Wann kommen die ersten Touristen wieder?

Es geht um mehr als nur um Schadensbegrenzung

Wenn in rund zwei Monaten sich die ersten Touristen melden würden, so hätte auch Rolf Truetsch, Hüttenwart der Julius-Römer-Hütte, mehr Gründe für Optimismus. Foto: der Verfasser

Die Osterfeiertage stehen vor der Tür. Wir werden sie zu Hause verbringen müssen. Reisen ist unmöglich geworden. Der Notzustand betrifft aber jene, die vom Tourismus ihr Einkommen erzielen, härter als jene, die nun ihre unwillkürlich verlängerte Freizeit umgestalten müssen. Denn Pensionen sind auf unbestimmte Dauer geschlossen, Hotelzimmer könnten als Quarantäneräume genützt werden, Restaurants liefern im besten Fall ihre Menüs auf Bestellung den viel weniger Kunden nach Hause. Diesem aktuellen Tiefpunkt gesellt sich die Unsicherheit in Bezug auf die Zukunft hinzu. Wann und wie geht es weiter mit diesem so hochempfindlichen Wirtschaftszweig?
 

Abwarten und hoffen
Bei der Julius Römer/Postăvarul-Hütte am Schuler sowie bei „Villa Hermani“ am Fuße des Königsteins ist es in diesen Wochen sehr ruhig geworden. Keine Touristen heißt aber für Rolf Truetsch nicht keine Arbeit. Bei der von ihm und seiner Familie bewirtschafteten SKV-Hütte stehen laufende Wartungsarbeiten aber auch vorher geplante und vorbereitete Bauarbeiten an. Die Treppe zum Dachboden wird eingerichtet; die Heizzentrale bekommt einen neuen Schliff. Wenn hoffentlich nach zwei Monaten wieder die ersten Touristen da sind, wäre das Ärgste überstanden. Wenn nicht... so gibt es Grund für große Sorgen. Die Wintersaison, die Hauptsaison am Schuler, ist vorbei – ein Teil der Belegschaft ist nach Hause gegangen; einige  arbeiten jetzt in Teilzeit.
Für Hermann Kurmes steht bereits fest, dass die „Villa Hermani“ die von den Partneragenturen für den Zeitraum Mai - Juli angebotenen Gruppenreisen abgesagt hat. Anderen Kunden, die bereits gebucht haben, wurden die Einzahlungen rückerstattet. Aber es wird auch die Möglichkeit einer Umbuchung zu einem späteren Datum wahrgenommen, Vorschusszahlungen werden praktisch in einen Gutschein für die nächsten Monate, fürs nächste Jahr umgewandelt. Wie lang diese Krisenzeit sich hinauszieht, weiß niemand; die von der Regierung zugesicherten Fonds für Kurzarbeit gelten lediglich zur Überbrückung der zwei nächsten Monate. Auch bei „Villa Hermani“ will man darauf zurückgreifen, denn Fixkosten wie Versicherungen, Strom, Wasser stehen an. Der Sommer wird wohl lang, warm und hoffentlich virusfrei sein. Die Einnahmen werden in den Keller fallen. Angebote werden aus M²gura nun verstärkt auch an inländische Touristen gerichtet. Vor allem auf Bukarester, die nach den langen Quarantänewochen wieder frische Bergluft schnuppern wollen, hofft Kurmes. Aber die Leute werden auch sparen, Kredite rückzahlen müssen, zurückhaltender mit den Ausgaben sein.
 

Viele werden Verluste schreiben
Allein im Kreis Kronstadt gibt es über 1600 Firmen, die im Gastgewerbe tätig sind, heißt es in einer Untersuchung der Kronstädter Industrie- und Handelskammer (IHK), die die Auswirkungen der Coronavirus-Krise in diesem Bereich zum Thema hat. Im Kreis Kronstadt sichern sie für über 10.300 Mitarbeiter Arbeitsplätze. Der erzielte Umsatz liegt, laut vorgelegten Bilanzrechnungen, bei über 1,1 Milliarden Lei, wobei gut die Hälfte dieser Summe im Kreisvorort erzielt wird. Dass diese Zahl auch nächstes Jahr gelten wird, ist nun leider nicht mehr zu erwarten. In diesem Sinn richtet auch die IHK Kronstadt einen Aufruf an die Regierung, Maßnahmen zu treffen und Mittel zu finden, um diesem Wirtschaftszweig bei der Überwindung dieser Krisensituation beizustehen. Einige sind schon bekannt gegeben worden, wie Kredite für Kurzarbeit, Aufschub der Bankraten oder Verlängerung der Urlaubs-Coupons.
Die Auswirkungen einer Krise im Fremdenverkehr betrifft nicht nur Reiseunternehmen, Hotels und Restaurants. Der Verkehr leidet dadurch (von gestrichenen Flügen bis zu weniger Taxifahrten), aber auch Firmen, die Dienstleistungen für Hotels sichern oder verschiedene Zulieferer für Gaststätten oder Freizeitzentren, die auf Touristen angewiesen sind. Und selbst der Verkäufer von Souvenirs, von Handarbeit, die Fremdenführer oder das bei Sehenswürdigkeiten (Museen, historische und natürliche Denkmäler) beschäftigte Personal muss Verluste einkalkulieren oder sogar um den Arbeitsplatz bangen. Eine andere Branche, die vor neuen Herausforderungen steht, ist die Werbung: Wie zieht man Touristen an, die selber eher sparen als ausgeben oder die sich nun zusätzliche Fragen um ihre Sicherheit stellen?
 

Mehr Inlandstouristen
Wenn das Ärgste hier und in der weiten Welt überwunden sein wird, heißt das leider nicht, dass alles wie bisher weiterlaufen kann. Stagnation und Rezession sind eine Bremse und eine Hürde die vor allem kleine und mittlere Unternehmen auch im Tourismus nicht so leicht überwinden werden können. Deshalb ist es erforderlich, sich anpassen und auch umstellen zu können, auf neue Gegebenheiten, auf geänderte Voraussetzungen des Reiseverkehrs.
Wahrscheinlich ist, dass, zumindest in der nahen Zukunft, die Bedeutung der Inlandstouristen wächst, während die Zahl der Auslandsgäste abnehmen wird. Inlandstourismus ist billiger wegen der kürzeren und leichteren Anreise und verleiht den Einheimischen auch ein größeres Sicherheitsgefühl. Beide Faktoren (Kosten und Furcht vor unvorhersehbaren Gefahren von Viren bis Terror und wirtschaftliche Instabilität) werden ausschlaggebend in der Urlaubsplanung sein. Unter diesen Umständen könnten auch Freizeitgestaltungen wie Wandern, Radfahren an Bedeutung gewinnen. Lokale Ressourcen, vor allem landwirtschaftliche Produkte von Gemüse, Obst bis Fleisch- und Milchwaren, erhalten eine neue Chance, denn Importe könnten nicht nur teurer werden, sondern auch aus ökologischen und wirtschaftspolitischen Überlegungen immer problematischer sein.
Der Nachteil dieses zunehmenden Inlandstourismus wäre die etwas geringere Kaufkraft verglichen mit jener der Besucher aus z.B. Westeuropa, so dass die Preise dieser Touristengruppe angepasst werden müsste. Aber vieles bleibt relativ: Schulerau und Schwarzmeerküste sind auch bisher mit überdurchschnittlich hohen Übernachtungs- und Verpflegungspreisen aufgefallen; viele Rumänen sind bereit, im Urlaub tiefer in die Tasche zu greifen und „Auslandsrumänen“ werden nicht verschwinden.
 

Was sich ändern könnte
Der Massentourismus hat weiterhin als Billigtourismus seine Chance. Immer mehr Besucher werden es aber vorziehen, neue, weniger bekannte und daher auch ruhigere Reiseziele zu entdecken und „auszuprobieren“. Der Trend, einen aktiven Urlaub in echter Natur zu verbringen, wird weiterhin jenen, die das vermitteln und organisieren können, schöne Einkünfte sichern –  denn der Wohlfühlfaktor wird vom Gesundheitsfaktor gesteigert. Das „Land und Leute“-Kennenlernen könnte seitens mancher Touristenkategorien nun im Bereich „Leute“ etwas skeptischer aufgenommen werden. Auch wenn die soziale Distanz wegfällt, wenn Händeschütteln kein Risiko bedeutet, so werden wohl doch eine Zeit lang manche Sicherheitsbedenken beibehalten werden. So wird man wohl skeptischer sein, wenn es um private Übernachtungsangebote oder Teilnahme an Volksfesten geht. Die traditionelle rumänische Gastfreundschaft muss nun auch unter neuen Umständen zur Geltung kommen.
Großveranstaltungen wie Heimattage oder Kulturfestivals z.B. Hermannstädter Internationales Theaterfestival oder Klausenburgs Untold-Festival werden verschoben, vielleicht auch in dieser Größenordnung selber in Frage gestellt. Kleinere Veranstaltungen könnten es leichter haben, ihre Teilnehmer zu finden und zu behalten: Mundpropaganda und Facebook-Fotos und -Markierungen sind glaubwürdiger als bezahlte Werbung.
Die Wirtschaftskrise wird im rumänischen Tourismus auch Megaprojekte wie ein großes neues Skigelände im Fogarascher Gebirge zum Fall bringen, bevor diese überhaupt richtig begonnen haben. Leider sind auch  große und wichtige Infrastrukturprojekte, die mehr ausländische Touristen schneller und einfacher nach Kronstadt bringen sollten (z.B. Autobahn Bukarest – Kronstadt oder Eröffnung des neuen internationalen Flughafens in Weidenbach), in einer schwierigen Lage, die eher auf weitere Verzögerungen schließen lässt.