Im Dazwischen – das meint zwischen Heimat und Fremde – leben heute mehr Menschen als jemals zuvor. Dabei sind das Flüchten- oder Weggehen-Müssen kein neues Phänomen. Sie waren immer präsent, wenn sie sich auch vor den unterschiedlichsten historischen und politischen Hintergründen ereigneten.
Die damit verbundenen Erfahrungen dagegen gleichen sich über die Zeiten hinweg. Immer geht es um das Abwägen der Beweggründe, das Treffen einer Entscheidung, auch um Zweifel. Hat man entschieden, steht die Frage im Raum, was man mitnimmt und was oder wen man zurücklässt. Dann steht eine Reise an, die Reise, der Weg und damit ganz neue, andere Erfahrungen. Schließlich geht es um das Ankommen. Wie geht Ankommen? Wie funktioniert es und unter welchen Voraussetzungen kann Integration gelingen?
Über all dies haben zehn Jugendliche – die meisten von Ihnen besuchen die Honterus Schule – in den vergangenen acht Tagen nachgedacht, Informationen gesammelt und diskutiert. Es wurde über Erfahrungen aus der eigenen familiären Lebenswelt gesprochen, aber auch wurden Zeitzeugen befragt. Während die in Rosenau lebende „Canzonetta“ Leiterin, Inge Acker, über ihre Entscheidung auch nach der Revolution in Kronstadt zu bleiben und Rumänien nicht zu verlassen sprach, erzählte Frieder Schuller von seiner Auswanderung in die Bundesrepublik 1978 und die spätere Idee den Katzendorfer Dorfschreiberpreis ins Leben zu rufen. Der Besuch der aktuellen Ausstellung mit Fotografien aus siebenbürgisch-sächsischen Fotoalben im Kronstädter Honterushof gab den Gesprächen weitere Prägung.
Dies war der Stoff aus dem eine beeindruckende Performance entstanden ist und die am Sonntagabend im Multikulturellen Zentrum der Universität Transilvania unter der Leitung von Petra Antonia Binder, Gründerin des Vereins „Cu Timp pentru cultură“ aufgeführt wurde. Der Titel: „Dor! Dor? Das Land in dem ich geboren bin. Heimat : Fremde“.
Mit eigenen, selbst verfassten Worten gaben die Jugendlichen ihrem gegenwärtigen Verhältnis zu Heimat und Fremde Ausdruck. Sie taten das mit sprachlichen Mitteln – ein Märchen, ein Gedicht, ein innerer Monolog und nicht zuletzt ein fiktiver Dialog sind entstanden. Natürlich wurde auch performativ gearbeitet: mit Pantomime, Tanz und Gesang haben sie ihre jeweiligen Positionen und Sichtweisen untermauert. Was sie zu zeigen hatten war berührend und überzeugend zugleich.
Der Saal war ausverkauft! Und doch wird es für diejenigen, die die Aufführung nicht besuchen konnten, eine Chance geben, sie nachträglich zu sehen. Denn das gesamte Projekt ist filmisch dokumentiert worden. Auf Einladung der Kulturreferentin für Siebenbürgen am Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim am Neckar, die zugleich Initiatorin gesamten Vorhabens ist, haben zwei Studierende der Beuth-Hochschule in Berlin, die Arbeiten und Proben während der ganzen Woche in Kronstadt, Rosenau und Katzendorf begleitet sowie durch Einzelinterviews mit den Jugendlichen ergänzt. Im Spätherbst soll es Premiere geben: natürlich in Kronstadt und in Gundelsheim.
Diese erste und von Anfang an erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem Verein „Cu Timp pentru cultură“ und der Kulturreferentin für Siebenbürgen wird Fortsetzung finden, hier wollen die beiden Kooperationspartner dem Multikulturellen Zentrum der Universität Transilvania danken, das als Gastgeber der Performance großzügig die Räume zur Verfügung gestellt hat. Besonderer Dank gilt den Förderern des Projekts: der Michael und Veronika Schmidt Stiftung, dem Demokratischen Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt, dem Department für Interethnische Beziehungen und der BKM.