Am Dienstag, dem 4. März, war eine Gruppe von Kursanten der MCC School of Media aus Budapest unter der Leitung des freien Journalisten Boris Kálnoky in Kronstadt zu Besuch. Der fünftägige Lehrausflug, der die jungen Leute am folgenden Tag auch nach Hermannstadt führte, sollte ihnen die siebenbürgisch-sächsische Kultur näherbringen. In der INSPIRATIO-Galerie hatten die Budapester den ganzen Nachmittag die Möglichkeit, fünf Persönlichkeiten der deutschen Gemeinschaft kennenzulernen und mehr über ihre Geschichten, Herausforderungen und die Entwicklung der sächsischen Kultur zu erfahren.
Als Erstes setzte sich Jens Vetter auf den Stuhl neben Kálnoky und vor die Kursantengruppe. Er ist erst vor Kurzem nach Kronstadt gezogen. Durch seine Arbeit beim Strabag-Unternehmen hatte er 2009 in Bukarest seine Frau kennengelernt. Mit ihr besuchte er Kronstadt das erste Mal und war verblüfft: „Die Stadt fühlte sich wie in Deutschland an.“ Aufgrund wachsender Unzufriedenheit über die deutsche Politik- und Gesellschaftsentwicklung wagte er Ende letzten Jahres den großen Schritt – und zog mit seiner Frau nach Kronstadt.
Im Anschluss führte Organist Steffen Schlandt die Gruppe mit Begeisterung durch die Schwarze Kirche. Er erklärte nicht nur die architektonischen Besonderheiten der Kirche, sondern ging auch auf Sitzordnung und Bedeutung der Zünfte ein. Ebenfalls zeigte er den Gästen einen Teil der berühmten Sammlung osmanischer Teppiche, die die Emporen der Kirche schmücken. Für Schlandt ist die Heterogenität und Offenheit der Gemeinschaft essenziell für den Erhalt der sächsischen Kultur: „Es gibt auch Gottesdienste in rumänischer Sprache“, erklärte er, „und immer mehr Menschen besuchen sie.“ Höhepunkt der Führung war ein kurzes Orgelkonzert auf der Repser Orgel – eine der vier Orgeln der Schwarzen Kirche.
Albrecht Klein, Unternehmer und engagierter Kulturerhalter, sprach über die Repressionen, unter denen die sächsische Bevölkerung während des Kommunismus zu leiden hatte. Er erzählte von Enteignungen und wie die Sachsen in den 80ern als regelrechtes „Exportprodukt“ nach Deutschland verkauft wurden. Klein betonte, dass die deutsche Gemeinschaft heute offener sei als vor 50 Jahren, als eine Mischehe mit einem rumänischen Partner noch nicht möglich gewesen wäre.
Hans Prömm erzählte lebendige Geschichten aus seiner Kindheit in einem Dorf nahe Kronstadt. Er beschrieb, wie er damals den gesellschaftlichen Spalt zwischen Sachsen und Rumänen wahrgenommen hat. Deutschland habe er damals als „heiliges Land“ gesehen und davon geträumt, später einmal als Börsenmakler seinen eigenen Mercedes mit Radio zu fahren. Als er als Jugendlicher nach Deutschland auswanderte, stellten sich manche Vorstellungen als wahr, andere jedoch als Wunschdenken heraus. Nach seiner Karriere bei der Bundeswehr und danach in der freien Wirtschaft kehrte er 2019 nach Kronstadt zurück. Obwohl er bei seiner Rückkehr eine tiefe Anziehung verspürt hat, sind heute seine Gefühle gespalten: „Ich fühle mich gefangen zwischen zwei Kräften. Einerseits ist es meine Heimat, andererseits ist es nicht mehr das, was es einmal war.“
Uwe Leonhardt, Geschäftsführer des Kronstädter Forums, sprach über die Bedeutung der kulturellen Projekte, die darauf abzielen, die deutsche Sprache und Kultur zu erhalten und gleichzeitig der rumänischen Bevölkerung näherzubringen. Laut ihm sei Inklusion für den Kulturerhalt besonders wichtig. Leonhardt, der 20 Jahre in Deutschland lebte, kehrte 2017 nach Kronstadt zurück und fühlt sich hier zu Hause. „Deutschland fühlte sich trotz aller Möglichkeiten nie so an wie hier“, sagte er.
Der straffe Zeitplan der Veranstaltung ließ nur wenig Zeit für Pausen übrig. Trotzdem hörten die Kursanten den Erzählungen und den von Kálnoky geführten Interviews gespannt zu. Einige nutzten sogar die kurzen Pausen, um sich noch weiter mit den Interviewten auszutauschen. Es war spürbar, wie sehr den fünf Persönlichkeiten der Erhalt der siebenbürgisch-sächsischen Kultur am Herzen liegt – selbst Jens Vetter, der erst seit Kurzem Teil der Gemeinschaft ist.