Im Jahr 1206 fanden sich die sechs bedeutendsten deutschen Dichter auf der thüringischen Wartburg zusammen, um einen künstlerischen Wettstreit auszutragen. Es galt, den Landesfürsten Hermann bestmöglich zu preisen, wobei dem Verlierer der Tod drohte.
Zu den Teilnehmern des legendären „Sängerkrieges auf der Wartburg“ zählten Walther von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach und Heinrich von Ofterdingen, der in dem Wettkampf unterlag. Doch er behauptete, betrogen worden zu sein, und erbat sich einen neutralen Richter aus: den märchenhaften Klingsor, der in Siebenbürgen residierte, „den berühmtesten deutschen Meistersänger“.
Binnen eines Jahres suchte ihn Heinrich Klingsor auf und führte ihn zur Wartburg. Dort trat der Siebenbürger Meister gegen Wolfram von Eschenbach an, konnte ihn im Verseschmieden jedoch nicht bezwingen. Also behalf er sich seiner mystischen Geister, die Wolframs Dichtertalent zwar ebenfalls nicht überboten, ihn jedoch als unwissend in den übrigen hohen Künsten entlarvten. „Wolfram, du bist ein Laie!“, ritzten sie deshalb in das Gemäuer seiner Herberge.
Klingsor hingegen demonstrierte sein umfangreiches Wissen, indem er dem Landgrafen Heinrich die Sterne deutete: So sagte er die Geburt der ungarischen Prinzessin Elisabeth und deren Vermählung mit dem Sohn des thüringischen Herrschers voraus. Klingsor erwies sich auf diese Weise als Wolfram überlegen und konnte Heinrich von Ofterdingen vor dem Strick bewahren.
Die Sage von den sechs Dichterfürsten und dem Siebenbürger Magier ist eine der beliebtesten deutschen Erzählungen des Mittelalters. Sie findet sich auch in den „Deutschen Sagen“ der Gebrüder Grimm wieder. Hierin treten historische Personen wie Walther von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach und Reimar Zweter, die keinesfalls unmittelbare Zeitgenossen waren, gleichwertig neben fiktiven Figuren wie dem Zauberer Klingsor und Heinrich von Ofterdingen auf. Generell dominiert die Gegenüberstellung von höfischer Kultur und mystischem Heidentum, wobei Siebenbürgen aufgrund seiner Entfernung zum zentralen Handlungsort – ähnlich wie Island im „Nibelungenlied“ – als Hort der magischen Wesen dargestellt wird. Dies jedoch nicht abwertend: Vielmehr verbindet Klingsor als Sänger und Zauberer die christlich-kulturelle Gesellschaft des Mittelalters mit heidnischen Elementen. Er wird somit zum weisen Wanderer zwischen den Welten.
Besonders in der Romantik erfuhr der Sängerstreit zahlreiche Bearbeitungen, unter anderem in E.T.A. Hoffmanns „Der Kampf der Sänger“ (1818) und in Novalis‘ „Heinrich von Ofterdingen“ (1802). Auch der „deutsche Merlin“ Klingsor lebt bis in die heutige Literatur nach: So erschien 2001 der Roman „Das Klingsor-Paradox“ des Mexikaners Jorge Volpi.