Zwei Monate nach seinem 75. Geburtstag konnte der Historiker Gernot Nussbächer mit einem neuen Forschungsband der Serie „Aus Urkunden und Chroniken“ zur Geschichte Siebenbürgens aufwarten. Gewidmet ist dieser, wie auch der vorangegangene 13. Band, seiner Geburtsstadt Kronstadt. In über 30 Studien, die im Laufe der Jahre vor allem in den deutschsprachigen Publikationen des Landes erschienen sind, bietet er genaue Forschungsdaten zur Geschichte der Stadt, der Befestigungen außerhalb der Stadtmauern der Inneren Stadt, Straßenbenennungen, über einige Sakralbauten oder bezeichnende Gebäude des alten Stadtkerns.
Die nun im zweiten Kronstadt gewidmeten Band der Reihe aufgenommenen Materialien sind vor allem in der „Karpatenrundschau“ aber auch in den Periodika „Neuer Weg“, „Kirchliche Blätter“, „Lebensräume der Honterusgemeinde“, in den Jahrbüchern „Komm mit“, „Deutsches Jahrbuch für Rumänien 2013“, in der „Neue Kronstädter Zeitung“ (München) oder der rumänischen Tageszeitung „Drum nou“ im Laufe der Jahre 1972 – 2014 erschienen. Der Autor nimmt dabei nicht eine Aktualisierung der Arbeiten vor, da diese Zeitdokumente bilden und sein sollen. Ergänzt hat er diese nur durch einige kurze Angaben bezogen auf Publikation, in denen diese erschienen sind, und Datum.
Zudem werden aber diese 31 Studien durch insgesamt 676 Anmerkungen ergänzt, die Aufschluss über die dem Autor zur Verfügung stehenden Quellen bieten und so auch die weitere Dokumentation der an der Geschichte interessierten Leser erleichtert. Im Vorwort betont der Autor, dass der aufliegende Band keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat, dass er seine früheren Arbeiten nicht aktualisieren wollte, sondern diese als Zeitdokumente belassen hat. Im Band kommen auch einige Wiederholungen vor, die sich aber nicht störend auswirken. Das Erscheinen dieses Bandes wurde möglich dank der Heimatgemeinschaft der Kronstädter in Deutschland, dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde, dem Demokratischen Forum der Deutschen in Kronstadt, und dank seines Vorsitzenden Thomas Şindilariu.
Die finanzielle Unterstützung dafür kam vom Departement für interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der rumänischen Regierung über das Landesforum. All diesen wie auch dem Aldus-Verlag - in dem der Band erschienen ist -, allen weiteren Mitarbeitern dankt Gernot Nussbächer in seinem Vorwort. Ergänzt wird der vorliegende Band wie im Falle auch anderer Bücher von Gernot Nussbächer mit biografischen Daten über den Autor, einer Auflistung seiner bisher erschienenen Bücher, einschließlich der bisher 14 erschienen Bände der Serie „Aus Urkunden und Chroniken“, der Veröffentlichungen in Zeitschriften und Fachpublikationen oder als Mitarbeiter anderer Sammelbände. Auch befinden sich ein Ortsnamensverzeichnis und ein reicher Bildanhang, bestehend aus 35 aktuellen und Archivfotos, sowie Reproduktionen von ehemaligen Stadtplänen am Ende des fast 270 Seiten starken Buches.
Den ersten Beitrag des Bandes widmet der Autor den Kronstädter Befestigungsanlagen im Mittelalter, wobei er von der ältesten, der „Braschovia-Burg“ auf der Zinne ausgeht, die heute als Ruine noch erhalten ist. In einer weiteren Studie bietet der Autor ausführliche Details über diese Burg, über die heute auch unterschiedliche und ungenaue Daten von verschiedenen Autoren verbreitet wurden. Von Interesse sind die Angaben über eine im 14. Jahrhundert angelegte kleine Burg auf dem Gesprengberg, die zum Schutz der Siedlung in Bartholomä diente. Die nächsten beiden Beiträge sind dem Schwarzen Turm gewidmet, und einer dem Weißen Turm als Wachposten auf dem Raupenberg, nördlich der Stadt. Bekannt sind den Kronstädtern die ehemaligen Stadttore, doch nur wenige wissen heute, dass es zwei weitere Tore innerhalb einer starken Mauer oberhalb der Gabelung von Langgasse mit Mittelgasse, als zusätzliches Hindernis gegen feindliche Eindringlinge gab. In das mittelalterliche Verteidigungssystem der Stadt wurde 1524 eine gemauerte Bastei einbezogen, die auf dem Schlossberg errichtet wurde. Diese wurde im mehreren Etappen ausgebaut und spielte eine wichtige Rolle in der Geschichte der Stadt. Die diesbezüglichen Angaben werden von dem Autor ausführlich dem Heimatkundefreund vorgestellt.
Sicher ist der Beitrag „Gassennamen erzählen“ für den Leser besonderes interessant, da Gernot Nussbächer auf die Gassennamen und deren Ursprung eingeht, was auch für manche Kronstädter nicht immer bekannt ist. Dabei erfährt man, dass die erste große Aktion zur Benennung der Straßen im Jahre 1887 stattgefunden hat, nach der die Einführung der Hausnummern drei Jahre später erfolgte. Straßennamen erfuhren auch immer wieder Änderungen wie beispielsweise nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg, aber auch nach der Wende von 1989. Des weiteren sind zwei Beiträge dem Schnurgäßchen gewidmet, das der Autor auch den zahlreichen Touristen empfiehlt.
Verständlich, dass Gernot Nussbächer im weiteren Inhalt des Bandes mehrere Beiträge der Schwarzen Kirche, dem größten gotischen Dom östlich von Wien, widmet. Er geht auf dessen Baugeschichte ein, auf den großen Brand von 1689, der auch den Namen der Schwarzen Kirche nachträglich bedingte, auf Daten über die Große Glocke bis hin zu deren 150. Jubiläumsfeier im Jahre 2009. Den beiden evangelischen Kirchen in der Blumenau wird ein ganz neuer Beitrag gewidmet, der heuer in unserer Wochenschrift erschienen ist und letzte Erkenntnisse einer eingehenden Dokumentation des Kronstädter Historikers umfasst.
Auch die geschichtlichen Daten über die Obervorstädter Kirche wie auch die von Martinsberg sind das Ergebnis weiterer eingehender Dokumentationen von Gernot Nussbächer. Dabei bezieht er sich auch auf die Martinskapelle und einen bei den jüngsten archäologischen Grabungen entdeckten Grabstein. Die immer wieder freigelegten Inschriften bei Restaurierungen oder, wie in diesem Fall, bei Grabungen bieten weitere wichtige Daten in der Dokumentation zur Stadtgeschichte, die Gernot Nussbächer bestens auswertet.
In den nächsten Beiträgen geht der Autor auf die Geschichte einiger unter Denkmalschutz stehenden Gebäude ein, die zum Teil heute auch als kirchliche Amtssitze der Honterusgemeinde dienen und von wichtiger historischer Bedeutung sind: das Stadtpfarrhaus am Honterushof, das Blaue Haus am Marktplatz Nr. 17, wo sich das Verwaltungsamt der Honterusgemeinde befindet, die Kronstädter Stadtapotheke, die sich an Stelle des westlichen Flügels des Blauen Hauses befand, auf die des Hauses Nr. 18 am Marktplatz, in dem sich heute der Gemeinderaum und der Sitz des Bezirkskonsistoriums befinden, auf das Geburtshaus von Johannes Honterus in der Schwarzgasse Nr. 40, auf das Trausch-Haus am Rossmarkt Nr. 7, das Paul Richter-Haus, über die Gebäude der alten und neuen Honterusschule.
Sehr reich ist die Historiografie über Kronstadt, zu der Gernot Nussbächer auch mit diesem Band einen neuen wichtigen Beitrag leistete. Von Bedeutung sind seine Forschungen nicht nur aus geschichtlicher Sicht, sondern auch wegen der Bindung zu der Aktualität, wobei der Autor auf den heutigen Zustand der Bauten eingeht, auf deren Verwendungszweck, auf die gesellschaftliche Rolle, die Personen und Baudenkmäler in der Stadtgeschichte gespielt haben. Das von Peter Simon dazu gelieferte Fotomaterial, einschließlich für den Buchumschlag sowie die von Hans Butmaloiu gebotenen Reproduktionen ergänzen diese eingehende Dokumentation. Gernot Nussbächerbereitet weiterr Sammelbände zur Geschichte der Stadt unter der Zinne vor. In Kürze wird noch ein dritter, dem Kreis Hermannstadt gewidmeter Band, erscheinen. Darauf kann man, sowohl als Laie als auch als Historiker, nur mit Interesse warten.