habe für die Verlage Ion Creangă und Kriterion Bücher illustriert, aber auch bei Zeitungen und Zeitschriften wie Astra, Neuer Weg oder Karpatenrundschau mitgearbeitet. Parallel dazu habe ich Malerei am Honterus-Gymnasium und am Musik- und Kunstlyzeum Kronstadt gelehrt. Der Zeichenunterricht hat mir Spaß gemacht. Aber ich hätte am liebsten keine Noten gegeben. So ein Fach ist viel zu subjektiv“, meint die Künstlerin.

In Deutschland folgten zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen in Städten wie Stuttgart, Mannheim, Nürnberg, Wiesbaden, Frankfurt am Main, Bonn, München, Augsburg, Tübingen oder  Potsdam. Außerdem leitet Mildner-Müller Kurse und Workshops an deutschen Volkshochschulen und auch im Ausland.

Kalligraphie kann auch modern sein

Nach fast 40 Jahren stellt die Malerin wieder in ihrem Heimatland aus. Die Werke, die man im Kronstädter Museum für städtische Zivilisation sehen kann, zeigen eine vielseitige Künstlerin: Neben Aquarell-und Akrylzeichnungen, wo Schrift und Bild eng verbunden sind, kann man Tusche- und Märchenbuch-Illustrationen oder Schriftzeichen und Initialien bewundern. Die Zeichnungen erzählen die Geschichten aus Caragiale-Skizzen oder aus rumänischen Märchen und Sagen, zeigen bunte Vögel und Traumgestalten in einem lebendigen Farbenrausch. „Alle Figuren kommen aus meiner Phantasie“, sagt Mildner-Müller.

Ein wichtiger Teil der Ausstellung ist den Schriftzeichen gewidmet. Auch die beiden Workshops für Kinder, bzw. Erwachsene, die als Rahmenprogramm der Ausstellung angeboten wurden, befassten sich mit  diesemThema. „Die Teilnehmer haben in einer mittelalterlichen Schrift, begründet auf der rumänischen historischen Schrift in Moldau-Klöstern, mit einer Spezialfeder geschrieben. Ich konnte viel Neugier und Interesse sehen, viele haben versprochen, auch zu Hause weiterzumachen. Obwohl die Rede von mittelalterlicher Schrift ist, bin ich der Überzeugung, dass man sehr moderne Kalligraphie machen kann“, meint die Kronstädterin, zu deren Zukunftsplänen auch ein Kalender mit bunten Phantasievögeln gehört.

„Ich brauche Farbe um mich herum“

Während Renate Mildner-Müller sich der Malerei widmete, entdeckte ihre Schwester Edith Schlandt ihre Leidenschaft fürs Nähen. „Es war gegen Ende der neunziger Jahre, als ich mittelalterliche Kostüme für das Jubiläumsjahr der Schwarzen Kirche entworfen habe. Die Idee war, einen mittelalterlichen Tanz zur Musik von Carl Orff vorzustellen. Natürlich brauchten die Tänzer passende Kostüme. Ich hatte Filme und Bücher über diese Zeit angeschaut und gelesen und habe dann die Kostüme aus meiner Phantasie genäht. So stellte ich mir vor, dass man sich im Mittelalter und in der späten Renaissance kleidete. Die jungen Leute haben die Kostüme angezogen und waren begeistert. Es war etwas anderes. Und eins war sicher: ich wollte weitermachen. Gleich danach folgte ein Auftrag aus Deutschland, für 16 Kostüme“, erzählt Edith Schlandt.

„Ohne Musik geht nichts“
 
Sie näht meistens in den kalten Wintermonaten, wenn es draußen dunkel und grau ist. „Ich brauche Farbe um mich herum. Und höre Musik dazu. Viele meinen, dass man viel Geduld braucht, um Kostüme zu nähen. Ich brauche gar keine Geduld, die Freude ist ständig da“. Inzwischen hat die Kronstädterin schon über 100 Kostüme genäht, 60 davon hat sie noch zu Hause.
Für die wunderschönen Kleider verwendet Edith Schlandt alte Stoffe: Samt, Spitze, Wollstoff, Baumwolle und Leinen. Es werden alte Vorhänge und Tischdecken, Teile aus Gürteln oder Anzügen und Schmuck benutzt. Viele Stoffe findet sie auf Flohmärkten. „Wenn man nicht genügend Material für einen Rock oder eine Hose findet, verlängert man es einfach mit einer ähnlichen Farbe. Mit neuen Stoffen kann man nicht nähen“, meint Schlandt. Die Kostüme sind nicht maßgeschneidert.

Alles ist so genäht, dass es zu jedem passt. „Zu diesen Kleidern muss man die korrekte Haltung und die passende Frisur haben“, meint die Kronstädterin, die Kostüme für die Rosenauer Burg und für die Turmwächter am Rathausplatz entworfen hat. „Gerne würde ich Kostüme für das Aufsichtspersonal am Weißen Turm entwerfen. Aber ich kann mir vorstellen, auch moderne Kleider zu nähen. Ich habe den Mut, Neues zu machen. Nur so kommt man weiter“. Edith Schlandt arbeitet nie nach Vorlagen. Alles stammt aus ihrer Phantasie. Die Inspiration nimmt sie immer aus der Musik. Nächstes Jahr würde sie gerne am Rathausplatz eine Modeschau mit mittelalterlichen Kostümen organisieren. Natürlich zu passender Musik. „Ohne Musik geht nichts“, meint sie.