Obwohl Kronstadt als eine fortschrittliche Stadt gilt, die in Bereichen wie Erziehung und Bildung einiges zu bieten hat, wurde in der zweiten Maiwoche dieses Jahres ohne Weiteres ein den Kindern gewidmetes Erziehungszentrum der Kreisbibliothek geschlossen. Was angeblich als eine Umsiedlung beabsichtigt war, sah vorerst wie ein Auflösungsversuch aus. Alles sollte auf andere Zweigstellen aufgeteilt werden, oder in Kisten verstaut und gelagert werden. Nach einem Protest der Kronstädter sucht man jetzt nach Lösungen.
Leseförderung ist wichtig
Ein wichtiger Katalysator der Leseförderung sind in Kronstadt die Programme der Kinderbibliothek in der Bahnstraße Nr. 6, die 6. Filiale der Kronstädter Kreisbi- bliothek, die einzigartig ist. Unter dem Namen „Juc˛rioteca“ oder „Exzellenzzentrum“ bekannt, hat dieses Zentrum in den 23 Jahren Tätigkeit ein konstantes, kostenloses Angebot an Erziehungsprogrammen. Allein in den Wochen vor Ostern dieses Jahres besuchten etwa 17 Schul- und/oder Kindergartengruppen das Zentrum. Es wird mit den Kindern gelesen, diskutiert, gebastelt, gespielt. Jeden Donnerstag gibt es Lesenachmittag und zwei Angestellte stehen den Kindern und deren Begleitern während der Woche acht Stunden pro Tag zur Verfügung. Man braucht nicht auch die einzelnen, im Durchschnitt etwa 50 Personen, die täglich die Bibliothek besuchen, hinzuzählen, um festzustellen, dass das Zentrum beliebt und ein aktiver Bestandteil der Erziehung so vieler Generationen ist. Es gibt hier, auf etwa 450 Quadratmetern , etwa 55.000 Bände auf Rumänisch, Englisch, Deutsch, Französisch und Ungarisch. Auf Themen und Alterskategorien aufgeteilt, wird der Bücherbestand periodisch aufgefrischt, was dazu beiträgt, dass man die beliebtesten, wichtigsten und modernsten Bücher hier kostenlos ausleihen kann. Dazu gibt es stets freundliches, begabtes und engagiertes Personal, das weiß, wie man die kindgerechten Räumlichkeiten als Einladung zum Entdecken und Spielen gestalten kann, so dass Kinder stets wiederkommen.
Schließung war früher beabsichtigt
Ein Beschluss des Kreisrates vom 30. April sieht allerdings einstimmig vor, dass bis zum 30. Mai alles geräumt werden soll, so dass einige Büros des DGASPC (Generaldirektion für Sozialdienste und Kinderschutz), die bis jetzt in einem anderen Gebäude, in der Apulum-Straße Nr. 1-3 unterbracht waren, hier einziehen können.Wie man in der Darlegung, die den Beschluss begleitet, lesen kann, hat das DGASPC selbst dies beantragt – und nicht ohne nachvollziehbaren Recht auf Anspruch; Denn die Kinderbibliothek ist eigentlich in Räumlichkeiten in Betrieb, die direkt im Hof und neben dem Hauptgebäude des DGASPC sind. Somit wollte das DGASPC alle Büros an einem einzigen Sitz haben und die Personen, die das Begleitschreiben erstellten, nannten auch die rechtlichen Bestimmungen, die so einen Anspruch nicht hindern.
Die wenigen Büros des DGASPC in der Apulum-Straße arbeiten in einem Gebäude, das der Evangelischen Kirche A. B. Kronstadt gehört und der Kreisrat zahlt (erst) seit drei Jahren für diese Räumlichkeiten Miete. Weil der aktuelle Mietvertrag Ende Juni dieses Jahres abläuft, sollte eine Verlängerung zwischen Honterusgemeinde und DGASPC verhandelt werden.
Der Kreisrat hat aber die Rochade beschlossen, noch bevor die Honterusgemeinde den Entwurf der Verlängerung überhaupt eingereicht hat. Der Beschluss des Kreisrates ist Ende April (28.04.) formuliert, aber die Begründungs- und Genehmigungsschreiben dafür sind schon am 10. April entstanden, wobei die Evangelische Kirche erst am 6. Mai einen Vorschlag eingereicht hat. Das zeugt davon, dass der Kreisrat die Schließung der Kinderbibliothek schon vorher beabsichtigt hatte.
Das DGASPC gibt im Schreiben als Grund für die Förderung den Ablauf des Vertrages mit der Honterusgemeinde Ende Juni 2025 an. Der Text deutet aber an, dass die Kirchengemeinde den Vertrag nicht mehr hätte verlängern wollen, was eigentlich nicht der Wahrheit entspricht.
Mit dieser Tatsache konfrontiert, argumentieren die zuständigen Personen der Kreisverwaltung: „Es wurde nicht über die Schließung dieses Zentrums abgestimmt, die Entscheidung bestand lediglich darin, ihm die Verwaltungsrechte zu entziehen.“ Auch meinten sie, dass die Kirchengemeinde unrealistische Summen beantragen würde, wobei die von ihnen genannten Summen, die dann in der Lokalpresse erschienen, auch nicht der Wahrheit entsprechen. Dazu erklärten einige Mitglieder des Kreisrates, die nun zu einer öffentlichen Debatte mit allen Beteiligten einladen würden, dass ihnen nicht alle Sachverhalte erklärt wurden, als man ihnen verlangte, abzustimmen. Den Beschluss des Kreisrates kann man allerdings seit dem 14. Mai nicht mehr online auf der Website der Institution finden. Das DGASPC hat der Kirchengemeinde bis jetzt nicht auf den Preisvorschlag geantwortet, aber die lokalen Medien schreiben von der Kirche, „die ihre Gelder zu zählen versteht“ (siehe Bun˛ ziua, Bra{ov vom 15. Mai – hier wurden Berechnungen gemacht, die weit hergeholt scheinen. Angeblich ist die von der Kirche verlangte Summe etwa 4200 Euro/ Monat, also mehr als das Doppelte der Kosten die die Handelskammer für den gesamten Hauptsitz der Kreisbibliothek auf der Postwiese, 7400 Euro/ Monat, verlangt).
Kurz darauf veröffentlichte die Lokalpresse auch eine Richtigstellung der Honterusgemeinde: „Für das erste Jahr wurde die Inflation berücksichtigt und eine minimale Erhöhung der Miete berechnet, die sich auf ca. 1000,- Lei/Monat gegenüber der derzeitigen Miete beläuft, und zwar für eine großzügige Fläche von 540 Quadratmetern, wobei das Pförtnerhäuschen, der Hof mit den Parkplätzen für die Angestellten und zwei Parkplätze für Versehrte von der Miete ausgenommen sind. Die vorgeschlagene Durchschnittsmiete entspricht nicht der in der Presse genannten Erhöhung um 50 %. ... Der Vorschlag der Kirchengemeinde, den Mietvertrag zu verlängern, sowie seine einzelnen Bestimmungen können daher nicht als Begründung für die oben genannten Beschlüsse der Behörden herangezogen werden.“
Die Kronstädter reagieren
Richtig wäre es gewesen, erst einen anderen Ort für die Kinderbibliothek zu finden, bevor man die Umsiedlung des DGASPC genehmigt. Darüber waren sich alle Bürger, die davon informiert wurden, einig: Wenn der Kreisrat gewusst hat, dass er der Kirche keine Miete mehr zahlen will, warum hat er nicht vor drei Jahren angefangen, einen besseren Platz für die Bibliothek zu suchen? Wie konnte so etwas von heute auf morgen beschlossen werden? Warum haben die Bürger kein Bestimmungsrecht, insofern es sich um Dienstleistungen handelt, und die Verwaltung kein Recht hat, Dienstleistungen so einfach aufzulösen?
Es gab am 15. Mai Proteste der Kronstädter vor dem Sitz des Kreisrates und eine Online-Petition hatte über 3000 Unterschriften an einem einzigen Tag gesammelt. Die Behörden versprachen erst im Licht der Unzufriedenheiten, die Schließung nun auf den Tag zu verlegen, an dem ein anderer, gerechter Sitz für die Bibliothek bereitsteht. Der Direktor der Kreisbibliothek wurde beauftragt und bekam die Vollmacht, einen solchen Ort ausfindig zu machen, und vom Kreisrat her wurde ein möglicher Ort genannt – das ehemalige Agrement-Zentrum unter der Zinne, das vorläufig geschlossen und dringend renovierungsbedürftig ist (trotz herangezogener Fördermittel wurde hier noch nicht mit den Sanierungsarbeiten begonnen). Vorläufig warten die Kronstädter auf eine Lösung. Doch bis diese gefunden wird, bleibt die Kinderbibliothek geschlossen.