Noch bis zum 30. April ist im Bukarester Museum der Kunstsammlungen (Muzeul Colecţiilor de Artă) an der Calea Victoriei eine Ausstellung mit Gemälden rumänischer Künstler der Moderne zu sehen, die der portugiesische Kunstsammler und Mäzen Alain Bonte zusammengetragen hat. Die insgesamt 57 Werke aus dem 19. und 20. Jahrhundert, von Nicolae Grigorescu bis Magdalena Rădulescu, von Nicolae Vermont bis Alexandru Ciucurencu, entstammen der Gemäldesammlung der Stiftung Bonte, die im Jahre 2006 mit dem Ziel gegründet wurde, die rumänische Kunst im Kontext europäischer kultureller Werte zu lancieren und zu fördern. Die 57 Ölgemälde der modernen rumänischen Kunst aus der Sammlung Bonte sind im rechten Seitenflügel des Bukarester Museumsgebäudes, des ehemaligen Romanit-Palastes, in drei Sälen ausgestellt. Schon beim Betreten des ersten und größten Ausstellungsraumes rechterhand ist man vollkommen überwältigt. Von den Wänden strahlen und funkeln die einzelnen Gemälde dem Besucher wie Edelsteine entgegen und stellen ihn vor die schwierige Wahl, welchem der vielen Kleinodien er sich zuerst zuwenden sollte. Jedes dieser Bilder nimmt den Betrachter mit seiner je eigenen Chromatik und mit seinem je spezifischen Sujet gefangen, und jedes Exponat beansprucht für sich einen Eigenraum, wie ein wertvolles Juwel seine ihm gemäße Fassung.
Der Rundgang beginnt mit zwei Bildern von Nicolae Grigorescu (1838-1907), einer bäuerlichen Genreszene vor einem Haus in Câmpina sowie einem Stillleben mit Frühlingsblumen. Damit ist nicht nur ein chronologischer Anfang gesetzt, sondern zugleich auch eine gattungsspezifische Aussage über den Charakter der Sammlung Bonte getroffen, die, außer mit Interieurs, Landschaften und Aktporträts, gerade mit Stillleben und Genrebildern exzelliert. Es folgen vier Interieurdarstellungen von Nicolae Vermont (1866-1932), zwei davon mit modisch gekleideten Damen der gehobenen bürgerlichen Schicht – die eine hingegossen auf einen Sessel am Kaminfeuer, die andere im Lampenlicht lesend –, und zwei weitere mit stickenden und strickenden Frauen aus ländlich-bäuerlichem Milieu in traditionellen Kostümen. Dass bürgerliche Mode und bäuerliche Tracht in der rumänischen Malerei der Moderne einander durchaus begegnen und letztlich keinen Gegensatz mehr bilden, machen Gemälde von Ipolit Strâmbu (1871-1934) deutlich, vor allem das Ölbild einer jungen hübschen Bäuerin im Garten, das als Motiv ohne Weiteres die Titelseite eines folkloristischen Modejournals zieren könnte.
Samuel Mützner (1884-1959) ist mit fünf Gemälden in der Ausstellung der Bonte-Sammlung vertreten. Neben einem Interieur in Ţopârliţa, bei dem die leuchtenden roten Farben des Zimmerinneren zur winterlich-weißen Landschaft vor dem Fenster in einen lebendigen Kontrast treten, einer Landschaft in Balcic und der Darstellung einer Traubenernte ist vor allem das Gemälde mit dem Titel „Lila Kleid, rote Blumen“ zu erwähnen, in dem sich nicht nur eine stehende Frau und eine mannshohe Blume, ihr lila Kleid und deren rote Blüten begegnen, sondern in einem tiefen malerischen Sinne die Farben Lila und Rot selbst, die sich in ihrem fluoreszierenden Leuchten miteinander ringend zu umschlingen scheinen. Ein fünftes Bild Mützners mit dem Titel „In der Rikscha“, das durch eine ähnlich leuchtende Farbgebung hervorsticht, zeigt eine fernöstliche Szene im pointillistischen Stil mit beliebten Motiven des Japonismus, angefangen mit der Rundbogenbrücke und endend mit im Park an künstlichen Kanälen entlang Wandelnden, die Geisha in der Laufrikscha nicht zu vergessen.
So wie Mützners soeben beschriebenes Bild an künstlerische Strömungen wie den Pointillismus oder den Japonismus anknüpft, so lassen sich auch in den Gemälden von Rodica Maniu (1890-1958) künstlerische Vorbilder der zeitgenössischen Malerei namhaft machen, vor allem der Stil des Impressionismus und die Kunst Paul Cézannes, etwa im Ölbild „Der rosarote Schal“ oder in dem kleinformatigen Landschaftsgemälde „Bäume am Meer“. Eines der interessantesten Bilder der Ausstellung ist gewiss das impressionistische „Stillleben mit Pfeife und Blumenkorb“ von Vasile Popescu (1894-1944), das einen großen Henkelkorb mit blauen Blumen beherrschend in der Bildmitte auf einem am Fenster stehenden Tisch zeigt. Der Blick des Betrachters sucht sich seinen Weg durch das Rund des Henkels und durch das Rechteck des Fensters hindurch aufs offene Meer hinaus, in dem die Farben der Blumen und der Wogen sich miteinander mischen und ineinander überfließen, gerahmt wie in einem Triptychon von den beiden geöffneten Fensterflügeln, auf dessen Glaskassetten sich bunte Farbreflexionen spiegeln und brechen.
Eine Aktdarstellung und eine Florentiner Landschaft von Ştefan Dimitrescu (1886-1933), drei Blumenstillleben von Francisc Şirato (1877-1953), zwei Gemälde mit Motiven aus Balcic von Leon Alexandru Biju (1880-1970), zwei Landschaftsbilder und ein Stillleben mit gelben Rosen von Ştefan Popescu (1872-1948), das Jugendstilgemälde einer Korbträgerin im Wald von Arthur Verona (1868-1946) und das Porträt einer Tatarin aus Balcic von Kimon Loghi (1873-1952), die mit gelbem Kopftuch und langen dunklen Zöpfen im langen roten Gewand an eine Hauswand gelehnt barfuß auf einer Steinterrasse steht und im gleißenden Mittagslicht neben einer kaum Schatten spendenden Pergola aufs offene Meer hinausblickt, runden das Ensemble der 28 Exponate des ersten und größten Ausstellungssaales ab.
Der zweite Saal der Bonte-Ausstellung knüpft mit „Odysseus’ Traum“ von Nicolae Vermont zunächst noch einmal an die Generation der in der Mitte des 19. Jahrhunderts geborenen rumänischen Künstler an, bevor dann Werke von rumänischen Malern in den Vordergrund treten, die in den achtziger und neunziger Jahren das Licht der Welt und der Farben erblickten. So atmet das „Porträt einer Frau“ von George Catargi (1894-1963) echtes Hollywood-Flair à la Rita Hayworth: eine perfekt frisierte und geschminkte Diva im goldgelben Mantel mit blauem Innenfutter und hochgeschlossenem Kragen vor blaugrauer Draperie lässt ihren Brillantohrring aufblitzen und den goldenen Reif in ihrem Haar aufleuchten, verführerisch und unnahbar zugleich. Von Iosif Iser (1881-1958) sind zwei Gemälde mit Ballerinen zu sehen, zwei Bilder mit Odalisken im türkischen Stil und ein fünftes Gemälde, das vier Türken im Kaffeehaus mit Turban und Fes zeigt. Jeweils vier Ölbilder von Theodor Pallady (1871-1956) und Ion Teodorescu-Sion (1882-1939) sowie je eines von Camil Ressu (1880-1962) und Gheorghe Petraşcu (1872-1949) beschließen den Reigen der 17 Gemälde im zweiten Ausstellungssaal.
Im dritten und letzten Saal der Bonte-Schau sind dann insgesamt 12 Gemälde versammelt, von denen insbesondere die drei Bilder von Dumitru Ghiaţă (1888-1972) hervorzuheben sind, zumal eines von ihnen, das Gemälde „Auf dem Markt“, den Grundstein zur Gemäldesammlung von Alain Bonte legte. Die ländliche Motivik und die erdhafte Chromatik dieser drei Bilder atmen bretonisches Flair, auch wenn der Künstler sie in Oltenien geografisch verortet. Von Rudolf Schweitzer-Cumpăna (1886-1975) ist eine Marktszene vom Hermannstädter Großen Ring zu sehen, neben zwei Gemälden mit bäuerlichen Motiven. Venezianische Motive in zwei Bildern von Nicolae Dărăscu (1883-1959), ein folkloristisches Porträt zweier Rumäninnen von Magdalena Rădulescu (1902-1983), die Darstellung einer Vorstadtstraße von Adam Bălţatu (1889-1979) und zwei Gemälde von Alexandru Ciucurencu (1903-1977), ein Stillleben mit Blumen und Birnen sowie das Porträt einer lesenden Frau, runden die sehenswerte Ausstellung im Bukarester Museum der Kunstsammlungen ab, deren Besuch sich, sei es als flüchtiges Innehalten, sei es als verweilendes Sich-Ergehen, auf jeden Fall lohnt.