Seit man auch in die Altersgruppe 50+ gehört, unternehmen meine beiden Freundinnen und ich gerne kleinere oder größere Reisen zusammen. Als Alleinreisende kann man zwar auch einiges erleben, aber zu zweit oder zu dritt ist die Reise erst richtig genussvoll und spaßig. Das haben wir bereits in Paris, Prag und Budapest ausprobiert. Nun ist Istanbul, die Hohe Pforte zum osmanischen Reich, dran. Am Ende meiner unterrichtsfreien Zeit, vom 26. bis zum 30. September, verweilen wir in der Stadt der Sultane und ihrer Haremsdamen.
Ankunft in Istanbul
Das Internet hatte uns für das ausgesuchte verlängerte Wochenende, das wir in Istanbul verbringen wollten, überwiegend gutes Wetter prophezeit: Samstag und Sonntag vorübergehend kurze Regenschauer, sonst nur leicht bewölkter Himmel, hieß es, Montag und Dienstag sollte es dann sonnig sein bei Temperaturen bis zu 24-25 Grad. Als vorsichtige und wettererfahrene Siebenbürgerinnen haben meine Freundinnen und ich Regenjacken eingepackt, zumal wir daran dachten, eine Kreuzfahrt auf dem Bosporus zu unternehmen, während der der herbe Fahrtwind uns sicher frisch um die Ohren pfeifen würde.
Istanbul empfing uns am Abend unserer Ankunft mit heftigem Regen. In der T1-Straßenbahn in Richtung Sultanahmet mussten wir unsere Regenjacken hervorholen. Einmal in der Altstadt ausgestiegen, marschierten wir durch den Regen auf der Suche nach unserm Hotel: Das Megara liegt in der Mitte einer abschüssigen Straße, die nach unten direkt zum Marmarameer und nach oben auf den Platz just vor dem Topkapi, dem Sultanspalast, führt. Wie von Zauberhand oder gar dem Geist aus Aladins Lampe geführt, finden wir den Weg: Er führt zwischen der Blauen Moschee und der Hagia Sophia über einen weiten Platz hindurch, an einer „çe{me“, einem Brunnen vorbei und dann die Palastmauer entlang zum Meer hinunter.
Und es spielt keine Rolle, dass wir bereits nach wenigen Schritten triefend nass sind. Im Hotel werden wir überschwänglich begrüßt und in ein viel zu enges Zimmer gebracht, das wir am nächsten Morgen mit einem entsprechend zweigeteilten Dreibettzimmer eintauschen dürfen. Am Abend der Ankunft gestatten wir uns unser erstes türkisches Essen im kleinen Dachrestaurant des Hotels: Oliven und Humus (orientalische Spezialität – Anm.d.Red.) als Vorspeise, gefolgt von gegrillter Makrele, dazu einem erfrischend schmackhaften Salat mit viel Petersilienlaub und Zitronensaft abgeschmeckt. Wir trinken Raki und etwas Weißwein. Danach noch ein erster, sehr kurzer Spaziergang ans Meer, das wir als dunkel ruhendes, Geheimnis umwobenes Lebewesen jenseits der noch sehr befahrenen Fahrbahn wahrnehmen.
Staunend im Regen
Der erste Tag beginnt mit dem Morgengebet des Imam. Fünfmal erschallt sein Gebet im Verlauf des Tages, es gestaltet sich zu einem Wechselgesang, der von Moschee zu Moschee durch die Lüfte schwebt und die Riesenstadt und deren Menschen für einige Minuten in demütige Andacht und weihevolles Erstaunen hüllt. Der erste Ruf ertönt mit dem Aufgehen der Sonne, ihr Stand ist es, die den Beginn des Gebets bestimmt, so dass mit jedem Tag eine geringfügige Verschiebung stattfindet. Wir gewöhnen uns sehr schnell an diese Momente und finden sie ebenso wohltuend wie befremdlich..
Nach dem Frühstück – es besteht vorwiegend aus grünen und schwarzen Oliven, die leicht mit Zitronensaft beträufelt wurden, aus unterschiedlichen Sorten von Käse, vergleichbar mit der rumänischen „Telemea“, etwas herber und würziger, wie wir meinen, aus Obst, Tomatenscheiben und zum Schluss aus etwas türkischem Honig, Halva oder anderes Süßgebäck – wollen wir uns gleich auf den Weg machen. Uns stehen einige Besichtigungen bevor. Wir entscheiden uns als erstes die Blaue Moschee zu besichtigen. Von außen mutet sie wie eine Festung und Wehrburg an. Der Innenhof allerdings offenbart uns einen ganz anderen Blick auf das Bauwerk, das von sechs Minaretten umgeben ist, als würden unsichtbare Janitscharen ihre Lanzen gen Himmel strecken. Touristen müssen einen anderen Eingang nutzen als die gläubigen Moslems. Man muss anstehen, um überhaupt den Eingang zu erreichen, die wartende Menge ist nicht gerade gering. Wir stellen uns ganz brav ans Ende der Schlange und rücken langsam aber beharrlich dem Eingang entgegen.
Viele Asiaten, Kirgisen, Mongolen, Japaner und Chinesen, Angehörige arabischer Völker, aber auch Westeuropäer, hauptsächlich Spanier und Portugiesen, und Nordamerikaner stehen vor und hinter uns in der Warteschlange. Ganz wenige Deutsche beobachten wir, hin und wieder hören wir jemand rumänisch sprechen. „Shame on you! Shame in you!“ brüllt plötzlich ein Mann hinter uns und klatscht dabei rhythmisch in die Hände, so dass auch andere in seinen höhnischen Sprechgesang einfallen: Ein paar Besucher von Übersee haben sich in der Schlange vorgedrängt und werden auf diese Weise zurechtgewiesen und eines Besseren belehrt! Wie gut, dass wir Osteuropäer eine jahrelange Übung im Schlange-Stehen erworben haben! So ist uns eine solche Schande an geweihtem Ort erspart geblieben.
(Fortsetzung folgt)