Legenden aus dem Land der Feen 

Ein Animationsstudio aus Odorhellen fördert den Lokaltourismus durch Zeichentrickfilme

Szabolcs Fazakas zeigt anhand der zeichnerischen Umsetzung des Drehbuches (Storyboard) eine der nächsten Episoden des Trickfilms über die Geschwister Zete und Rika.

Vor langer Zeit, als es noch kein Netflix und keine Smartphones gab, saßen die Leute  an den langen Winterabenden vor dem Kamin und erzählten sich Geschichten. Etwa von einem riesigen Monster, das auf dem Grund eines Sees lebt. Oder von einem Bauern, dessen jüngste Tochter unter einem Apfelbaum einen goldenen Schlüssel entdeckt. Heute sitzen die Leute nicht mehr vor dem Kamin, sondern vor dem Bildschirm. Das Bedürfnis,  Geschichten zu erzählen wird jedoch immer existieren, obwohl die Art und Weise, wie diese Geschichten überliefert werden, ganz verschieden ist von der Art vor 50 oder vor 100 Jahren. Außerdem kommt man durch das Internet mit viel mehr Geschichten in Kontakt als früher. Trotzdem müssen die Legenden weiterleben und von einer  Generation zur anderen übertragen werden, denn sie sind Teil der Identität eines Volkes. Das haben die Leute vom Animationsstudio „Legendarium“ in Odorhellen eingesehen. Seit 13 Jahren  arbeiten sie daran, den Kindern die Legenden aus dem Szeklerland durch Zeichentrickfilme nahe zu bringen. Das gelingt ihnen. Und das macht Spaß. 

Der Wunderbaum und der Teufel aus dem Storyboard 

Legendarium, das erste Animationsstudio im Szeklerland, wurde 2012 gegründet. Heute arbeiten etwa 20 Leute hier. Im kleinen Studio, das zwei Zimmer umfasst, sind die Wände voller Storyboards. Das ist die zeichnerische Version des Drehbuchs für die nächste Folge des Zeichentrickfilms „Legendarium“. Darauf kann man eine Gestalt sehen, die der Figur „Shreck“ stark ähnelt. „Das ist der Teufel“, erzählt Szabolcz Fazakas lachend. „Legendarium“ geht schon in die zweite Staffel. Die Animationsserie erzählt die Geschichte eines Wunderbaums, der sich im Garten eines Großvaters aus dem Szeklerland, dem Land der Feen,  befindet. Der Baum, der Märchen erzählen kann, ist ein Tor zu einer anderen Welt.  Und er bietet den beiden Geschwistern Rika und Zete Schutz vor bösen Gestalten wie der Teufel. Eine Folge mit Abenteuern von Rika und Zete dauert etwa 10 Minuten. In dieser Zeit wird nicht nur eine spannende Geschichte erzählt, es werden auch Ortschaften aus dem Szeklerland beschrieben. 

„Das Legendarium-Studio begann seine Tätigkeit als bürgerliche Initiative mit dem Ziel, den geistigen Schatz des Szeklerlandes zu sammeln und Kindern auf unterhaltsame Weise zu präsentieren: die Volkslegenden.  Unsere ersten Produkte waren eine Landkarte und ein Buch mit 150 Legenden aus der Gegend. Um Leser unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Bedürfnisse zu befriedigen, versuchten wir, unsere Publikationen so vielfältig und lesefreundlich wie möglich zu gestalten: Hörbücher, Malbücher, Ausmal-Cartoons, lustige Kreativspiele und schließ-lich das erste Animationsstudio im Szeklerland“, meint sich der Gründer Szabolcz Fazakas. 

Seine Augen glänzen auf eine gewisse Weise, wenn er von den Anfängen des Studios erzählt. Es ist der Glanz in den Augen der Menschen, die ihren Kindheitstraum verwirklicht haben. Fazakas war schon als Kind von den Legenden fasziniert, die er beim Radfahren durch die Dörfer um seine Heimatstadt Odorhellen entdeckte. Mit der Zeit stellte er fest, dass die Legenden in Vergessenheit geraten sind und niemand etwas dagegen unternimmt. Nach seinem Schulabschluss ging er zum Filmstudium nach Budapest. Danach folgten ein paar Jahre als Kameramann an verschiedenen rumänischen Nachrichtensendern. Ebenfalls drehte er Werbespots. Doch diese Arbeit erfüllte ihn nicht. „ Ich wollte etwas Außergewöhnliches tun“. 

Die Pizza der Königin Reka und die riesigen Insekten 

Vor dreizehn Jahren fertigte er eine Karte mit den Legenden der Region an, auf der animierte, bewegte Bilder zu sehen waren.  Ferenc Rofusz, ein bekannter, mit dem Oscar ausgezeichneter ungarischer Regisseur für Animationsfilme, sah diese Karte und ermutigte Fazakas, Zeichentrickfilme über die Legenden aus der Gegend zu produzieren. So fing die Geschichte von Legendarium an, die auch heute währt. Dabei sind dem ganzen Team die Kinder als Zielpublikum sehr wichtig. Kinder sind das ehrlichste und anspruchsvollste Publikum – während Erwachsene brav in ihrem Sessel sitzen, im Kopf die Einkaufsliste durchgehen und am Ende höflich sagen, dass es ihnen gefallen hat, merkt man es Kindern direkt an, dass sie sich langweilen. Deshalb versucht man bei Legendarium immer  spannende Kurzfilme zu produzieren. Dass sie aber eine nationalistische Perspektive vertreten, ist unverkennbar.

Das Studio liegt nahe am Mini-Transsilvanien-Park, einer anderen Initiative von Szabolcs, die inzwischen im ganzen Land bekannt ist und Jahr für Jahr mehr Touristen anzieht. Wer einmal hier war, muss auch im nächsten Jahr kommen, denn es gibt immer Neuigkeiten. Zum Beispiel das kleine Restaurant, in dem als Figuren aus dem Zeichentrickfilm verkleidete Kellner Delikatessen wie „szeklerische Pizza“ servieren. Die Pizzas, bei denen es sich um mit lokalen Produkten belegte Dinkelbrote handelt, tragen die Namen der Figuren aus den Zeichentrickfilmen, wie etwa „Die Pizza der Königin Reka“ oder auch „Die Pizza des Teufels“. 

Ebenfalls gibt es seit Kurzem auch einen Erlebnispark mit gigantischen Insekten. So stehen robotisierte Zecken, Ameisen, Marienkäfer oder Riesengrashüpfer, die bis zu zwei Metern hoch sind, im Park. Man kann genau beobachten, wie sie in ihrem Umfeld leben und hören, welche Laute sie machen. Ebenfalls dort befindet sich auch das Orbán-Balázs-Gedenkzentrum, wo Gegenstände des szeklerischen Schriftstellers, Ethnografen, Politikers und Historikers des 19. Jahrhunderts ausgestellt sind. 

Bald wird auch eine Pension fertiggestellt, die noch mehr Touristen in die Region locken soll. Die Hauptidee von Fazakas war von Anfang an, durch den Park und die anderen Angebote, Touristen die Möglichkeit zu bieten, die Schönheit des Szeklerlands zu entdecken und darüber hinaus Odorhellen nicht nur als Durchfahrts-Ort zu betrachten, sondern als Reiseziel an sich. „Und im Herbst eröffnen wir ein Museum für Audi-A8-Miniaturautos. Ich bin besessen von dieser Marke, habe eine riesige Sammlung und stelle die dann aus.“ Das Museum für Automodelle wird interaktiv sein, die Kinder werden mit Modellen spielen können.