In wenigen Tagen wäre der am 26. Juli 1925 in Rosenau geborene Schriftsteller, Essayist, Journalist Hans Bergel 98 Jahre alt geworden. Doch leider erlebte er dieses durch seinen am 26. Februar 2022 erfolgten Tod nicht mehr, die Glückwünsche müssen ausbleiben, es sind die Würdigungen und Erinnerungen geblieben, die allerdings unzureichend sind, um die Persönlichkeit des Verstorbenen zu betonen. Neuerscheinungen und Buchvorstellungen erinnern an den Schriftsteller, der betonte sein Leben ist das Schreiben, ansonsten nichts. Und dieses war wie das eines Helden seiner Romane und Erzählungen, ausgehend von seinen glücklichen Jugendjahren, dann über die Verurteilungen in politischen Prozessen und Häftling der gefürchtetsten Gefängnisse oder Bergwerke, bis zu seiner Ausreise 1968 in die Bundesrepublik Dank der Interventionen auf höchster Ebene von Günther Grass. Unser ehemaliger Kollege, der kurze Zeit als Redakteur der „Volkszeitung“ (1957 - 1958) verbrachte, bis er im Schriftstellerprozess 1959 zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde, hat nach seiner Aussiedlung eine aufsehenerregende Karriere eingeschlagen. Er war Chefredakteur der „Siebenbürgischen Zeitung“ (1970 – 1989), eine Funktion, die dann ebenfalls einer unserer ehemaligen Kollegen, Hannes Schuster, übernehmen sollte, als Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks, Mitherausgeber der „Südostdeutschen Vierteljahresblätter“, er war auch politisch aktiv als Stellvertretender Vorsitzender der Landmannschaft der Siebenbürger Sachsen, für deren Rechte er zum Sprachrohr wurde. Er hat nie mit Hass auf die in Rumänien in Demütigung verbrachten Jahre zurückgeblickt, hat Freundschaften aus seiner Jugend, als Sportler weiter gepflegt. Nach Einsicht seiner Securitateakten nach der Wende von 1989, war er immer wieder Gast seiner Heimat, zahlreiche seiner Werke erschienen in rumänischer Übersetzung, er erwarb sich Freundschaft und Schätzung hiesiger Schriftsteller und Literaturfreunde. Er wurde als Mitglied der Kronstädter Filiale des Rumänischen Schriftstellerverbandes aufgenommen und erhielt die Ehrenmitgliedschaft, es wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Bukarester Universität verliehen, sowie der rumänische Kulturverdienstorden im Rang eines Offiziers. In Deutschland wurden ihm der Georg-Dehio-Preis für Kultur und Geisteswissenschaften, der Andreas-Gryphius-Preis u.a. Ehrungen erteilt.
„Die Stunde der Schlangen“
Der 2022 in Berlin bei Edition Noack & Block in der Frank & Timme GmbH erschienene Band umfasst zehn Erzählungen von Hans Bergel, ursprünglich als Kapitel eines Romans gedacht, mit dem seine Trilogie abgeschlossen werden sollte. Bekannt sind die ersten beiden Bände „Wenn die Adler kommen“ (1996) und „Die Wiederkehr der Wölfe“ (2016), die nicht nur mehrere Auflagen erlebten, sondern auch in rumänischen Fassungen erschienen sind, und so wurde der Schriftsteller dem hiesigen breiten Publikum gut bekannt. Vor allem, da die Handlungen praktisch in der Geschichte des 20. Jahrhunderts verankert sind und persönliche Erinnerungen in diese aufgenommen wurden. Der dritte Band ist nicht mehr als solcher erschienen, doch die Erzählungen aus dem Inhalt von „Die Stunde der Schlangen“ zeugen erneut von seiner sprachlichen Kunst, von der Kenntnis der Erlebnisse von Persönlichkeiten, die dann schriftstellerisch bearbeitet wurden. Allein die Erzählung „Die Wandlungen des Dr. Fulda oder die Stunde der Schlangen“ kann schon durch den Tathergang und die Bindung an die Aktualität der Nachkriegszeit, als die Securitate in allen Bereichen das Sagen hatte, als Kurzroman bezeichnet werden. Dieser wurde von Octavian Nicolae ins Rumänische übersetzt und erschien als Buch mit einem Vor- und Nachwort von Mihaela Malea Stroe im Eikon Verlag Bukarest 2022. Die Erzählung von Hans Bergel in der rumänischen Fassung, erschienen unter dem Titel „Metamorfozele doctorului Fulda“ hat der Autor der rumänischen Schriftstellerin und Lyrikerin Ana Blandiana gewidmet. Wie Mihaela Malea Stroe in ihrem Vorwort betont, war es auch der besondere Wunsch des Autoren, dass diese Erzählung in rumänischer Fassung und in Buchformat erscheint. Verständlich, da das Trauma des Haupthelden Dr. Fulda nach seiner Rückkehr in die Heimat einen Vergleich zum eigenen Leid nach seiner politischen Verfolgung darstellt.
Dr. Claudiu Fulda, der in Sorbonne 1940 in Kunstwissenschaft und Philosophie promoviert hat, dann 1945 in Oxford Kirchengeschichte und Kanonisches Recht, ist der Hauptheld. Nach seiner Rückkehr in die Heimat, wo seine Jugendliebe Julia, deren Eltern namhafte Universitätsprofessoren waren, auf ihn wartete, musste er den Tod der eigenen Eltern erleben, die Zurückhaltung von Personen mit leitenden Funktionen wegen seiner im Ausland durchgeführten Studien. Ein Vetter Julias, Victor Costin, wurde von der Securitate verfolgt, da er als Partisan in den Bergen kämpfte. Wegen der vermutlichen Verbindungen zu ehemaligen Mitarbeitern im Ausland wurde er durch Verrat seines besten Freundes in einen politischen Prozess verwickelt, zu zehn Jahren Haft verurteilt. In der Zwischenzeit verlor er seine Gattin, die den Verräter heiratete, seine engsten Verwandten, und wurde selbst zum Spitzel, um nach der politischen Wende als solcher entlarvt zu werden, und um sich die Frage zu stellen „sind wir nicht alle abartig?“ Um dem Haupthelden einen vermeintlichen Grund für diese Verfolgungen zu nennen, betont sein Schwiegervater: „Unsere Schuld war immer schon, dass es uns gibt.“ In Zusammenhang mit dieser Erzählung muss der Beitrag von Hans Bergel, erschienen in seinem Band „Randbemerkungen. Das Jahrhundert, an dem ich teil hatte“ (2020) über den antikommunistischen Widerstand, die Partisanenkämpfe in den Bergen, die Persönlichkeit von Ion Gavril˛ Ogoranu gebracht werden. Bezeichnend, dass Hans Bergel diese Erzählung Ana Blandiana gewidmet hat - sie war die Persönlichkeit, die sich für die Errichtung des Memorials von Sighet eingesetzt hat, das dem antikommunistischen Widerstand und deren Vertretern gewidmet ist; der Autor selbst hat als Widerstandskämpfer und politischer Häftling nach dessen Errichtung dort mehrmals an Tagungen teilgenommen.
Der ständige Drang zu schreiben
Zehn Schriftsteller fassten in dem rumänischsprachigen Band „Hans Bergel: Nevoia imperioas˛ de a scrie“ Erinnerungen an sein Schaffen, an Zusammenkünfte und Aussprachen mit ihm, Meinungen zu seinem Werk zusammen. Ana Blandiana erinnert sich an den Charme von Hans Bergel, der verstand, die Leser um sich zu sammeln, was sie vor Jahren bei der Leipziger Buchmesse feststellen konnte. Sie hebt sein klares Denken in Siebenbürgen wie in Bayern hervor, das ihn kennzeichnete. Peter Motzan schildert den Werdegang Bergels, bietet Einblick in den Schriftstellerprozess, in dem dieser verurteilt wurde. Es folgt ein Auszug aus dem Roman „Tanz in Ketten“. Gheorghe Stanomir betont, dass im Vergleich mit dem Schaffen von Adolf Meschendörfer, Erwin Wittstock, Oskar Walter Cisek oder Paul Schuster, die Prosa Bergels die Latte der sozialen sächsischen und deutschen Bindungen auf einen höheren Stand in der rumänischen Makrokultur hebt. Alexandru Cizek würdigt die Rolle der Germanistin Renate Windisch-Middendorf bei der getroffenen Auslese des geführten Briefwechsels zwischen Bergel und Manfred Winkler. Olivia Spiridon betont, dass außer Heinrich von Kleist und Oskar Walter Cisek als Idole für Bergel, der originelle Klang der Erzählung von einem Hirten hinzukam. Ion Dumitru, Adrian Lesenciuc Vorsitzender der Kronstädter Filiale des Schriftstellerverbandes, wie auch Cornel Nistea oder Mihaela Stroe Manea gehen in ihren mit Hans Bergel geführten Interviews auf seine Begegnungen mit rumänischen Schriftstellern ein, auf den Stellenwert der rumänischen Literatur. Und schließlich ist eine Würdigung auf Hans Bergel anlässlich seines 95. Geburtstages, gezeichnet von Mircea Popa, in den Band aufgenommen. Hans Bergel weilt nicht mehr unter uns, doch sein Schaffen wird überleben.