Das 800. Jubiläumsjahr seit der ersten urkundlichen Erwähnung des Burzenlandes nähert sich seinem Ende – Immer wieder hat man im Laufe des Jahres 2011 über den Deutschen Orden gesprochen, gelesen, geschrieben. „Begegnet“ ist man ihm aber hierzulande kaum, und wenn schon, dann nur als Teil der Historie.
Anders verhält es sich zum Beispiel im Norden Italiens, in Bozen/Bolzano. In der Ballei „An der Etsch und im Gebirge“ – so die historische Deutschordensbezeichnung der Provinz Südtirol, aus der auch der Hochmeister Dr. Bruno Platter stammt - gestaltet der Orden das moderne Stadtleben mit. Allerdings nicht mehr wie früher, als Rittergemeinschaft, sondern als „klerikales Ordensinstitut päpstlichen Rechts, dem die Kongregation der Deutschordensschwestern ein – und das Familiareninstitut angegliedert ist“.
Im Ordensbuch wird erläutert: „Echte Ritterschaft kennt nicht nur die zeitgebundene Form des Schwertkampfes, die vergangen ist, vielmehr ist der Einsatz für Christi Reich, der Schutz der Wehrlosen, die Hilfe für die Misshandelten, Bedrängten, Verachteten und Notleidenden, die eigentliche Haltung des ritterlichen Menschen.“
In Bozen bezogen die Ordensbrüder schon im Jahre 1202 ein Hospital. 1392 kauften sie den Ansitz Weggenstein, wohin im Jahre 1400 das inzwischen zu einer Landkommende erhobene Hospiz verlegt wurde – hier befindet es sich heute noch. Nebenan ließen die Brüder ein Meisterwerk der Gotik erbauen, die Kirche „zum Hl. Georg in Weggenstein“ oder „Deutschhauskirche“. Benachbart steht heute das Collegium Deutschhaus Marianum, das Schüler- und Studentenheim des Deutschen Ordens.
Seit Kurzem leitet Pater Basilius Schlögl die Einrichtungen. Er war noch Schüler eines kirchlichen Gymnasiums, als ihn der dortige Seelsorger, ein Deutschordenspriester, mit dem Orden bekannt machte. „So bin ich in den Orden eingetreten, habe ganz normal Noviziat gemacht und bin anschließend zum Studium nach Rom gegangen“, sagt Pater Basilius. 2003 wurde er Priester, war mehrere Jahre Kaplan in Deutschordenspfarreien und ist nun seit September 2011 Regens des Deutschhauses in Bozen. Gleichzeitig betreut er eine weitere Pfarrei und unterrichtet an einer Schule. Mit Pater Basilius Schlögl führte ADZ/KR-Redakteurin Christine Chiriac ein Gespräch.
Der Deutsche Orden blickt auf eine jahrhundertelange Geschichte zurück. Wie ist er heute aufgebaut und welches sind seine Ziele?
Die Ziele, die wir heute verfolgen, waren schon von Anfang da: Der Leitsatz des Ordens ist „Helfen und Heilen“. Die alte und heute noch offizielle Bezeichnung des Ordens, dessen Ursprünge im Heiligen Land (im Jahre 1190, Anm. d. Red.) liegen, lautet „Die Gemeinschaft der Brüder vom Deutschen Haus Sankt Mariens in Jerusalem“.
Die Gründer waren vor allem aus den Hansestädten Lübeck, Bremen und Hamburg nach Jerusalem gereist und hatten dort die Not der Pilger – der Menschen, die jahrelang oft mittellos unterwegs waren – gesehen. Es wird berichtet, dass sie aus den Segeln ihrer eigenen Schiffe eine erste Unterkunft bauten und somit ein Hospiz gründeten, das vor allem für deutsche Pilger Anlaufstelle, Verpflegungsstation und Krankenhaus war.
Aus dieser Gemeinschaft ist dann im Zuge der historisch sogenannten Kreuzzüge ein Ritterorden entstanden. Das ritterliche Element spielte im Mittelalter eine große Rolle, denn der Deutsche Orden wurde von vielen Kaisern, auch beispielsweise von Kaiser Friedrich II. Barbarossa, als Instrument der Verteidigung, der Expansion, der Absicherung der Grenzen verwendet.
Heute lebt der Deutsche Orden seine Grundidee von „Helfen und Heilen“ in einer anderen Art und Weise fort, er ist aber nicht mehr ein Ritterorden, sondern wurde durch Pater Peter Rigler im 19. Jahrhundert in einen klerikalen Orden umgewandelt. Die drei Bereiche, die den Gesamtorden bilden, sind die Brüder – die Kleriker –, die Schwestern und die sogenannten Familiaren, die das ritterliche Element weiterführen. Das sind Laien, die in ihren Aufgabenbereichen in der Gesellschaft Verantwortung für Orden und Kirche übernehmen.
Das „Helfen und Heilen“ spielte natürlich immer eine Rolle. Der Orden hat sich stets bemüht, Einrichtungen zu schaffen, wo Menschen gepflegt werden – man sieht es an allen historischen Niederlassungen, inklusive hier in Bozen, wo neben Pfarreien auch jeweils soziale Einrichtungen gebaut wurden.
Hospize befinden sich vor allem an den wichtigen Übergängen, hier im Alpenland an den Pässen, um den Reisenden Unterkunft und Verpflegung zukommen zu lassen – das ist das Helfen. Das Heilen besteht natürlich aus Seelsorge. Hier in Südtirol, in der sogenannten Italienischen Provinz, betreuen wir heute über zwanzig Pfarreien, verschiedene soziale und karitative Einrichtungen, Pflegeheime, Behinderteneinrichtungen oder Therapiezentren.
Gilt es auch für Bozen?
In Bozen kümmern wir uns um die Versorgung von Schülern und Studenten. Im Deutschhaus gab es schon seit der Gründung eine Einrichtung, wo die Ritter gewohnt haben – das waren Adelige, die das Territorium verwalteten. Seit Ende des vorletzten Jahrhunderts wird diese Einrichtung für die Unterbringung von Studenten genützt, die aus den Landgebieten in die Stadt zum Studium kommen.
Wo gibt es noch Niederlassungen des Deutschen Ordens?
Wir sind in Italien, Österreich, Deutschland, Slowenien, der Slowakei und Tschechien präsent. Allgemein in den ehemaligen Habsburger Gebieten. Hier in Südtirol haben wir zum Teil auch sehr alte Deutschordensniederlassungen, in Bozen, in Lana, in Sankt Leonhard u. a.; weitere sind durch Napoleon dem Deutschen Orden entwendet worden, wie beispielsweise Sterzing und Schlanders. Ritten, oberhalb von Bozen, ist auch ein Gebiet, wo der Deutsche Orden einige Pfarreien betreut.
Gibt es heute noch einen Bezug zu Deutschordensgründungen wie z. B. der Marienburg in Polen?
In diesen Gegenden, in denen der Orden über Jahrhunderte nicht mehr präsent war, gibt es nur mehr historische Bezüge – wie auch zu Rumänien. Durch die Schlacht von Tannenberg 1410 ist die Herrschaft des Ordens im Baltikum und in Polen zu Ende gegangen. Gerade in ehemaligen kommunistischen Ländern, wo allgemein eine Enteignung der Kirche stattgefunden hat, bekommt der Deutsche Orden manchmal Besitzungen zurück, wobei sich jeweils die Frage stellt, inwieweit der Orden selbst diese Eigentümer noch übernehmen kann oder ob sie der Staat übernimmt. Zum Teil können die historischen Bezüge wieder belebt werden, aber das ist schwierig, da sind wir jetzt noch am Anfang.
Welches sind die konkreten Schwierigkeiten in Ihrer Arbeit?
Die Schwierigkeiten sind ganz allgemeiner Natur, denn die westliche Gesellschaft erlebt generell eine Säkularisierung. Die Funktion eines Ordensmannes, eines Priesters, wird heute in der Gesellschaft anders gesehen, und in dieser Aufgabe begegnet man den Leuten dementsprechend anders, was manchmal Schwierigkeiten, manchmal aber auch ganz neue Möglichkeiten ergeben kann.
Ein weiteres Problem wäre der Rückgang von ordenseigenen Mitgliedern: Viele Einrichtungen muss man mit Menschen von auswärts besetzen, die keine Ordensleute sind, sondern Angestellte. Diese Entwicklung teilen wir selbstverständlich mit anderen Ordensgemeinschaften. Ich würde sagen, es gibt kein deutschordensspezifisches Problem, sondern Herausforderungen die sich generell aus der heutigen Zeit ergeben.
Wie viele Personen arbeiten hier in der Einrichtung in Bozen?
Mit mir als Regens sind wir hier im Deutschhaus fünf Leute, zusätzlich haben wir drei Studenten- und Schülerheime, wo insgesamt zwischen 15 und 20 Angestellte tätig sind. In den Heimen wohnen rund 300 Studenten.
Wie viele Mitglieder hat der Orden heute insgesamt?
Wenn man die Familiaren mitrechnet, sind es an die 3000 Mitglieder, wobei knapp 100 Geistliche sind. Es ist ein kleiner Orden.
Wie ist die Beziehung zu anderen Orden?
Ganz normal. Hier in Südtirol leben wir auf engem Raum mit anderen Orden, decken aber sehr unterschiedliche Bereiche ab. Die Franziskaner und Kapuziner, die beispielsweise hier in der Stadt präsent sind, haben ein ganz anderes Apostolat als der Deutsche Orden.
Haben Sie Rumänien schon besucht?
2007 war ich mit Mitbrüdern in Rumänien, wir wollten die Moldauklöster besuchen und waren auch in Siebenbürgen. Hermannstadt und Kronstadt sind natürlich sehr schöne Städte. In einer Dorfkirche in der Nähe von Hermannstadt haben wir „Großer Gott, wir loben dich“ gesungen. Eine alte Frau, eine der wenigen die dort in den Dörfern noch leben, war dabei und hat sich sehr gefreut. Es war sehr beeindruckend.