Der unbekannte Johann Strauss

Zur zweiten Auflage des Strauss-Buches von Franz Metz

Franz Metz: „Eine Reise in den Orient. Johann Strauss und seine Konzerte im Banat, in Siebenbürgen und in der Walachei“, Edition Musik Südost, München 2021, 2. erweiterte Auflage, ISBN 978 3 939041 35 1. Zu bestellen über den Buchhandel weltweit, oder per Mail: franzmetz@aol.com, oder per Fax: 0049 89 45011762. Preis: 15 Euro

Die Biographie von Johann Strauss (Sohn) ist mit dem südöstlichen Europa und der Geschichte dieses Kulturraumes eng verbunden. In den meisten Biographien wird dieses Kapitel, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnt. Der Walzerkönig hat nicht nur durch seine Konzertreise der Jahre 1847-1848 tiefe Spuren in der Musikgeschichte Südost-europas hinterlassen, sondern hat das Milieu dieser Region in seine Bühnenwerke miteinbezogen. Es ist die Reise eines Künstlers, die man sich spannender nicht vorstellen kann. Selbst die abenteuerlichen Kunstreisen von Franz Liszt 1846 und Johannes Brahms 1879 durch das Banat und Siebenbürgen verkommen zu kleinen Spazierfahrten, neben der „Weltreise“ des Walzerkönigs in den Jahren 1847-48.

Der aus dem Banat stammende Organist und Musikwissenschaftler Franz Metz veröffentlichte nun in der zweiten Auflage im Verlag Edition Musik Südost, München, sein bereits 1999 erschienenes Buch „Eine Reise in den Orient. Johann Strauss und seine Konzerte im Banat, in Siebenbürgen und in der Walachei“. Thomas Kloiber, der Leiter des Österreichischen Kulturforums in Bukarest, schreibt in seinem Vorwort: „Diese Reisen vermehrten nicht nur den Ruhm des Wiener Ausnahmemusikers und –komponisten, sondern inspirierten Johann Strauss zu neuen Werken, in denen das Lokalkolorit südosteuropäischer Musik unschwer zu erkennen ist. Mit Auseinandersetzung fremder Musikelemente und deren Aufnahmen in sein eigenes musikalisches Schaffen wirkte Johann Strauss damals schon als Proponent eines interkulturellen Dialogs, einer der Schwerpunkte gegenwärtiger österreichischer Auslandskulturpolitik.“

Die musikalischen Beziehungen zwischen Wien und Südosteuropa waren im 19. Jahrhundert viel ausgeprägter, als man dies heute aus einzelnen Büchern und Lexika erfahren kann. Der bedeutende Publizist Ignaz Franz Castelli (1781-1862) schrieb als Temeswarer Theaterdirektor eine Ouverture mit dem Titel „Temeswar, das kleine Wien“. Auch durch Adolf Müller (1801-1886), Franz Doppler (1821-1883) und viele berühmt gewordene Sängerinnen, die in Temeswar/Timi{oara debütierten, war das „kleine Wien“ in der damaligen Musikhauptstadt der Welt nicht unbekannt. Die Walzer von Strauss erklangen im selben Konzert neben dem ungarischen Csárdás, der rumänischen Ardeleana oder dem serbischen Kolo. Die Texte seiner Chorwalzer und Operetten wurden in die Sprachen der dort lebenden Nationalitäten übersetzt, und so manche südosteuropäische Bühnenwerke hatten sich seine „Fledermaus“ zum Vorbild genommen. Ohne diese wäre die Entstehung einer ungarischen „Csárdásfürstin“ oder rumänischen „Ana Lugojana“ unvorstellbar.

Bis in unsere Tage ist von dem damaligen „Klein-Wien“ in Temeswar, Arad, Budapest, Klausenburg/Cluj-Napoca oder in vielen anderen Städten der ehemaligen Doppelmonarchie einiges erhalten geblieben – wenn auch nur mehr überwiegend von architektonischer Natur. Auf den Straßen von Lugosch, Reschitza, Orawitza oder Temeswar hörte man noch vor wenigen Jahren den Dialekt der Nachkommen der ehemaligen österreichischen Beamten und Zuwanderer. Auf dem Weg mit der „Elektrischen“, von der Temeswarer Josefstadt bis in die Innenstadt, konnte man den „Weaner“ Dialekt in all seiner Originalität erleben. Die Reschitzaer Operettengruppe widmete ihre ganze künstlerische Energie bis etwa 1985 diesem musikalischen Genre und in Temeswar versucht man dem nun neuen einheimischen Publikum den „Zigeunerbaron“ näher zu bringen.

„Wer die Emigration mitgemacht hat, weiß, dass man bei Johann-Strauss-Musik Heimweh bekommt...“ Diese Worte Marcel Prawys, einem österreichischen Emi-granten in Amerika, könnten auch einem Banater Aussiedler zum Beginn des 21. Jahrhunderts in Deutschland zugeschrieben werden. Was hat Strauss eigentlich mit dem heutigen Balkan zu tun? Als Strauss 1847 seine Reise entlang der Donau, die ihn fast bis zu ihrer Mündung führen wird, begann, berichtete er von einer „Reise in den Orient“. Zum Glück sind uns viele zeitgenössische Dokumente und Berichte darüber erhalten geblieben. Ob in Jassy/Iaşi, Hermannstadt/Sibiu, Klausenburg, Kronstadt/Braşov, Bukarest, Arad oder Temeswar, die Spuren seiner damaligen Konzertreise können auch im 21. Jahrhundert noch verfolgt werden.