Wie geht man mit der Vergangenheit um?

Aufarbeitungs-Ausstellung im Museum der Erinnerungen über den Kommunismus

Diskussionsrunde nach der Ausstellungseröffnung am 15. Mai. Die Ausstellung kann bis zum 2. Juni besucht werden. Angebote für Schulklassen gibt es beim Deutschen Kulturzentrum. | Foto: Elise Wilk

„Wir hatten junge Besucher, 15 oder 16 Jahre alt, die noch nie von der Revolution 1989 gehört haben. Es ist fast unglaublich, aber obwohl die Revolution erst 35 Jahre zurückliegt, obwohl ihre Eltern und Großeltern diese Zeiten erlebt haben, wurde in ihrer Familie noch nie darüber gesprochen“, sagt Alina Beteringhe. Vor drei Jahren hat sie in der ersten Etage des ehemaligen Capitol-Hotels das Museum der Erinnerungen an den Kommunismus eröffnet. Als Vorbild dienten ähnliche Museen im ehemaligen Ostblock. Hier kann man anhand von Exponaten wie alten Keks-Verpackungen, Pionier-Uniformen oder Porzellanfischen, die auf gestickten Tischtüchern auf TV-Geräte gestellt sind, ein kleines Stück Vergangenheit erleben. Es sind kleine Zeitreisen, die entweder Nostalgie in den älteren Besuchern wecken oder den jüngeren Besuchern ermöglichen, sich das Leben vor 40 oder 50 Jahren vorzustellen.

Temporäre Ausstellungen zu Themen wie das Erdbeben 1977 oder die Kronstädter Arbeiterrevolte vom 15. November 1987 laden periodisch dazu ein, die kommunistische Vergangenheit Rumäniens besser kennenzulernen. Das Interesse an der jüngeren Geschichte Rumäniens ist relativ groß, das Museum ist immer gut besucht und in der Cafeteria am Eingang werden gerne Brifcor-Saft und Brötchen mit „Parizer“-Wurst bestellt. Für manche Besucher ist es eine Reise zurück in die eigene Jugend, für die anderen etwas komplett Fremdes und Exotisches, das man nur aus Filmen oder aus dem Fernseher kennt. Oder überhaupt nicht, wie die Besucher, von denen Museumsleiterin Beteringhe spricht.

Schüler lernen zu wenig über die jüngere Geschichte

Die neue temporäre Ausstellung im Museum der Erinnerungen an den Kommunismus thematisiert die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Deutschland und in Rumänien. „Aufarbeitung. Die DDR in der Erinnerungskultur“ erzählt vom Umgang mit der Geschichte der SED-Diktatur und der staatlichen Teilung Deutschlands seit dem Ende der DDR. Die 20 Tafeln umfassende Schau wurde ins Rumänische übersetzt. Zudem hat IICCMER (Institutul de investigare a crimelor comunismului) diese Ausstellung ergänzt durch 10 Tafeln über die Erinnerungskultur und Aufarbeitung des Kommunismus in Rumänien. Anschließend an die Eröffnung am 15. Mai fand eine Diskussionsrunde zum Thema Geschichte, Erinnerung und Nostalgie der kommunistischen Vergangenheit statt. Museumsleiterin Alina Betreinghe, die Kronstädter Orgnisatorinnen Roxana Florescu und Alina Depner vom Deutschen Kulturzentrum und die Forscher Dr. Dalia Báthory und Dr. Bogdan Preda sprachen darüber, warum Kronstädter Schüler so wenig über die lokale Geschichte lernen (wie etwa über Liviu Cornel Babeș oder über die Arbeiterrevolte), warum über die Gräueltaten der Securitate so viel geschwiegen wird und warum die kommunistische Vergangenheit von vielen älteren Leuten mit Nostalgie betrachtet wird.

Ein schwieriger Prozess

Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) war eine kommunistische Diktatur, die mit Hilfe des Ministeriums für Staatssicherheit die Ostdeutschen überwachte und unterdrückte. Das geeinte Deutschland bemüht sich um Aufklärung und Dokumentation der Geschichte des SED-Regimes. Bundesregierung und Deutscher Bundestag rufen zu diesem Zweck Behörden, Gremien und Stiftungen ins Leben. Auch Geschichtswissenschaft, Museen, Gedenkstätten und private Initiativen widmen sich der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit.

In Rumänien ist die Aufarbeitung ein schwieriger Prozess – in der Schule wird nur wenig über den Kommunismus unterrichtet, viel zu wenige Opfer des Regimes werden entschädigt, viel zu wenig Täter bestraft und manche Themen bleiben tabu.

Kein sozialistischer Staat kollabierte 1989 so schnell und so blutig: sechs Tage lagen zwischen den ersten Protesten in der Stadt Timișoara und der Flucht von Nicolae Ceaușescu. Was genau damals geschah, ist zum Teil noch immer unklar. Der Verarbeitungsprozess existiert aber. Die Archive der Securitate wurden 1999 geöffnet und im Jahr 2005 wurde das IICCMER gegründet, das Strafanzeigen über Misshandlungen von politischen Gefangenen in Gefängnissen und in Krankenhäusern einreichte.

Auch die Kunst setzt sich mit der kommunistischen Zeit auseinander. Filme zum Thema Revolution (z. B. „A fost sau n-a fost“), Abtreibung („4 Monate, 3 Wochen, 2 Tage“) oder wie die Securitate Kinder angeworben hat („Metronom“) sind nur einige Beispiele.

Ein wichtiges Buch, das neulich erschienen ist und einen wichtigen Beitrag zum Thema der Aufarbeitung leistet, ist „A fost ca-n filme. Cea mai mare afacere a Securității” von Stejărel Olaru und Liviu Tofan, erschienen beim Verlag Omnium. Das Buch enthüllt die Dimensionen eines heimlichen Geschäfts, das während des kommunistischen Regimes in Rumänien betrieben wurde – die illegale Vervielfältigung von Filmen auf Videokassetten. Mit diesem Geschäft wurden Dutzende von Millionen Dollar verdient. Man dachte, es gehörte einer Privatperson. In Wirklichkeit wurde es unter der vollständigen und ausschließlichen Kontrolle der Securitate betrieben. Es profitierte vom Drang nach Eskapismus und dem Bedürfnis nach Unterhaltung eines frustrierten Volkes.

Fluchtmethoden, Proteste und unbekannte Helden

In den Infotafeln über Rumänien geht es um die 80er Jahre mit den Warteschlangen vor den Läden und der Kälte in den Wohnungen, der Securitate-Überwachung, den Protesten gegen das kommunistische Regime, über Fluchtmethoden, über die Kinderheime, wo über 15.000 Kinder gestorben sind und über verschwundene Orte wie das Uranus-Viertel in Bukarest, das komplett zerstört wurde damit man das ehemalige „Haus des Volkes“ baut.

Die Ausstellung soll dazu einladen, zu den verschiedenen Themen weiter zu forschen, damit man die Vergangenheit besser kennt.

Vor 35 Jahren gelang es den mutigen Menschen in Ost-Deutschland und in Rumänien erfolgreich, sich vom Kommunismus zu befreien. Dies ebnete den Weg für das vereinte Europa, in dem wir heute leben. Doch Freiheit darf nicht als selbstverständlich genommen werden – und darüber nachzudenken lädt diese Ausstellung ein. Das Projekt wurde von der Deutschen Botschaft gemeinsam mit IICCMER und der Bundesstiftung für Aufarbeitung realisiert, in Kooperation mit dem Goethe-Institut, den deutschen Kulturzentren und zahlreichen weiteren deutschen und rumänischen Partnerorganisationen. Die Ausstellung ist ein Beitrag zum Erinnerungsjahr 2024, in dem an den Fall der Mauer am 9. November 1989 und die Revolution in Rumänien gedacht wird. Die Wanderausstellung wird in 10 Städten in Rumänien gezeigt, in Bukarest, Kronstadt, Hermannstadt, Râmnicu Sărat, Stefănești, Craiova, Temeswar, Großwardein, Jassy und Cluj-Napoca.