„Im Banne der Gesetze“ von Wilhelm Andreas Baumgärtner

Neuester Band der Reihe „Die Geschichte der Siebenbürger Sachsen“ erschienen

Im Schiller-Verlag Hermannstadt ist unlängst der zehnte Band der Reihe „Die Geschichte der Siebenbürger Sachsen“ erschienen, die in Gänze aus der Feder von Wilhelm Andreas Baumgärtner stammt. Das chronologisch aufgebaute und groß angelegte Geschichtswerk erzählt in klarer und anschaulicher Sprache das historische Werden der siebenbürgisch-sächsischen Nation: von den Anfängen („Wie die Sachsen nach Siebenbürgen kamen“ – so der Untertitel des ersten Bandes) über die Zeit des Spätmittelalters, der Türkenkriege, der Reformation und der Gegenreformation, der Kuruzzenkriege und den Beginn der habsburgischen Herrschaft bis zur Auflösung der aus Ungarn, Szeklern und  Siebenbürger Sachsen bestehenden Nationsuniversität, die den Gegenstand des nächsten Bandes der umfänglichen Reihe bilden wird. 

Der jüngst erschienene zehnte Band befasst sich mit Siebenbürgen im 18. Jahrhundert, speziell mit der Ansiedlung der Landler und der Banater Schwaben in dieser geschichtsträchtigen Region. Bereits im Vorwort zu diesem neuesten Band macht der 1952 in Hermannstadt geborene Autor, ein studierter Historiker, Germanist und Theologe, deutlich, dass es ihm nicht um eine fachwissenschaftliche Studie für Geschichtsexperten geht, sondern um eine gemeinverständliche Darstellung historischer Vorgänge in flüssiger Sprache und anschaulicher Form, wobei in den zahlreichen und übersichtlichen Fußnoten immer wieder Begriffe erläutert werden, die für den Laien Erklärungsbedarf besitzen.

So kommentiert Baumgärtner – um nur die ersten drei Fußnoten des umfangreichen Bandes zu erwähnen – den Begriff der Nationsuniversität, indem er die ständische Gliederung des von Ungarn, Szeklern und Siebenbürger Sachsen repräsentierten Fürstentums Siebenbürgen hervorhebt: „Die ebenfalls hier lebenden Rumänen galten nicht als anerkannte Nation. Unter dem Begriff Nation verstand man eine juristische Körperschaft; er hatte keine ethnische Bedeutung.“ (S. 7) Das „Leopoldinische Diplom“ wird von Baumgärtner folgendermaßen erläutert: „Ein Vertrag von 1691 zwischen dem Hause Österreich und dem Land Siebenbürgen. Damit wurden die Übernahmebedingungen geregelt, unter denen das Fürstentum Siebenbürgen in die Hoheit des Kaisers von Wien überging.“ (S. 7) Und der für das Buch zentrale Begriff Landler wird von Baumgärtner so erklärt: „Bewohner des ‚Landls’, einem Gebiet in Oberösterreich östlich des Innviertels und westlich der Traun.“ (S. 9) In einem späteren Kapitel seines Buches (vgl. S. 195) macht Baumgärtner dann deutlich, dass der Begriff Landler nicht nur auf Bewohner der oberösterreichischen Landschaften des Hausruckviertels und des Traunviertels angewandt wurde, sondern als Sammelbegriff für alle Transmigranten aus Österreich, so z.B. auch aus Kärnten, Geltung erlangte.

Wilhelm Andreas Baum-gärtners Geschichtswerk „Im Banne der Gesetze“ gliedert sich in drei große Teile. Der erste Teil ist den Kämpfen der Großmächte – „Sultan, Zar und Schwedenkönig“ (S.11) – gewidmet, wobei auch der bedeutenden Rolle der Republik Venedig besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Sehr anschaulich werden die Kriegszüge Prinz Eugens von Savoyen geschildert, der im Jahre 1716 Temeswar von den Osmanen befreite, die die Stadt seit 1552 besetzt gehalten hatten. Mit dem Frieden von Passarowitz (1718) kam das Temescher Banat dann zu Österreich, womit das Habsburgerreich auch seine größte territoriale Ausdehnung erreichte.

Prinz Eugen sah sich jedoch nicht nur als Eroberer, sondern vielmehr als Staatsmann, der den entvölkerten und verheerten Gebieten wieder eine verlässliche Ordnung zu geben sich bemühte. „Dazu setzte er den richtigen Mann an den richtigen Platz. Graf Claudius Florimund Mercy wurde als Gouverneur des Banates zum Organisator der Kolonisation, der Ansiedlung der ‚Banater Schwaben’, einem Jahrhundertwerk, das bis in die heutige Zeit überdauert hat.“ (S. 64) „Die erste Siedlerwelle auf Initiative von Graf Mercy bestand aus ungefähr 20.000 Menschen, die 1720 in der Batschka (heute Grenzregion zwischen Serbien und Ungarn) angesiedelt wurden. Sie kamen aus der Pfalz, von der oberen Nahe, Mosel sowie aus den Gegenden um Mainz, Worms, Speyer, Darmstadt und Fulda.“ (S. 66) Es folgten unter Karl VI. der „erste Schwabenzug“, die erste große ländliche Ausreisewelle der Jahre 1722 bis 1726, unter Maria Theresia der zweite „große Schwabenzug“ (1756-1766) und unter Joseph II. der „dritte Schwabenzug“, der die Kolonisation des Banats abschloss, wobei der tolerante Kaiser in seinem Auswanderungspatent von 1782 den Kolonisten „gänzlich vollkommene Gewissens- und Religionsfreiheit“ (S. 76) gewährte.

Der zweite Teil von Baumgärtners Buch behandelt dann die internen Machtkämpfe der siebenbürgischen Nationsuniversität, wobei nicht nur Fragen der politischen Mitbestimmung und der Steuergesetzgebung eine Rolle spielten, sondern auch damit verbundene Fragen der Konfessionszugehörigkeit, zumal in Siebenbürgen fünf christliche Konfessionen miteinan-der konkurrierten: die katholische, die calvinistische, die lutherische, die unitarische und die griechisch-orthodoxe Kirche. „Die bisherigen Landesgesetze schrieben die Vorherrschaft der Protestanten fest (nur ein Calvinist durfte zum Fürsten gewählt werden), was die Katholiken im Zeichen der vom Kaiserhaus unterstützten Gegenreformation nicht mehr zeitgemäß fanden.“ (S. 102) Überall im Sachsenland, sei es in Klausenburg oder Mediasch, in Schäßburg, Hermannstadt oder Kronstadt, wurden die Evangelischen zurückgedrängt, sie mussten mehrere ihrer Kirchen an die Katholiken abtreten, die sich außerdem anschickten, unter den Protestanten Proselyten zu machen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das Kapitel über den innerevangelischen Kampf der lutherischen Sachsen gegen die Glaubensrichtung des Pietismus, die vor allem in Halle und Jena im Schwange war, weswegen die siebenbürgischen Studenten vom Studium an diesen Universitäten abgehalten werden sollten (vgl. S. 126-135).

Der „Glaubenskämpfe und die Folgen“ überschriebene dritte und letzte Teil des Buches von Wilhelm Andreas Baumgärtner widmet sich einer innerösterreichischen Problematik, die jedoch weit reichende Auswirkungen auf die Geschichte Siebenbürgens hatte. Die repressive Religionspolitik der Habsburger führte nämlich dazu, dass evangelische Christen in den Untergrund gedrängt wurden, wo sie als ‚Geheimprotestanten’ im Verborgenen ihre Gottesdienste abhielten, so etwa in Goisern im Salzkammergut. Die Protestanten wurden dabei als Sektierer und Aufwiegler behandelt, denen als einzige Gnade nur die „beweinenswerte Wohltat der Auswanderung“ gewährt wurde. Dieses Emigrationsrecht wurde jedoch in seiner Anwendung faktisch stark eingeschränkt, sodass freiwillige Auswanderungen oft genug unfreiwilligen Deportationen glichen, die nicht selten den Verlust des Vermögens oder gar des Lebens der Glaubensflüchtlinge nach sich zogen.

Ausführlich schildert Baumgärtner (vgl. S. 169ff.) den Weg von dreizehn österreichischen Protestanten aus dem Salzkammergut, die verhaftet, in Ketten gelegt und donauabwärts transportiert wurden, bis sie schließlich in Großau/Cristian, Heltau/Cisnădie oder Neppendorf/Turni{or nahe Hermannstadt/Sibiu ihre neue Heimat fanden und in die Glaubensgemeinschaft der Siebenbürger Sachsen aufgenommen wurden. Auf die antievangelischen Deportationen unter Karl VI. folgte dann die sog. Theresianische Transmigration während der Jahre 1752 bis 1756. Erst mit dem Toleranzpatent Josephs II. aus dem Jahre 1781 kam die Transmigration zum Erliegen, die so viel Leid über die österreichischen Protestanten gebracht hatte. Baumgärtners Buch schließt mit einem Kapitel über die Ankunft der Durlacher und Hanauer in Siebenbürgen (vgl. S. 216ff.). Ein Bildteil mit sechzehn Farbfotos illustriert das anschauliche, informative und lesenswerte Opus von Wilhelm Andreas Baumgärtner.


Wilhelm Andreas Baumgärtner: Im Banne der Gesetze. Siebenbürgen im 18. Jahrhundert – Ansiedlung der Landler und Banater Schwaben, Schiller Verlag: Hermannstadt und Bonn 2020, 248 S., ISBN 978-3-946954-79-8, 69 RON ( = Band 10 der Reihe „Die Geschichte der Siebenbürger Sachsen“).