Radu Chivărean stammt aus einer rumänischen Lehrerfamilie und wurde 1961 in Şinca Nouă geboren. Die deutsche Sprache erlernte er in Schäßburg im Kindergarten. Später siedelte die Familie nach Weidenbach um, wo der Vater als Schuldirektor tätig war. Radu besuchte von der ersten bis zur achten Klasse die deutsche Abteilung. Damit sollte jedoch nicht die Verbindung zur deutschen Sprache enden: 1987 absolvierte er in Bukarest sein Erdkunde-Deutsch-Studium. Radu Chivărean wirkte zehn Jahre lang als ehrenamtlicher Direktor des Weidenbacher Vereins „Barmherziger Samariter“, der ein Kinderheim im Familiensystem gründete und der von der deutschen Scheytt-Stiftung unterstützt wird.
Im Lehramt blickt er auf eine 29 Jahre lange Tätigkeit zurück während der er fünfzehn Jahre Direktor der Allgemeinschule Weidenbach und neun Jahre Schulinspektor am Kreisschulamt (Bereiche außercurriculare Aktivitäten und Religion) war. Radu Chivărean ist verheiratet, Vater einer erwachsenen Tochter und hat weiterhin eine Wohnung in Weidenbach. Seit dem 9. Januar dieses Jahres folgt er Helmuth Wagner im Amt des Direktors des Kronstädter Honteruslyzeums. Im nachfolgenden Gespräch stellt der neue Direktor seine ersten in dieser Eigenschaft gewonnenen Eindrücke vor und spricht über Gegenwart und Zukunft dieser traditionsreichen Kronstädter deutschen Schulanstalt.
Wie kam es dazu, dass Sie sich als Direktor des Honteruslyzeums beworben haben?
Einerseits wollte ich lange Zeit nicht die Allgemeinschule Weidenbach verlassen. Dort sind aber wenige Geographie-Stunden zu vergeben. Nun ergab sich die Gelegenheit, sich für diesen Posten zu bewerben. Andrerseits gab es auch Personen, die mich aufgefordert haben, mich für die Honterusschule einzusetzen. Ich sehe diese Tätigkeit auch als eine berufliche Herausforderung, der ich mich, nach einer kurzen Bedenkzeit, auch stellte. Dafür musste ich eine nicht leichte Prüfung bestehen.
Zunächst bitte stellen Sie das Honteruslyzeum in Zahlen vor.
Im Honteruslyzeum lernen 1540 Schüler in 56 Klassen, die von 94 Lehrkräften unterrichtet werden. Diese Zahlen ermöglichen es, dass laut Gesetz für unser Lyzeum außer der stellvertretenden Direktorin, Frau Raluca Petrăreanu (die Mathematik unterrichtet), der Posten einer zweiten stellvertretenden Direktorin vorgesehen ist. Auf den Bukarester Beschluss, Frau Enikö Jozsa (Grundschullehrerin) in dieses Amt zu ernennen, müssen wir anscheinend noch etwas warten.
Warum gibt es ab Herbst weniger Vorbereitungsklassen?
Der Vorschlag, der dann vom Kreisschulamt bewilligt wurde, kam von uns. Wir sind zur Schlussfolgerung gelangt, dass sich unser Lyzeum pro Jahrgang nicht mehr als vier Klassen erlauben kann. Sonst hätten wir große Probleme mit den Räumlichkeiten, mit der Sicherung der notwendigen qualifizierten Lehrkräfte. Die Einschreibungen für die vier vorbereitenden Klassen sind abgeschlossen; es folgt nun, auf Grund eines lockeren Gesprächs der angemeldeten Kindergartenkinder mit zwei erfahrenen Lehrerinnen (wobei auch die Kindergartenerzieherinnen dabei sind), eine Auswahl jener zukünftigen Erstklässler, die vom deutschen Sprachniveau die Voraussetzungen mitbringen, in unserer Schule nicht deutsch zu erlernen, sondern auf deutsch zu lernen.
Welches sind Ihre ersten Eindrücke vom Honteruslyzeum?
Die Schüleranzahl ist, wie gesagt, einfach zu groß. Die bauliche Infrastruktur lässt zu wünschen übrig. Die alten Gebäude bieten nicht alle Voraussetzungen für einen modernen Unterricht. Wir verfügen über Labors für Informatik, Biologie, Physik und Chemie, aber die Klassenräume sind zu klein, es wird für die Schüler zu eng. Dieser Aspekt wurde auch bei der zurzeit stattfindenden Inspektion des Kreisschulamtes bemängelt und wir wurden aufgefordert, etwas dagegen zu unternehmen. Ohne Hilfe können wir da nichts tun. Der Unterricht findet in fünf Gebäuden statt (A, B, C am Honterushof, das ehemalige Tartlerische Waisenhaus in der Waisenhausgasse und ein Teil, 13 Klassenräume, der ehemaligen Turnschule). Sie befinden sich größtenteils im Besitz der evangelischen Honterus-Kirchengemeinde, aber auch der Stadt.
Über Schüler und Lehrer gibt es keinen Grund zu klagen. Sicher kann von ihnen auch mehr verlangt werden, aber man müsste zuerst die dafür notwendigen Bedingungen erfüllen.
Wann steht das ehemalige Sportlyzeum der Honterusschule in seiner Gesamtheit zur Verfügung?
Der Bürgermeister hat versprochen, dass die Arbeiten in der Zizinului-Straße bis im September abgeschlossen werden, so dass die Sportschule dann dorthin umzieht. Mit Unterstützung der Kirchengemeinde, des Deutschen Wirtschaftsklubs und selbstverständlich der Stadt werden beim ehemaligen Sportlyzeum große Reparaturarbeiten laufen mit einer Umgestaltung der Räumlichkeiten. Zu diesem Zweck soll eine Stiftung gegründet werden, die den gesetzlichen Rahmen einer solchen Finanzierung aus öffentlichen Mitteln und vielleicht auch aus EU-Fonds gewährt. Gründungsmitglieder der Stiftung sollen die Honterusgemeinde als Eigentümer der Räumlichkeiten und der Deutsche Wirtschaftsklub Kronstadt sein. Bürgermeisteramt, Kreisschulamt, Elternbeirat der Schule werden selbstverständlich Partner dieser Stiftung sein.
Am Gebäude in der Waisenhausgasse sollen im Juni komplexe Reparaturarbeiten beginnen.
Diese werden etwas dauern, denn es sind umfangreiche Arbeiten, verbunden auch mit Denkmalschutzauflagen. Denkbar wäre, weil es knapp mit den Turnsälen bestellt ist, im mittleren Teil des Hofes der ehemaligen Turnschule einen Neubau zu errichten. Dort könnte auch ein Festsaal seinen Platz finden. Der jetzige große Turnsaal muss aufgelöst und in mehrere Klassenräume umgestaltet werden. Unter diesen Umständen könnten dann alle Klassen I – VIII, einschließlich Vorbereitungsklassen an diesen Standort umsiedeln. Das A-Gebäude können wir ab September nicht mehr als Schulgebäude benützen, weil es nicht den notwendigen Schutz im Falle eines Erdbebens bieten kann. In der Waisenhausgasse stehen Renovierungsarbeiten an – also könnte es notwendig sein, ab Herbst den Unterricht in zwei Schichten abzuhalten.
Wie viele Lehrer unterrichten ihre Fächer auf Deutsch?
Rund 80 Prozent. Es gibt noch Lehrer, die nicht auf Deutsch unterrichten. Für sie werden Sprachkurse angeboten, damit sie sich im Unterricht auf Deutsch umstellen, was ja gar nicht so einfach ist. Verglichen mit früher, gibt es nun eine ganz andere Lage im Honteruslyzeum: waren es einmal rund 90 Prozent deutsche Schüler und Lehrer und 10 Prozent rumänische Schüler und Lehrer, so ist heute dieser Prozentsatz umgekehrt.
Wieviele Gastlehrer aus Deutschland sind am Honteruslyzeum tätig?
Es gibt einen Deutschlehrer und einen Religionslehrer. Sicher würden wir gern mehrere deutsche Gastlehrer haben, aber das ist leider nicht möglich, weil es anscheinend wenig deutsche Lehrer gibt, die in Rumänien unterrichten wollen. Eine Alternative wäre auch Lehrer aus Österreich und der Schweiz heranzuziehen.
Wie steht es mit den Lehrbüchern?
Auch da gibt es Schwierigkeiten. Aber nun sollen neue Lehrpläne eingeführt werden, was auch neue Lehrbücher voraussetzt. In einem Schreiben an das Unterrichtsministerium habe ich darauf hingewiesen, dass wir unbedingt deutsche Lehrbücher benötigen. Das Problem scheint im Drucken dieser Bücher zu liegen, weil deren Auflage gering und deshalb vom wirtschaftlichen Standpunkt unattraktiv ist.
Außerschulische Tätigkeiten gehören auch zum Schulbetrieb…
Wir wollen einen Schülerclub gründen, mit Fachzirkeln wie zum Beispiel Robotik. Daran sind auch Firmen interessiert, die bereit wären, in solche Projekte zu investieren. Beim Deutschen Wirtschaftsklub möchte man den Schülern manche moderne Industriebereiche auf attraktive Weise vorstellen, um so mehr Honterusabsolventen eventuell als deutschkundige Fachkräfte gewinnen zu können. Letztendlich studieren nicht alle Honterusschüler im Ausland oder sehen nur im Sprachstudium ihre Zukunft. Sicher findet auch die kulturelle Ausrichtung ihren Platz in den außerschulischen Tätigkeiten, zum Beispiel Musik, Tanz. Diese müssen wiederbelebt werden, sonst sterben sie aus. Warum sollte die Honterusschule z.B. nicht eine eigene Blaskapelle haben oder gute Tanzgruppen?
Gibt es Schüleraustausche?
Die guten Beziehungen zu zwei deutschen Gymnasien (aus Bretten und Frankfurt a.M.) werden fortgesetzt. Außerdem wollen wir in ein „Erasmus Plus“-Projekt einsteigen – ein internationales Projekt mit Schulen aus mindestens drei Ländern. Es läuft zwar auf Englisch, aber es stellt einen Fortschritt dar, eine weitere Öffnung für unser Lyzeum. Außerdem hat das Honterus-Lyzeum Partnerschaften mit verschiedenen Institutionen (Hochschulen, Fortbildungsanstalten, Museen, Kulturinstitutionen, Tiergarten u.a.)
Herzlichen Dank für dieses Gespräch! Ihnen, den Lehrern und Schülern des Honterus-Lyzeums viel Erfolg!
Die Fragen stellte Ralf Sudrigian