Über Engagement und Provinzialismus

Ein nach einem halben Jahrhundert aus literaturhistorischer Sicht aufschlussreiches Rundtischgespräch zur rumäniendeutschen Literaturszene jener Jahre erschien in der KR Nummer 25 vom 22. Juni 1973. KR-Redakteur Bernd Kolf hatte dazu sieben junge Banater Autoren eingeladen: Michael Bleiziffer, Albert Bohn, Werner Kremm, Johann Lippet, Gerhard Ortinau, Richard Wagner und Ernst Wichner. Im Laufe des Gesprächs erklärt Richard Wagner, dass sie zusammen mit Anton Sterbling und William Totok das sind „was wir ‚Aktionsgruppe Banat‘ nennen.“ Die Mitglieder dieser Gruppe wollen nicht als „Generation“ bezeichnet werden, wenn dieses reduziert wird auf „dass man gleichen Alters ist und sich kennt“ (Albert Bohn). „Einheitliche Anschauungen“ und „gleiche Ziele“ gehören zu dem was eine Generation definieren sollte. Die Klärung erfolgt im Kontext der Ablehnung des einige Monate zuvor erschienenen Bandes „Wortmeldungen. Eine Anthologie junger Banater Lyriker“ (Facla-Verlag, Herausgeber: Eduard Schneider) durch die Gruppenmitglieder, die nicht einverstanden waren mit der Art und Weise, wie diese Anthologie konzipiert wurde, wie die Gedichte (auch ihre eigenen, allerdings älteren Datums) ausgewählt und gruppiert wurden. Kolf sieht im Begriff „Generation“ in diesem Kontext eine Tarnung von dem, was unter „provinzieller Beschränkung“ gelten könnte. Für Richard Wagner wird das Engagement eines Lyrikers von dem Versuch bestimmt, auf Fragen des öffentlichen Lebens Antworten zu finden. „Voraussetzung dazu ist eine bestimmte Haltung der Welt gegenüber, die des Fragenden, nicht des Gläubigen“.

In derselben KR-Ausgabe findet man sonderbare Argumente für die damals im Gespräch befindlichen Reformvorschläge der deutschen Rechtschreibung. „Jeder ehrliche deutsche muss sich freuen, wenn durch vereinfachung auch unsere rechtschreibung endlich – wenn auch langsam – gemeingut des volkes wird“, heißt es in einem mit Jakob Vorberger, Temeswar, gezeichneten Leserbrief in dem die Kleinschreibung der Substantive schon angewendet wird. Diesen Standpunkt könnte man noch akzeptieren. Aber was der Verfechter der Rechtschreibreform in seinen Fragen andeutet, klingt lächerlich: „Musste unsere schreibweise so werden, um privileg der herrschenden klassen der verflossenen jahrhunderte zu sein? War sie mittel zur einschüchterung  des volkes, das sich seiner ‚schreibunkundigkeit‘ immer bewusst war? War sie eine möglichkeit zur ‚dummhaltung‘ der massen?“

Auf Seite 12 gibt die KR die Gewinner des von der Redaktion ausgeschriebenen Schülerwettbewerbs (Aufsätze zum Thema „Wir beide“) bekannt. Die Entscheidung trafen die beteiligten Schulredaktionen selber nach einem Punktsystem für die ersten drei Plätze. Gesiegt hat Heidrun Schotsch (Mediasch), Platz zwei belegte Christian Scherg (Kronstadt), auf Platz drei kam Edith Conrad (Schässburg). Die Preise (eine Armbanduhr, ein Füllhalter und Bücher) sollten in der Redaktion überreicht werden. Dazu kam noch ein Ausflug in die Schulerau, wobei die Reisekosten die KR übernahm.

Aktuell bleiben einige der Äußerungen, die von Architekt Dr. Ludwig Staadecker (Bukarest) in einem Gespräch mit Hans Barth zum Thema Stadtplanung und Umwelt kommen. „Weniger Lärm hebt schon die Qualität des Wohnens und daher auch des Lebens. Aus gleicher Erwägung lässt sich ein europaweiter Trend erklären, das Auto in Altstadtvierteln zu verbieten. Heute ist der Fußgänger König und nicht mehr das Auto“. Die „Städte von morgen“ müssten ein „Gemeinschaftsprodukt von Fachmann, Bürger und Behörde“ sein, unterstreicht der Architekt, der Universitätsdozent und Staatspreisträger war. Was nach einigen Jahren im Namen der „Systematisierung der Städte“ vor allem in der Hauptstadt, aber nicht nur dort geschah, war genau das Gegenteil von dem was der Univ.-Prof. erwartete, denn der Bürger und der Fachmann waren den Behörden unterstellt, welche von der kommunistischen Partei kontrolliert wurden. Als Bildillustration bringt die KR ein Foto mit dem alten Marktplatz (damals als „Rathausplatz“ bezeichnet), der aber als Parkplatz für Pkw diente. Architekt Staadecker hatte diese historische Stätte noch hoch gelobt: „das ist ein Meisterstück architektonischer Harmonie, ein Bild, das Kraft und Spannung verleiht. Wir  haben verlernt, was unsere Vorfahren konnten. Wir müssen davon einiges nachlernen.“

Weitere besondere Beiträge, die im Juni 1973 die KR-Leser erfreut haben dürften, wären, unter anderen, eine Würdigung für den Maler Eduard Morres anlässlich seines 89. Geburtstages („Von der Seine an die Weisskirch“ von Bernd Kolf); ein Kurz-Interview von Michael Kroner mit dem Fachlehrer des Honteruslyzeums für Geographie- und Geschichte, Kurt Philippi sen. zu seinem Renteneintritt („Wandern als Pflicht und Freude“); ein Gespräch mit Prof. habil. Kurt Horedt von der Klausenburger Uni, das ebenfalls Michael Kroner über „Neue Erkenntnisse zur Völkerwanderung“ führte; ein Beitrag von Theo Zelgy über die Blütezeit der Burzenländer Möbelmalerei; ein Beitrag von Deutschlehrer Wilfried Bielz („Füreinander lesen, miteinander sprechen. Zum Umgang mit Literatur im Elternhaus und in der Schule“) das auf der Sonderseite „Eltern-Schule“ der KR 23 erschien.