Wenn es nicht regnet, wenn das Flugzeug pünktlich landet, die Eisenbahn trotzdem fährt, der Bus nicht überfüllt ist, der Fahrer nicht betrunken ist, das Bett beim Nachbarn auch wirklich neu bezogen wurde, der Wein endlich eingetroffen ist, wenn der Geiger nicht auf einer Hochzeit hängen bleibt, der Klavierstimmer seinem Verfolgungswahn entkommt, der Beamer richtig funktioniert, die Diva endlich aus Bukarest loskommt, der Poet aus Kronstadt nicht auf seiner Drei-Stunden-Lesung besteht, die Köchin nicht vergisst, den Gasfüller auszutauschen, die Kirchenburg aus Katzendorf nicht mit der aus Hamruden verwechselt wird, dann kann ein Dorfschreiberfest seinen Anfang nehmen. Wenn von all dem Befürchteten aber nur die Hälfte eintrifft, dann reisen die Gäste aus nah und fern nach drei Tagen gerne unpünktlich wieder ab. Die einen kamen unangemeldet im letzten Augenblick, standen vor dem Haustor und saßen nachher am Tisch. Die andern kündigten ihre professionelle Präsenz an und nahmen dann, wie es sich nun mal für gefragte Journalisten ziemt, anderswo einen wichtigeren Termin wahr. Eben, was ist schon im von Volkstänzen, Zusammensitzen und Altherrenvorträgen verwöhnten Siebenbürgen schon wichtig? Immerhin schrieb über sein Dasein als Dorfschreiber der erste Preisträger, Elmar Schenkel aus Leipzig, das Buch „Mein Jahr hinter den Wäldern“.
So trafen sich im Pfarrhof von Katzendorf auch zum diesjährigen Fest der Preisverleihung „Dorfschreiber von Katzendorf“ nur namhafte Künstler und Wissenschaftler aus Berlin, Düsseldorf, London, Hermannstadt und Bukarest. Zu oft kommt auf die in alle Welt hinausgeflatterten Einladungen vor allem von ausgewanderten Sachsen die Antwort, haben Klassentreffen, Goldene Hochzeit, unser Kränzchen tagt eben dann. Nur wegen einem Kulturtreffen aus Deutschland nach Siebenbürgen zu reisen, das bleibt einer international gefragten Schriftstellerin wie Tanja Dückers vorbehalten. Sie kam und nahm am 4. Juni den Dorfschreiberpreis entgegen, derweil recht viele „Sommersachsen“ vor ihren Häusern sitzen und abends die Herde an sich vorbeiziehen lassen. Dafür übernahm diesmal der Senator Nicolae Vlad Popa, Verantwortlicher der Kommission für Menschenrechte und Minderheiten, die Schirmherrschaft über das Kulturfest. Auch der Bürgermeister Gheorghe Voicila ließ sich nicht lumpen und unterschrieb trotz Kommunalwahl noch eine „Factura“. Die Katze mit der Feder wurde Tanja Dückers vom Maler und Bildhauer Daniel Răduţă persönlich überreicht. Bilder des Bukarester Künstlers luden nachher zu einer Vernissage in der Katzendorfer Scheunengalerie ein. Und damit war der Reigen zwischen alten Mauern, jungen Rosen, Bekanntschaft machen und siebenbürgischer Küche eröffnet.
Michaela Nowotnick, die unermüdliche Berliner Spaziergängerin in Siebenbürgens Poetengärten, berichtete von ihren Entdeckungen beim Aufstöbern von Manuskriptseiten. Es wurde viel gesammelt hierzulande, es zu sichten und zu bewerten ist der Wissenschaftlerin Aufgabe. Am Gartentisch las Dagmar Dusil eine hochaktuelle Flüchtlingsgeschichte, als Premiere und zum Gespräch einladend. Der rumänische Dichter Dan Mircea Cipariu ist immer für eine Überraschung gut, diesmal waren es nicht nur seine Verse, sondern auch sein Ruf als Umstürzler in der Bukarester Schriftsteller-Führungsloge. Der Vortritt wurde Tanja Dückers überlassen, die als ersten Dank für ihren Preis Prosa und Gedichte aus ihren Büchern verteilte. „Himmelskörper“ sowie „Fundbüros und Verstecke“ sind einige ihrer einprägsamen Titel. Gleich dreimal wurde zu ganz verschiedenen Filmvorführungen die Kinoleinwand aufgespannt. Marie Schuller aus London begeisterte mit ihren eigenwillig-hochhackigen Fashion-Films die Zuschauer. Der eben in Bukarest erstmalig gezeigte rumänische Spielfilm „03.ByPass“ von Nap Toader erlebte in Katzendorf seine zweite Premiere. Heftig, wie so oft, geht es zwischen den Filmprotagonisten zu, natürlich wegen Geld. Stiller, aber einprägsamer waren die Bilder im Hirtenfilm aus der Marginimea Sibiului, den Titus Faschina aus Berlin mitbrachte, ein Filmerlebnis wie es der Titel verriet „Dem Himmel so nah“, und es war der rumänische Himmel. Der Regisseur erzählte auch gerne die Entstehungsgeschichte dieser schwarz-weißen Filmproduktion.
Wenn schon Transsilvanien, dann bitte nicht knausrig. Manuel Stübecke, gegenwärtig Pressesprecher der Evangelischen Akademie in Hermannstadt, entführte auf den alten Dorffriedhof, um dort zwischen den überwachsenen Gräbern einen Bericht auferstehen zu lassen, einen Bericht von Vampiren und aktenkundigen Untoten, wie er in Osteuropa aufgeschrieben wurde. Wieder zwischen den vier Wänden verzauberte die Jazzsängerin Anamaria Csikos mit ihrem Pianisten Daniel Csikos die Anwesenden, die somit endlich von der Erinnerung an die wunderbaren Krautwickel und Krapfen aus Luisas Küche wegkamen. Da half auch der Musiker Mircea Florian gewaltig mit, dessen Performance für elektronische Instrumente und die Dichterstimme von Ioana Crăciunescu sich zwischen Toben und Flüstern bewegte. Einen letzten Höhepunkt flog der stellvertretende Direktor des Rumänischen Kulturinstituts in Berlin, Claudiu Florian, übermüdet aus Brüssel kommend, ein. Er las aus seinem preisgekrönten Roman „Zweieinhalb Störche“, dessen Handlung größtenteils im nachbarlichen Reps beheimatet ist. So weit, so gut. Beachtet oder übersehen, der Gastgeber und Initiator Frieder Schuller hat in seinem Dorf wieder einmal ein Zusammenspiel voller Ausstrahlungskraft inszeniert.