„Oft sehr verloren“ habe er sich als junger Künstler in Rumänien gefühlt, so Sorin Dan Cojocaru. Der heute 34-Jährige gehört einer Künstlergeneration an, die in der chaotischen postkommunistischen Zeit im Umbruch zwischen zwei Systemen heranwuchs. Nach seinem Studium an der Kunstuniversität Bukarest orientierte sich Cojocaru kurzum nach Westen: 2001 ging er an die Accademia di Belle Arti di Brera nach Mailand, 2004 als Erasmus-Student an die Akademie der Bildenden Künste in München. Den Zeitgeist zwischen globaler Entwurzelung, kulturellem Sinnverlust und postmodernen Oberflächlichkeiten machte der Konzeptkünstler zum Ausgangspunkt seiner Kunst – und er stellt darin auch die Frage nach den Folgen der Globalisierung. Für die ADZ sprach Andrea Rüthel mit Sorin Dan Cojocaru über seine künstlerische Entwicklung.
Sorin, welche Gründe haben dich dazu bewogen, zum Studium in den Westen zu gehen?
Die Umwelt in Bukarest konnte mir nicht mehr das geben, was ich suchte. Ich bin ein Künstler, der in der postkommunistischen Zeit studiert hat. Im frühen Kommunismus gab es in Rumänien eine offizielle Kunstrichtung, dementsprechend konservativ war auch die Ausbildung. Später öffnete sich das System etwas. Dennoch prägte die Tradition die Ausbildung auch noch nach dem politischen Umbruch. Natürlich verändern sich Dinge, aber sie verändern sich langsam. Wir haben auf der Akademie in Bukarest vor allem Malereitechniken erlernt, hatten Kurse z. B. zu Perspektive und Anatomie. Es gibt heute zwar einige gute rumänische Künstler, die im Ausland gerade wegen dieser traditionellen Ausbildung erfolgreich sind. Aber nicht für jeden geht es in der Kunst darum, ein guter Maler zu sein.
Siehst du die kommunistische Prägung auch in der zeitgenössischen rumänischen Kunstlandschaft allgemein?
Die Kunstszene hier ist sehr anders als zum Beispiel in Deutschland. Es gibt einige Kunstrichtungen und viele Künstler sind sehr in diesen Bahnen gefangen. In Deutschland gibt es mehrere individuelle Künstler, die sich schwer kategorisieren lassen. Diese Künstler würden hier vielleicht nicht erfolgreich sein – wegen der unterschiedlichen Traditionen, aber auch wegen der anderen Struktur des Kunstmarktes. Im Westen konnte sich der Kunstmarkt konstant entwickeln, aber in Rumänien war in der kommunistischen Zeit faktisch kein Markt vorhanden. Man fühlt noch heute, dass hier ein Bruch stattgefunden hat – in der Kunstentwicklung, in der Kunstrezeption und im Kunstmarkt.
Welche Unterschiede in der Akademieausbildung sind dir zwischen Bukarest und München aufgefallen?
In Bukarest waren die Studenten dazu angehalten, alle Kurse zu besuchen, auch wenn nicht jedes Thema nutzbringend für ihre individuelle Ausrichtung als Künstler war. Das hat gut funktioniert, um Techniken zu lernen. In München war die Ausbildung dagegen frei. Die Studenten hatten einen Einstiegstest und irgendwann eine Abschlussarbeit. Dazwischen konnten sie machen, was sie selbst für wichtig hielten. In München haben die Professoren den Studenten lediglich Richtungen aufgezeigt, ihnen gesagt: „Du bist gerade hier, jetzt kannst du dorthin gehen oder dorthin. Was richtig ist, musst du selbst herausfinden.“ Trotzdem war das Niveau an der Akademie der Bildenden Künste sehr hoch. Ich habe das sehr gemocht.
Wie prägend waren deine Auslandserfahrungen für deine künstlerische Entwicklung?
Nach meinem Kontakt mit der westeuropäischen Kunstlandschaft habe ich mich langsam verändert. Noch in Bukarest war ich vor allem an Techniken interessiert. In meinem ersten Jahr in Italien hatte ich dann einen Konzeptkünstler als Lehrer, Luciano Fabro, einen Vertreter der „Arte Povera“-Strömung. Darauf war ich nicht vorbereitet, ich kam aus einem anderen Verständnis von Kunst heraus. Die Begegnung war wichtig, später machte ich nur noch Konzeptkunst. Als ich aus Deutschland wiederkam, nutzte ich Neo-Pop-Einflüsse, dann beschäftigte ich mich viel mit Installationskunst. Auch heute noch vergleiche ich die Dinge, die ich sehe, mit dem, was ich aus Deutschland kenne. Auf der anderen Seite blieb mein Hintergrund als osteuropäischer Künstler immer wichtig für mich. Mein künstlerisches Schaffen ist also von vielen unterschiedlichen Dingen geprägt.
Inwiefern sieht man die globalen Einflüsse auch in deiner Arbeit?
Dazu möchte ich eine kleine Geschichte erzählen: Als ich in Mailand war, haben mich meine italienischen Freunde in ein rumänisches Restaurant eingeladen, weil sie interessiert waren an der rumänischen Kultur. Sie haben etwas als Nachspeise bestellt, das Colivă heißt. In Rumänien ist das aber ein rituelles Essen, das man nach einer Beerdigung isst oder wenn man sich an einen verstorbenen Menschen erinnert. Stell dir also vor, du sitzt mit deiner Freundin bei einem Glas Wein und bestellst dir diese Beerdigungsnachspeise, hast aber keine Ahnung von den Hintergründen. Du hast afrikanische Masken an der Wand hängen, isst Colivă zum Nachtisch, fährst ein deutsches Auto, siehst einen koreanischen Spielfilm, aber du verstehst eigentlich gar nichts von der Welt. Das ist „global“, das ist Pop. Etwa bis 2008 beschäftigte ich mich in meiner Arbeit viel mit diesem Mischmasch. Ich kombinierte globalisierte Symbole und Materialien aus unterschiedlichen Kulturen, nutzte sie jedoch nur in einer oberflächlichen Weise. Ich riss kommunikative Codes aus ihren Strukturen. Wenn sie aber zusammengefügt werden, ergibt sich etwas Neues, Ironisches, immer auch Politisches.
Um was geht es dir heute in deiner Kunst?
Ausgehend von dieser Schaffensphase stelle ich in meinen Projekten heute die Frage danach, was nach der Globalisierung kommt. Ich nehme verschiedene Theorien aus der Physik oder Mathematik und benutze sie bewusst in einer gefälschten Weise. Nach der Globalisierung kommt die Neuentwicklung unseres Wertesystems. Darum geht es in meinen Projekten. Ich setzte mit ihnen ein großes Fragezeichen. (Arbeiten: sorindancojocaru.blogspot.com)