Am Mittwoch, dem 29. Januar, fand im Festsaal des Demokratischen Forums der Deutschen in Kronstadt ein Vortrag zur Tafelausstellung „Andreanum 800 Jahre – Recht und Verfassung der Siebenbürger Sachsen“ statt. Die Ausstellung ist dem Andreanum, der Ende 1224 datierten Urkunde, die als grundlegende Rechtsverleihung der Sachsen bekannt ist, gewidmet.
Das Projekt entstand durch das Kulturforum östliches Europa in Zusammenarbeit mit dem Departament für interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Regierung Rumäniens (DRI). Der Text und das Konzept der Ausstellung gehören Dr. Harald Roth, Direktor des Kulturforums östliches Europa unter Mitarbeit von Thomas Șindilariu, Historiker und Unterstaatssekretär im DRI. Sie waren auch die Gastsprecher der Veranstaltung.
Geschichte ist erst dann vergangen, wenn man sie vergisst
Nach den Begrüßungsworten Uwe Leonhardts, des Geschäftsführers des Kronstädter Forums, folgten die Einleitungsworte der beiden Historiker. Dr. Harald Roth punktierte den Beitrag des Kulturforums und erwähnte zur Ausstellung selbst, von der nun nur ein Teil auch nach Kronstadt gekommen ist, dass sie eine der bis jetzt erfolgreichsten des Kulturforums sei. Thomas Șindilariu sagte, dass Geschichte erst dann vergangen ist, wenn man sie vergisst und sprach über die Rolle der Auseinandersetzung mit Geschichte mittels Geschichtsurkunden. Geschichte sei weder Religion, noch Gesetz, sondern das Ergebnis guter Fragen, die man an die Vergangenheit richtet und das Andreanum sei in diesem Licht als eines der wichtigsten Rechtsquellen für das nationale Minderheitenrecht in ganz Südosteuropa einzustufen.
Einige Worte zum Übersetzungsverfahren des Ausstellungtextes sprach Petra Antonia Binder. Sie betonte, die Herausforderung des Übersetzers seien, nicht nur Worte und Inhalt, sondern auch die Absichten der Verfasser richtig wiederzugeben. Die 10 Roll-ups der Ausstellung sind in drei Sprachen (Deutsch, Rumänisch und Englisch) zu lesen.
Als Vorstellungsart des Themas und des Inhalts der Ausstellung wählten die beiden Sprecher eine unkonventionelle Form des Dialogs aus, bei dem sie abwechselnd „der Skeptiker“ und der „fachkundige Historiker“ waren. Die Ideen beider Seiten waren dokumentiert und sorgfältig ausgearbeitet, unterschieden sich durch die Tatsache, dass die Fragestellung des Skeptikers von einer relativ unkonsequenten, vielleicht impulsiven Dokumentation geprägt war, wobei der Historiker eigentlich die Informationen der Ausstellung formulierte und als Autorität in der Runde stand. Die beiden Stimmen ergänzten sich allerdings sehr gut in der Wiedergabe der wichtigsten Fakten aus der Chronologie und Details aus bekannten Ausschnitten der Geschichte wurden verknüpft. Das Leitmotiv war das Ausformulieren der Hintergründe aus der Perspektive der Bedeutung dieses Dokumentes.
Skeptiker vs. fachkundiger Historiker
Darauf vorbeitend nennt der Skeptiker gleich am Anfang das Andreanum ein obskures Privileg aus dem Mittelalter, das nichts mit einer Verfassung gemeinsam habe, somit des Ansehens nicht wert sei. Von der inhaltlich ausgezeichneten Magna Carta beginnt der Historiker seine Argumentation auch im Falle des Andreanums und muss dabei die Überlegungen des Skeptikers immer wieder abklären. Die Beschreibungen der schwierigen Beziehung zum Deutschen Ritterorden, der erfolglosen Initiativen Königs Andreas II., des Mongolensturms, der Nationsuniversität, der Stände im Fürstentum Siebenbürgen und aller darauffolgenden Anhaltspunkte der Geschichte, haben als roten Faden das Andreanum. Unter diesen Anhaltspunkten werden auch folgende besprochen: die Bekräftigung des Andreanums durch Autoritätspersonen bis 1627, die 1691 von Österreich anerkannte Landes- und Religionsverfassung, das Bestehen des politischen Rechtes und der Verwaltungsautonomie bis weit ins 19. Jahrhundert, die Mediascher Anschlusserklärung von 1919 und das politische Wirken der Sachsen durch das Forum bis in die Gegenwart. Alle wichtigen Organisationsformen der Siebenbürger werden vom Andreanum ausgehend und auf das Andreanum zurückführend besprochen. Es wird auch im europäischen Kontext positioniert und als Urquelle der gut dokumentierten Geschichte der Siebenbürger Sachsen bis hin zum Grund des Andauerns des Schulwesens in deutscher Muttersprache gedeutet.
Humorvoll und tiefgründig
Von der Verfassung der Urkunde, durch die wichtigsten Schnittpunkte der Zeit hindurch, wurde die siebenbürgisch-sächsische Geschichte aus der Perspektive dieser Analyse mit einer „Glücksgeschichte der Tüchtigen“ verglichen: einem Zusammenspiel der erlernten, bewahrten und weitergeführten politischen Fähigkeiten, dem geprägten Zusammenhalt des Volkes und der Tatsache, dass an Wendepunkten der Geschichte immer die richtigen Personen an den entscheidenden Hebeln saßen. Interessante Einzelheiten, die nicht so direkt im Ausstellungstext selbst zu finden sind, wurden hervorgehoben. Somit war die Präsentation ein wertvoller Einstieg für diejenigen, die das Thema entdecken, aber auch für diejenigen, die kundiger sind, stets anregend. Die Interpretation der beiden Redner war teilweise humorvoll und anschaulich, andererseits stets bewusst herausfordernd und gezielt tiefgründig. Zum Abschluss wurden Fragen weitläufig beantwortet und man dankte den Partnern: dem Demokratischen Forum der Deutschen in Siebenbürgen, dem Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, den Staatsarchiven Rumäniens, dem Brukenthalmuseum, den historischen Museen in Kronstadt und in Schäßburg, dem Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim am Neckar und dem Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen. Ein Ausstellungskatalog und Faltblätter standen bereit und das Thema wurde noch für eine Weile in Privatgesprächen erweitert.