Nach einer längeren Unterbrechung war für den 11. Oktober im Festsaal des Kronstädter Deutschen Forums erneut eine Vortragsveranstaltung des Kreisforums (diesmal in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum) angekündigt worden. Das Thema und die Namen der beiden Vortragenden (Wolfgang Wittstock und Dr. Radu Popica, Direktor des Kunstmuseums Kronstadt) scheinen das Interesse eines breiten Publikums geweckt zu haben, denn im Festsaal gab es keine leeren Stühle. Es ging um die Geschichte der Auffindung und der Rückkehr von Karl Hübners Gemälde „Der Studentenhügel“ und um die Schlacht bei Marienburg vom 16. Oktober 1612 als Thema in der Kronstädter bildenden Kunst. Erstmals nach vielen Jahrzehnten wurde Hübners Ölgemälde mit den kampfbereiten Kronstädter Studenten (eigentlich Schüler des Honterusgymnasiums) wieder in der Öffentlichkeit ausgestellt. Ihm zur Seite wurde ein zweites Bild („Honterusfest“) von Karl Hübner ausgestellt, ungefähr zeitgleich, 1937-1938, mit dem „Studentenhügel“ entstanden – ein Bild, das als Leihgabe der Familie Hübner im Kronstädter Forum seinen Platz gefunden hat.
Auf Deutsch und Rumänisch (die Veranstaltung war zweisprachig gedacht) schilderte der Journalist Wolfgang Wittstock die spannende Geschichte aus jüngster Zeit des Bildes, das an die Schlacht in Marienburg erinnert. Es wurden mehrere Namen erwähnt von Leuten, die dabei eine Rolle gespielt haben – aber die Hauptperson dieser „Odyssee“ bleibt Wittstock, der da, nicht zum ersten Mal, in die Rolle eines „Kulturdetektivs“ geschlüpft ist, wie er selber zugab. Unter den wenigen Zuhörern, die das Bild nicht nur als Abbildung, sondern bereits als solches vor Augen gehabt hatten, war auch Werner Lehni anwesend. Er war es, der sich für den Verbleib dieses Gemäldes vor rund fünfzehn Jahren interessierte. 1972 war in unserer Zeitung ein Beitrag von M. Weisskircher (alias Michael Kroner) erschienen, illustriert mit einer Schwarz-Weiß-Abbildung des Bildes. Lehni konnte sich erinnern, es als junger Mann anlässlich eines Vortrags des Geschichtslehrers Franz von Killyen in der Sakristei der Schwarzen Kirche gesehen zu haben. Lehnis Frage blieb zunächst unbeantwortet. Seitens der Familie (Schwiegertochter Dagmar Hübner und die Witwe des Malers, Erika Hübner-Barth) erhielt Wittstock keine weiterführenden Hinweise. Allerdings wurde auf dem Dachboden des Hauses der Familie Hübner „Das Honterusfest“ wiedergefunden. Erst später, durch Nachfragen in Deutschland und mit Hilfe von Konrad Klein (Gauting) und dem aus Marienburg stammenden Fotografen Hans Mendgen, stellte sich für Wittstock heraus, dass das Bild 1979-1980 von dem Maler an Kurt Stephani verkauft worden war. Dieser hatte es auf riskante Weise (ohne Rahmen, in einem Wohnwagen versteckt) in die Bundesrepublik Deutschland mitgenommen. Das Bild wurde später von der Heimatortsgemeinschaft Marienburg erworben, die es eigentlich in Gundelsheim zur Aufbewahrung lassen wollte. Das hat nicht geklappt, und da schaltete sich, im Herbst 2021, unter Vermittlung von Karl-Heinz Brenndörfer, erfolgreich Wolfgang Wittstock ein und kaufte das Gemälde. Brenndörfer half auch bei der fachmännischen Verpackung des Gemäldes, für dessen Rücktransport Gerhard Barthelmie aus Heldsdorf einsprang. So endete die Rückführung dieses Bildes in die Heimat, eine Aktion, für die Dr. Popica anschließend Wittstock seinen Dank und Anerkennung aussprach. Wittstock als Hauptgestalt dieser langjährigen und verwinkelten Geschichte dankte allen Mitbeteiligten und erinnerte daran, wie wichtig und richtig der Entschluss der zeitweiligen Besitzer von Hübners Bild war, danach zu trachten, dieses „in sächsischen Händen“ aufbewahrt zu wissen. Das Bild gelangt nun als Leihgabe aufgrund eines Vertrags in den Besitz des Nationalkollegs Johannes Honterus. Es soll da, wie in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre, als Anschauungsmaterial dienen, wenn an die in der Schlacht bei Marienburg gefallenen 39 Gymnasiasten erinnert wird.
Museumsdirektor Popica stellte Hübners Gemälde mit dem Blick des Experten vor und unterstrich den mutigen Entschluss des Künstlers, sich mit diesem Bild an die Darstellung einer dynamischen Szene, wie jedes Schlachtenbild es ist, heranzuwagen, obwohl er vor allem für das Malen von statischen Szenen bekannt war, wie zum Beispiel das Gemälde mit den Teilnehmern am Honterusfest. Radu Popica, dessen Doktorarbeit Kronstadt als Zentrum der bildenden Kunst im 19. und 20. Jahrhundert behandelt und demnächst als Band erscheinen wird, stellte auch ein weiteres Bild zur Marienburger Schlacht vor, das Anton Fiala wahrscheinlich vor dem Revolutionsjahr 1848 gemalt hatte. Von Michael Weiß, dargestellt in historischen Porträts, von der von seinen Zeitgenossen ihm gewidmete Gedenkmünze sowie von dem 1913 eingeweihten Studentendenkmal in Marienburg handelte die abschließenden PowerPoint-Präsentation von Wolfgang Wittstock, die, wie auch die gesamte Veranstaltung, von einem dankbaren und aufmerksamen Publikum mit reichem Beifall belohnt wurde.