XXVI. INTERNATIONALE TAGUNG KRONSTÄDTER GERMANISTIK im Präsenzformat

Theaterperformance des Ensemble KABARETT KAKTUS: Entsorgt. Theater des Ichs

Die XXVI. Auflage der Internationalen Tagung Kronstädter Germanistik fand vom 23. bis 25. März im Präsenzformat an der Transilvania-Universität statt. Nach drei Jahren Pandemie, in denen eine Geistertagung und zwei Online-Tagungen veranstaltet wurden, war es nun möglich, in den Räumlichkeiten des Multikulturellen Zentrums der Universität und in der Aula Sergiu T. Chiriacescu zu tagen. Das Motto der diesjährigen von der Kronstädter Philologischen Fakultät in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens, Zweigstelle Kronstadt organisierten Veranstaltung lautete: Alles Helden, oder was? Paradigmen, Perspektiven, Traditionen und Tendenzen in Kultur, Kunst, Literatur und Sprache. 

Die Konferenz begann am Freitag, den 24. März um 9 Uhr mit einer musikalischen Darbietung von Elena und Paul Christian. Anschließend richteten der Dekan der Philologischen Fakultät, Doz. Dr. Adrian Lăcătuș, und die Tagungsveranstalterinnen Prof. Dr. habil. Carmen E. Puchianu und Doz. Dr. Delia Cotârlea Grußworte an die Gäste. 

Das zentrale Thema der Konferenz war der Held, und Germanistinnen und Germanisten aus Rumänien und aus dem Ausland (Griechenland, Österreich, Deutschland, Polen und der Türkei) trafen zusammen, um sich aus literatur-, kunst- und sprachwissenschaftlicher Perspektive mit Helden, Heroisierungen und Heldennarrativen auseinanderzusetzen.

Die erste Plenarsektion wurde von Dr. Stefan Lindinger aus Athen mit einem Vortrag über männliche Helden und weibliche Opfer in Joseph August von Törrings Dramen aus der bayerischen Landesgeschichte: Kaspar der Thorringer (1779/1785) und Agnes Bernauerin (1780) eröffnet. In derselben Vormittagssektion zeigte Dr. Adina-Lucia Nistor (Jassy) auf, wie sich die Merkmale des Heroischen und Kriegerischen in deutschen Ruf- und ihren Nachnamen widerspiegeln. 

Dr. Sunhild Galter aus Hermannstadt beschäftigte sich mit den parodistischen Zügen der Heldenkonstruktion in Erich Kästners Der Handstand auf der Lorelei, indem die Referentin auf Heldentypologien und zugleich auf den (De)Konstruktionsprozess von Heldenfiguren einging.

Weiterhin folgten Analysen zu Filmproduktionen – Dr. Ioana Diaconu (Kronstadt) untersuchte den rumänischen (Anti)Held im deutschen Krimi und Dr. Doris Sava (Hermannstadt) setzte sich mit der Heldin deutschen Netflix-Serie Kleo in dem Vortrag Bäng! Bang! Alle Helden im Dienste des Vaterlandes auseinander. Der Kölner Gast Clemens Fuhrbach ging der Frage nach, ob Helden Außenseiter sein dürfen, indem er Bezug auf Narrative des Weiblichen und auf nationale Identitätskonstruktion im Roman Gruppenbild mit Dame von Heinrich Böll Bezug nahm und kurz ebenso die Verfilmung mit Romy Schneider diesbezüglich untersuchte. Dr. Ileana Ratcu von der Universität Bukarest beschäftigte sich mit der Verwendung des Schlagwortes H e l d / er o u im Deutschen und Rumänischen. 
In den Diskussionen der ersten Plenarsektion betonten die Referentinnen und Referenten, dass Helden nicht unbedingt außerhalb der Gesellschaft stehen müssen, wie die Superhelden in den Filmen, sondern sich neuerdings auch innerhalb der Gesellschaft befinden können und in allen Bereichen aktiv sind, wo sie konkrete Lösungen für die Probleme ihrer Mitmenschen finden. Alle Beiträge dieser Sektion machten deutlich, dass die Entstehung und Legitimation von Heroisierungen und Helden mit komplexen und facettenreichen Prozessen verbunden sind.
Darüber hinaus hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, sich in den Pausen besser kennenzulernen, sich auszutauschen und auf dem Weg vom Multikulturellen Zentrum in die Aula Sergiu T. Chiriacescu mehr von Kronstadt zu sehen. Auch während des kurzen Spaziergangs wurde das Thema der Tagung lebhaft diskutiert:  die Rolle von Helden in der Gesellschaft, Frauen und Männer in Form stereotyper Heldenfiguren sowie mögliche literatur-, kunst- und sprachwissenschaftliche Zugänge zum Thema Helden.  

In der ersten Nachmittagssektion wurden die Helden aus (kunst)historischer Perspektive betrachtet: Dr. Gudrun Liane Ittu sprach über Helden mit Zeichenstift und Malerpalette? Siebenbürgisch-deutsche Künstler im I. Weltkrieg, Dr. Delia Cotârlea setzte die Erschließung der Siebenbürgischen Karpaten um 1900 in Verbindung mit einer Gruppe braver Männer, und für Dr. Cornelia E{ianu (Wien) war die Natur die Heldin in Iris Wolffs Debütroman Halber Stein. Die Konferenz endete am Freitagabend mit einer Sektion der Miszellaneen: Dr. Yüksel Gürsoy aus der Türkei lieferte einen besonders interessanten und anregenden Beitrag zu Interaktionen der türkischen Küche in Rumänien, Dr. Claudia [erbu (Kronstadt) bot einen Einblick in den Bereich der Digital Humanities anhand eines von ihr geleiteten Projektes zur Entstehung einer digitalen Karte räumlicher Repräsentationen in der deutschsprachigen Literatur aus Südosteuropa, Dr. Elzbieta Nowikiewicz (Bydgoszcz) präsentierte eine interessante Perspektive zu den zentralen Figuren in den Romanen Das schlafende Heer von Clara Viebig und Südwest. Ein afrikanischer Traum von A. E. Johann Hermine, wobei Dr. Hermine Fierbin]eanu (Bukarest) die Zuhörer mit dem Vortrag Mami, stai cuminte! Imediat am terminat.... Deutsche und rumänische Anredeformen in der Kommunikation zwischen Tierarzt, Tierärztin oder Tierhalter und zu behandelndes Haustier erfreute.

Am Freitagabend fand die Theaterperformance des Ensemble KABARETT KAKTUS: Entsorgt. Theater des Ichs. Eine Carpatesca cum persona mit live-Musik und Videocollagen im Studentenkomplex Memo statt. Die Veranstaltung war gut besucht und für die Tagunggäste ein willkommenes kulturelles Rahmenprogramm. Carmen E. Puchianu bot eine überzeugende und facettenreiche Performance mit tragikomischen und kreativen Momenten.
Auch der Samstag hatte ein reiches Angebot im Programm. Erfreulicherweise konnte dank der zahlreichen Anmeldungen ein Doktorandenforum eingerichtet werden: Romina-Elena Don]u (Klausenburg) untersuchte die Entwicklung der Heldinnen und Helden in Märchenromanen, Noémi Hegyi (Klausenburg) analysierte die Widerspiegelung des Ersten Weltkriegs in der Zeitschrift Ostland (1919–1921), Orsolya Tóth (Großwardein) beschäftigte sich mit Helden- und Opfergeschichten in der siebenbürgisch-ungarischen Literatur und ihre(r) Rezeption im deutschsprachigen Raum. Drei weitere Doktorandinnen präsentierten ihre Forschungsschwerpunkte und -ergebnisse: Larisa Pioaru (Kronstadt) stellte eine Bestandsaufnahme des Theaters an Schulen in Rumänien vor, Bianca Voinea (Bukarest) behandelte das Phänomen der Nicht-Orte im deutschen Expressionismus, M˛d˛lina-Ioana Leonte (Bukarest) sprach über Exilräume in Verbindung mit dem Hotel als Heterotopie in Anna Seghers Roman Transit, derweil Alina Strugaru (Konstanza) sich sprachwissenschaftlich mit der  Verwendung von Chunks in wissenschaftlichen Arbeiten auseinandersetzte.

Die zweite Samstagsektion umfasste vielfältige Beiträge: Dr. Mihai Crudu (Suceava) äußerte sich zur Variabilität der Normkonformität anhand (un)Markierten Sprachgebrauchs und fragte danach, ob sich ein neues Paradigma feststellen lasse; Dr. Maria Muscan (Konstanza) fragte danach, ob Lessing als Held und Antiheld im Hinblick auf freimaurerische Einflüsse betrachtet werden könne, Dr. Szabolcs János (Großwardein) beschäftigte sich mit Heroismus und Opfertum in der kollektiven Erinnerung der Sathmarer Schwaben, wobei Dr. Cecilia Vârlan (Konstanza) die Thomas-Bernhard-Rezeption im deutschsprachigen Raum und in Rumänien untersuchte, indem sie vom Helden als Störenfried in der Analyse ausging. 

Abschließend lässt sich festhalten, dass diese XXVI. Internationale Tagung Kronstädter Germanistik dazu beigetragen hat, tradierte Paradigmen zu hinterfragen und hervorzuheben, dass Heroisierungen komplexe Prozesse unterlaufen. Außerdem deckten die vielen thematischen Zugänge während der Tagung weitere Forschungsdesiderate auf. Alles in allem war es eine ertragreiche, dynamische und interaktive Veranstaltung, in der sowohl die wissenschaftlichen Inhalte als auch die Vernetzung im Mittelpunkt standen. Zum Abschluss sollen Dankesworte an die Förderer Michael-Schmidt-Stiftung und Selgros România gerichtet werden, durch deren finanzielle Unterstützung die Konferenz im Präsenzformat organisiert werden konnte.

Bianca Maria Raluca Dumitru 
Anetta Háromszéki 
Cristina Elena Istrate
Hanna-Zsuzsanna Török 

Masterandinnen des Studienganges Interkulturelle Studien zur deutschen Sprache und Literatur an der Transilvania-Universität Kronstadt
Leitung von 
Doz. Dr. Delia Cotârlea