Es gibt kaum einen Kronstädter, der nicht von Amural gehört hat. Jedes Jahr Anfang September wird beim ersten Festival für zeitgenössische bildende Kunst, das in Rumänien organisiert wird, mit Hilfe von Video-Mapping die Architektur der Stadt zum Leben erweckt. Hinter AMURAL steckt auch Carmen Zmaranda. Zusammen mit ihren Freunden hat sie das vielleicht bekannteste Kronstädter Festival vor drei Jahren ins Leben gerufen. Seit Dezember 2017 arbeitet Carmen auch als Kulturmanager beim Deutschen Kulturzentrum Kronstadt. Die 33-Jährige wurde in Ploiești geboren und ist seit 2003 Kronstädterin. Sie hat in der Stadt unter der Zinne Philologie (Rumänisch-Englisch) studiert. “Ich kann nicht Ski fahren, ich kann nicht kochen. Aber in meiner Freizeit habe ich viel Freiwilligenarbeit bei Festivals geleistet, bis wir unser eigenes organisieren konnten”. Ihre Zeit verbringt sie mit dem Deutschen Kulturzentrum, Amural, Visssual ( ein neues Zentrum für moderne Kunst, das in einer ehemaligen Halle der Schuhfabrik Timpuri Noi entstanden ist), woodoo (eine kleine Werkstatt, wo sie zusammen mit ihrem Freund Objekte aus Holz bastelt) und ihren vier Katzen. Über die Herausforderungen des Kulturmanager-Jobs, aber auch über das kreative Potential der Stadt, das Publikum und die deutschen Künstler, die in Kronstadt zu Gast sein werden sprach mit Carmen Zmaranda KR-Redakteurin Elise Wilk.
Was hat dich motiviert, dich für den Kulturmanager-Posten beim Deutschen Kulturzentrum Kronstadt zu bewerben?
Der Beginn meiner Mitarbeit im Deutschen Kulturzentrum war das Resultat einer Serie von glücklichen Zufällen, von der Kündigung des ehemaligen Jobs und dem Beschluss, einen Job im Kulturmanagement zu suchen, um anzuwenden, was ich bei Amural gelernt habe. Es gab schon immer eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Kulturzentrum und Amural, mit der Leiterin Roxana Florescu war ich von Anfang an auf derselben Wellenlänge. Also kann ich nur glücklich sein, dass ich hier arbeite.
Welches ist die größte Herausforderung dieses Jobs, nach sechs Monaten, die du schon beim Kulturzentrum verbracht hast?
Der Kreativität werden eigentlich keine Grenzen gesetzt. Der einzige Bereich, an dem es Grenzen gibt ist das Budget für die Kulturveranstaltungen. Die Herausforderung ist, das Budget anzupassen und die Events aus dem Jahreskalender richtig zusammenzustellen, aber ich glaube, das ist etwas, das allen Kulturmanager aus allen NGOs und Kulturvereinen zu schaffen gibt.
Du bringst langjährige Erfahrung im Kulturmanagement mit. Unter anderen bist du Organisator von AMURAL, eine der wenigen Kronstädter Kulturveranstaltungen, die Resonanz auf nationaler Ebene haben. Weshalb glaubst du, dass wir in Kronstadt so wenige Kulturevents haben, die wirklich wichtig sind?
Ich glaube, das ist der Effekt der Tatsache, dass kreative Menschen in ihrem Schaffen über-haupt nicht von der Stadt unterstützt werden. Man kann noch dazu sagen, dass es hier keine Kunsthochschulen gibt und auch keine Absicht, welche zu gründen und diese Lücken zu füllen. Die Effekte dieser Lücken widerspiegeln sich auf mehreren Ebenen: ein prekäres Angebot und eine prekäre Nachfrage an Kulturevents, ein Exodus der Kreativen in andere Städte, das Verpassen des touristischen Potentials der Stadt und die Liste kann weitergeführt werden.
Was fehlt deiner Meinung nach in der Kronstädter Kulturlandschaft?
Vielleicht ein gut organisiertes Filmfestival, ein tolles Musikevent, aber wer soll diese organisieren, wenn wir nicht in kulturelle Bildung investieren?
In der Kulturarbeit ähnelt kein Tag dem anderen. Gibt es einen Tag, den du nie vergessen wirst?
Ein sehr schöner Tag war anlässlich einer Theatervorstellung für Kinder, bei uns zu Gast war der Schauspieler Lothar Lemp mit seiner Vorstellung “Mama Muh und der Kletterbaum. Am Tag vor der Aufführung haben wir zusammen das Bühnenbild aufgestellt und uns über Theater, Festivals, Musik und Kaleidoskope unterhalten. Am Abend sind wir dann nach dem Regen durch Kronstadt spazieren gegangen. Es ist eine schöne Seite des Jobs, dass man so viele neue Menschen kennenlernt.
Was für Events bereitet ihr für die nächste Zeitspanne vor?
Zu Jahresanfang haben wir versucht, einen ausgewogenen Kalender zu haben, mit je einer Veranstaltung pro Monat. Wenn du mich fragst, weiss ich nicht einmal wie diese sechs Monate vergangen sind. Es folgen ein Konzert mit der Band B.B. & The Blues Shacks am 23. Juni, eine Künstlerresidenz, bei der ein Fotograf aus Deutschland anwesend sein wird, der mit anderen Künstlern aus der Schweiz, Frankreich und Nordkorea zusammenarbeiten wird, mehrere darstellende Künstler, die die Liste der Amural-Gäste ergänzen und nicht an letzter Stelle die zweite Auflage von „perform(d)ance – Tage des Zeitgenössischen Tanzes in Kronstadt ”.
Welche Kategorie von Publikum versucht ihr in den nächsten Jahren zu gewinnen?
So wie ich früher erwähnt habe, versuchen wir, alle Zielgruppen anzusprechen- Kinder, Filmliebhaber, Fans von performativen Künsten oder Leute, die an experimentellen Kunstformen interessiert sind. Dabei vermitteln wir ein aktuelles Deutschlandbild und stellen dem Kronstädter Publikum deutsche Künstler vor. Ich glaube jedoch, dass wir in Zukunft unseren Schwerpunkt auf Jugendliche und Studenten- also auf das junge Publikum- setzen sollten. Der Kontakt mit Veranstaltungen guter Qualität kann die nächsten Generationen positiv beeinflußen.
Welchen deutschen Künstler würdest du unbedingt nach Kronstadt einladen?
Ich würde sagen Robert Henke (entweder mit einer verrückten Licht-Installation, oder mit dem musikalischen Projekt Monolake). Ich sage nur deshalb nicht “Kraftwerk”, weil wir erstens keinen Raum dafür haben und zweitens, weil ich sie schon in Bukarest gesehen habe.
Liebe Carmen, wir danken für das Interview und wünschen weiterhin viel Erfolg!