In diesem Monat erfüllen sich 68 Jahre seit der Deportation zahlreicher Siebenbürger Sachsen, Banater Schwaben und anderer Rumäniendeutschen in sowjetische Arbeitslager. Erst nach dem Sturz des kommunistischen Regimes konnte offen über dieses Unrecht und das damit verbundene Leid gesprochen werden für das bekanntlich nach der Wende seitens des rumänischen Staates auch ein Rentenzuschuss für jedes Jahr Deportation gezahlt wird.
Die ehemaligen Deportieren werden immer weniger.Genau so auch jene, die als Soldaten in Kriegsgefangenschaft gerieten. Über diese Gefangenen ist weniger berichtet worden, wahrscheinlich auch weil eine Deportation aufgrund der Volkszugehörigkeit ein Verbrechen nach dem sogenannten Prinzip der kollektiven Schuld darstellt, während mit einer Kriegsgefangenschaft jeder Soldat rechnen muss, sozusagen als Teil der Kriegsregeln.
Martin Feifer ist einer der letzten überlebenden Siebenbürger Sachsen der von viereinhalb Jahren russischer Kriegsgefangenschaft berichten kann. Das tat der heute 87-jährige in Seiburg/Jibert lebende Witwer für uns per Telefon. Trotz mehrerer Schicksalsschläge – außer Krieg und Gefangenschaft kam 1956 in Folge eines Arbeitsunfalls auch die Amputation des rechten Unterschenkels hinzu – hat der hochbetagte und auch auf Betreuung angewiesene Rentner seinen Glauben nicht verloren und ist froh, dass Gott ihm auch den Eintritt ins neue Jahr geschenkt hat.
1943, also knapp großjährig, hat der in Rode (rum. Zagăr), Kreis Muresch, geborene Martin Feifer wie sehr viele seiner sächsischen Landsleute aus diesen Jahrgängen die deutsche Soldatenuniform angezogen. Einsätzen in Kroatien und nachher in Russland folgten, beginnend mit Juli 1944, die Jahre der Kriegsgefangenschaft.
Im Krieg hieß es, erinnert sich Kriegsveteran Feifer, „Heute rot, morgen tot“ – ein altes Sprichwort dessen ursprünglicher Sinn eben besagt, dass der Tod sehr plötzlich und unvorhergesehen, vor allem auf dem Schlachtfeld, eintreten kann. In der Gefangenschaft hieß es, jeder helfe sich wie er kann.
„Was wir gekriegt haben, mit dem musste man auskommen“, sagt Martin Feifer. Das war z.B. die Brotration pro Tag – 200 Gramm. Es hing dann von jedem Einzelnen ab, wie er zurecht kam. Manche tauschten Brot gegen Tabak – Feifer, sein ganzes Leben konsequenter Nichtraucher, kannte nicht diese Versuchung. Soldaten waren von ihren Offizieren getrennt. Letztere mussten nicht arbeiten und hatten auch ihre eigene Küche. Der Kontakt zur Außenwelt war für die Gefangenen unmöglich. Keine Korrespondenz, keine Pakete, keine Presse. Nur, gegen Ende der Gefangenschaft, eine Postkarte via Rotes Kreuz.
Der Arbeitseinsatz war verschieden – in Estland zunächst leichtere Aufbauarbeit an einer Papierfabrik; später in Russland Arbeit im Bergwerk und dann, an einem anderen Standort, an einem Staudamm im Gebirge (in der Nähe der Ortschaft Adler, nahe von Sotschi am Schwarzen Meer).
Für Feifer endete die Gefangenschaft am vorletzten Tag des Jahres 1948 in Bukarest, wo er drei Monate vorher angekommen war und diese Zeit als Strafarbeiter verbrachte.
Erst später erfuhr er einiges vom Schicksal seiner Eltern: Flucht vor der Roten Armee, nachher Rückkehr in die Heimat, Enteignung und Tod. 1949 war Feifer Dienstknecht in Cund denn er musste sich seine Existenz praktisch von Null aufbauen – nicht einmal eigene Kleider besaß er. Als Schlosser arbeitete er später in Bukarest. Es folgte erneut Militärzeit – diesmal als Arbeiter in Soldatenuniform bei der rumänischen Armee.
In Kronstadt, in den frühen 50er Jahren lernte er Katharina Flagner kennen. 1953 heirateten sie; drei Jahre später ereignete sich der Arbeitsunfall. Der junge Mann (damals 31) konnte nicht mehr arbeiten aber auch nicht untätig in Kronstadt bleiben, sodass das Ehepaar sich entschloss, zu Martins Schwiegereltern nach Seiburg umzuziehen. Dort war die Gründung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft noch nicht vollzogen, aber die schweren Zeiten hatten auch die Seiburger nicht verschont. Katharina Flagner wie auch ihr Vater und ihr Bruder hatten die Deportation auch mitmachen müssen.
Unter diesen Umständen kommt die Frage auf: Wäre das Auswandern als das möglich wurde, nicht der Weg zu einem besseren Leben gewesen? Martin Feifer hat nie daran gedacht und sagt uns telefonisch auch warum: Mit den Jahren der Gefangenschaft habe er genug gehabt. Nie habe er seine Herkunft verleugnet. In Deutschland hatte er keine näheren Verwandten (ein Bruder lebt heute in Rode), die Ehe blieb kinderlos. Warum sollte er, nachdem er Krieg und Gefangenschaft überstanden hatte, ein neues Abenteuer beginnen, wenn hier sein Zuhause war?