„Michael geht. Svetlana schreibt“

Exponate des österreichischen Künstlers Michael Höpfner und Gedicht von Svetlana Cârstean dazu in Kronstadt zu sehen

Dichterin Svetlana Cârstean, Künstler Michael Höpflinger und Kuratorin Alexandra Mihali lasen bei der Vernissage der Ausstellung „Walk all lies away“ Cârsteans Gedicht zum Thema Gehen. Dieses wurde in Rumänisch, Deutsch und Englisch vorgelesen und kann im Multikulturellen Zentrum der Transilvania-Universität in diesen Sprachen gelesen werden.

„Michael geht. Svetlana schreibt“ steht auf einer der Wände des Multikulturellen Zentrums der Transilvania-Universität auf der Postwiese. Auf allen Wänden sind Wörter oder Sätze zu lesen, die durch alle drei Räumlichkeiten des Zentrums führen. Sie sind Teil der Ausstellung „Walk all lies away“, in der der österreichische Künstler Michael Höpfner großformatige Schwarz-Weiß-Zeichnungen, wie auch Notizen und Fotografien ausstellt. Die Texte auf den Wänden sind ein Gedicht der Dichterin Svetlana Cârstean, die in Worten fasst, was Höpfner während einer Wanderung vom Dorf [ona, in der Nähe von Fogarasch bis ans Schwarze Meer erlebt, gedacht und erfahren haben mag. Die von Alexandra Mihali kurierte Ausstellung wird vom Österreichischen Kulturforum empfohlen. 

Gehen als Instrument der Kunst
Michael Höpfner wendet das Gehen als Instrument seiner Kunst an. Er geht Tage, Wochen, Monate – immer alleine – durch unterschiedlichste Landschaften: auf Pfaden oder Straßen, im Sand, durch Gras oder auf Steinen. Ein für lange Reisen bepackter Rucksack, das Zelt darin, eine Fotokamera, ein Stift und ein Heftchen sind alles was er braucht, um die Welt zu erkunden. Auf der Suche nach dem Sinn hinter der Beziehung des Menschen zur Natur, erfährt er in den unterschiedlichsten Landschaften, Wetterbedingungen und von Interaktionen mit Einheimischen, wie die Natur dem Menschen entgegenkommt, wie sie ihn beeinflusst, wie er sie verwendet und verändert. Jede Reise ist ein intensives Miteinander mit der Außenwelt, aber zugleich auch eine Gelegenheit zur Selbstreflexion und einer Neuerfahrung des Selbst. Die sinnlichen Erlebnisse fasst der Künstler in seinem Atelier, in Wien, dann in Werken zusammen, die die Aufmerksamkeit auch auf die natürliche, soziale und geopolitische Umgebung lenken. 

Zwei Wanderungen durch Rumänien
„Walk all lies away“ ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit, die von der Galeria Posibil˛ und der Stefan Câlția-Stiftung in die Wege geleitet wurde. Der Universitätsprofessor von der Akademie der bildenden Künste Wien wurde eingeladen, in Rumänien zu wandern und seine Erfahrungen künstlerisch festzuhalten. So ging er im Herbst 2022 von [ona bis auf den Moldoveanu-Gipfel. Wie immer: alleine und zu Fuß. Ein heftiger Schneesturm, bei dem er den Orientierungssinn fast verlor und nicht mehr wusste, „wo oben und wo unten ist“, wie er erzählte und einige Tage in einer Schutzhütte haben ihn herausgefordert, ihm neue Perspektiven ermöglicht. Ebenso auch die Wanderung von [ona bis ans Schwarze Meer. „In was für einer Welt leben wir eigentlich?“, fragte er sich, als er tagelang auf der Landstraße ging, auf der andauernd LKWs an Dörfern entlang fuhren – Lärm, Staub, Geschwindigkeit. Am Schwarzen Meer erlebte er etwas, was ihm bis dahin fremd gewesen war. Mitten in der Nacht wurde die Stadt Izmail, am anderen Ufer der Donau, in der Ukraine, von russischen Drohnen angegriffen. „Ich war zwar in der Komfortzone, aber es war alles sehr nahe und eine Verwerfung“, erinnert sich der Künstler. 

Auf seiner zweiten Reise hat die rumänische Dichterin Svetlana Cârstean Höpfner begleitet. Zwar nicht physisch, sie hat allerdings Tag für Tag Fotografien, Notizen, Gedanken von ihm erhalten und sich vorgestellt, wie die Erfahrungen wohl sein müssen, die sich von der unmittelbaren Umgebung lösen. Sie selbst ist sehr an dem Thema Gehen interessiert und ihr Gedicht wird zu einem Raum der Reflexion über diese Tätigkeit. Durch die gemeinsame Beschäftigung mit dem Gehen, eröffnen die beiden Künstler auch einen Dialog über Ausdauer und die Auswirkungen des Prozesses auf den Körperbau. 

Es kommt auch die Frage auf, warum man überhaupt geht. In diesem Ausschnitt ihres Gedichtes, geht die Dichterin darauf ein.

*** Wie jedes Mal ist der Blick nur angezogen von 
leeren Formen, Kisten, weggeworfenen Dingen.

Ein Mensch, der allein durch das Gebiet geht
durch die Landschaft 
durch die Dünen
(Niemand fragt sich, warum aber gehe ich.
Alle gehen wir, weil wir gehen.
Niemand stellt das Gehen an sich in Frage.) 

(Wohl nur ich kämpfe mit dem Gehen. 
Manchmal Monate, andermal Tage, oder nur ein paar Minuten lang. 
Wohl nur mich macht das Gehen der anderen neidisch. 
Ihre Unbewusstheit im Gehen. 
Das vertikal gekonnte Gehen 
wie ein laufendes olympisches Exempel.) 

(Ist dieser Mensch meine Einbildung, meine Schöpfung 
Ist er denn mein laufendes Bedürfnis zu gehen.) 

Ein Mensch, der allein geht. 
Was schmerzt ihn. Was hielt ihn auf. Was hinderte ihn. 
Was toleriert er von der Landschaft. 
Was toleriert er bei sich selbst, während er geht. 

(Warum gehst du. Sag du mir, warum du gehst. 
Vor allem dann, wenn du nirgendhin willst.) 

Verirrte Vögel, denen er eine Richtung weist. Er fängt sie im Flug. 

Ein überfahrener Hund am Wegrand. Überfahren und fotografiert. 

Ein rätselhaftes Wegkreuz. Ein Totenkopfschädel zu Seinen Füßen. 

(Übersetzung von Gabriela Mocan)

 

Das Gedicht, über das sich der österreichische Künstler äußerst beeindruckt zeigte, ist in rumänischer Sprache im Rahmen der Ausstellung in Kopfhörern zu hören oder in Buchform erwerblich. Es gibt auch eine deutsche Fassung zu lesen. Die Ausstellung ist bis am 30. April geöffnet.