Keiner der Impressionisten hat die „Haut“ der Landschaft beredter geschildert als Claude Monet, den man auch als Vaterfigur für die zeitgenössische und moderne Malerei bezeichnen kann. Er malte die Bäume, das Meer und den Himmel so, wie Renoir die Haut der Frauen malte. Seine Bilder strahlen die gedankliche Durchdringung, die analytische Ruhe innerhalb eines Gartens Eden aus. Denn er wollte in die Tiefe gehen, die tiefer liegenden Interaktionen zwischen Auge und Verstand bloßlegen. Allein 41 Monet-Bilder bilden den Höhepunkt in der Ausstellung „Impressionismus. Die Kunst der Landschaft“, mit der das wiederaufgebaute Palais Barberini am Alten Markt in Potsdam als Kunstmuseum seine Pforten öffnet. Der Unternehmer Hasso Plattner, Gründer und langjähriger Leiter des Softwareunternehmens SAP, hat in den vergangenen 20 Jahren eine der bedeutendsten Sammlungen von Landschaftsdarstellungen des französischen Impressionismus zusammengetragen, die den Kern der wunderbaren Eröffnungsausstellung in dem von ihm gestifteten Museum Barberini bildet.
Dazu sind Leihgaben aus 32 Museen und Privatsammlungen aus Eu-ropa und Übersee hinzugekommen. Aber damit nicht genug. In einer zweiten Schau werden „Klassiker der Moderne“ – Liebermann, Munch, Nolde und Kandinsky – gezeigt und zudem kann man auch in weiteren Abteilungen Werke der Amerikanischen Moderne, der Kunst der DDR sowie der Malerei nach 1989 aus der Hasso-Plattner-Stiftung sehen. Sie kündigen weitere große Ausstellungsunternehmen an, die das Museum Barberini – dabei immer von den eigenen Beständen ausgehend – noch in diesem Jahr realisieren will: „Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne“, „Hinter der Maske. Künstler in der DDR“ – und man kann auch schon auf „Max Beckmann. Welt-Theater“ verweisen, die in Kooperation mit der Kunsthalle Bremen Anfang 2018 präsentiert werden soll.
Die Impressionismus-Ausstellung stellt nach bestimmten Themen die Freilichtmalerei der Impressionisten vor. Die Wandelbarkeit eines Naturausschnitts bei wechselnder Tages- und Jahreszeit war ihr Hauptthema. Sie verstanden Licht und Schatten als farbige Phänomene und setzten die Reflexe des Sonnenlichts auf den Dingen mit Farben und kurzen, nebeneinander liegenden Pinselstrichen um. Gerade Wasser und Himmel waren die wesentlichen Faktoren, um das Licht ins Malerische umzusetzen. Die Brechungen und Spiegelungen des Lichts konnten auf der Wasseroberfläche genau studiert werden. Das Beobachten des Wassers und des Himmels bot Eugčne Boudin in seinen Seestücken und Küstenlandschaften die Möglichkeit zur Darstellung von „formloser Masse“. Camille Pissarro wiederum tupfte die Farbe auf die Leinwand. Aus dem Neben- und Übereinander der Farbflecken entstand eine vibrierende Atmosphäre, die die Konturen auflöst und den Formen ihre Festigkeit nimmt. Die strenge konstruktive Ordnung seiner Bilder, die perspektivische Gestaltungsmittel zurücknimmt, stand dieser Tendenz entgegen und gab der Darstellung ein klares Gefüge. Während für Théodore Rousseau die Luftperspektive die Grundlage seiner Kompositionen bildet, arbeitet Alfred Sisley mit „verschwimmenden“, übergänglichen Gegenstandsgrenzen, er fasst die Farben zugleich als Buntheiten und Valeurs, und gewinnt gerade daraus, im Kontrast, eine Lichtwirkung über das spezifische Farblicht hinaus. Erstaunliche Studien über gefiltertes Licht, das die Farben im Halbschatten schillern lässt, sind Pierre-Auguste Renoirs Landschaften.
Monets frühe Gemälde geben Belege für eine Welt, die sich in Farben, Tönen, Klängen unendlich differenziert, ohne die Erfahrung des Ganzen zu vermitteln. Seine späteren Bilderreihen hingegen arbeiten der impressionistischen Tendenz entgegen, eine wenig verbindliche „Momentaufnahme“ zu verabsolutieren, und suchen nach gültiger Ganzheit. Sie sind letztlich der Versuch, über sich immer weiter zergliedernde Eindrücke wieder zur Vorstellung des Ganzen zu gelangen. Der Maler konzentriert die Erforschung der Lichtphänomene zwar auf ein und dasselbe Motiv, doch die Technik bleibt bei ihm immer spontan. Sie entwickelt sich übrigens in einer Richtung, die ihn von der Division des Farbtons wegführt und zu immer größerer Undurchsichtigkeit und materieller Dichte führt. Während in den „Seerosen“ von Giverny – sie geben einen überwältigenden Eindruck im letzten Saal der Ausstellung – die Farbschicht ganz undurchsichtig wird und sich in eine Art Farbwand verwandelt, erhöhen sich die Wirkungen der Oberflächenreflexion, die die Bilder beleuchtet. Die Materialität der Dinge interessiert den Künstler nicht, allein die Lichtphänomene ziehen ihn an. Das Licht an sich selbst kommt jedoch am Besten in der undurchsichtigen Technik zum Ausdruck, wobei es als ein Erschauern an der Oberfläche erfasst wird, während die transparente Malerei der Farbe eine kosmische Tiefe verleiht. Eine vom Pariser Musée Rodin und den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zusammengestellte Skulpturengalerie erinnert an die gemeinsame Schau von Monet und Rodin 1889 in Paris und würdigt in Rodins 100. Todesjahr den Bildhauer, der das impressionistische Spiel mit dem Licht eingeführt hat.
Die Ausstellung „Klassiker der Moderne“ schließt eigentlich folgerichtig an, wird hier doch der Bogen vom deutschen Impressionismus über den Fauvismus bis in die Abstraktion nach 1945 und bis in die Gegenwart – von Kandinsky über die Abstrakten Expressionisten, Sam Francis, Joan Mitchel, Andy Warhol bis weiter zu Gerhard Richter – geschlagen. Wie Monet hat Max Liebermann ein Thema häufig wiederholt, um es vollständig zu erfassen. Sein Gartengrundstück am Berliner Wannsee malte er wohl zweihundertmal. Der Maler umkreiste förmlich sein Domizil und analysierte in prismatischen Ausschnitten das Ganze nach spezifischen Details, sogar bemessen nach Zentimetern. In zahlreichen Werken studierte Lovis Corinth die Umgebung des Walchensees und Max Slevogt widmete sich ganz der Pfalz. Über die Meeres-, Garten- und Blumenbilder Emil Noldes, an denen sein Weg von der impressionistischen, lichtsprühenden Malweise zur Befreiung der Farbe und zur expressiven Geste verfolgt werden kann, gelangt der Besucher in den Munch-Saal. Der die „Brücke“-Maler inspirierende Edvard Munch machte Asgardstrand, ein Fischerdorf an einem Fjord außerhalb Oslos, zu einer der symbolhaften Landschaften des modernen Geistes und zum Sinnbild für Entfremdung, Verlorenheit und Sehnsucht. Die Figuren, die in einem schrankenlos ich-bezogenen Trancezustand auf das Meer hinausblicken, sind vielleicht die letzten Nachfahren der melancholischen Rückenfiguren in der romantischen Malerei, aber die Landschaft ist keineswegs der Ort der Handlung für diese Gestalten, sondern der Hintergrund jenes bedrückenden Seelenzustandes, den Munch in seinen Tagebüchern so erschütternd beschrieben hat.
Dieses bunte Kaleidoskop von Ausstellungen bzw. Ausstellungsteilen vermittelt Kunstgenuss und Erkenntnisgewinn und auch etwas von der Begeisterung des Sammlers für die Malerei – es erinnert aber auch an jene noble Geste, das individuell Erworbene in den Dienst der Gesellschaft zu stellen.