„Aici…adică acolo“ in der Brukenthalschule

Filmvorführung zeigt den Kreislauf von Arbeitsmigration

In der Diskussion mit dem Publikum. V.l.n.r.: Celia Orea, Ana Țucă (beide Juniorbotschafterinnen des DFDH), Christiane Böhm (ifa-Kulturmanagerin) mit Journalistin und Filmemacherin Laura Căpățână Juller Foto: Aurelia Brecht

Hermannstadt – In einen regen Austausch traten die Schülerinnen und Schüler der 12. Klassen nach der Präsentation der Dokumentation „Aici…adică acolo“/ Hier…ich meine dort“/„Here...I mean there“, die am Mittwoch, dem 2. April, in der Aula des Brukenthalgymnasiums gezeigt wurde. Bereits am Montagabend war der Film im Spiegelsaal des Hermannstädter Forums vorgeführt worden. Regisseurin Laura Căpățână Juller, ifa-Kulturmanagerin Christiane Böhm und die Juniorbotschafterinnen des Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt (DFDH) standen den Schülerinnen und Schülern Rede und Antwort.

Der Film, im Jahr 2012 in Rumänien gedreht, begleitet die beiden heranwachsenden Mädchen Ani und Sanda. Die beiden wachsen in der Maramuresch bei den Großeltern auf; denn die Eltern haben das Land verlassen, um in Spanien ihr Geld zu verdienen. Die Familie plant, mit dem Geld ein Haus zu bauen, in dem alle glücklich werden, und damit mehr Wohlstand zu erreichen. Der Film fängt den Alltag der Familie ein: Die Abwesenheit der Eltern, ihre punktuellen Besuche, das Auspacken der vielen Geschenke, die die Eltern nach Rumänien schicken. Szenen aus dem Alltag und der Gedankenwelt heranwachsender Mädchen. Der Film stellt die beiden Jugendlichen in den Mittelpunkt, die in Abwesenheit der Eltern erwachsen werden müssen.

Zwei Beweggründe nennt Laura Căpățână Juller, als sie danach gefragt wird, warum sie den Film drehen wollte. Sie selbst stammt aus Kronstadt/Brașov und besuchte ab der 9. Klasse die Schule in Hermannstadt. Dadurch habe sie selbst eine Trennung von ihren Eltern erlebt. Als sie dann später begann, als Journalistin zu arbeiten, habe es in den Medien immer wieder Berichte über Kinder gegeben, deren Eltern im Ausland lebten: Manche begingen Selbstmord, manche wurden gewalttätig. Beim Abfassen einer Reportage zum Thema merkte sie schließlich, dass mehr hinter dem Phänomen steckt. Denn hunderttausende Kinder teilten die Situation, von den Eltern verlassen zu werden, damit diese Geld im Ausland verdienen. Die Kinder blieben dann oft bei den Großeltern oder bei anderen Verwandten: „Man kann nicht auf zwei Zeitungsseiten beschreiben, was sich in der Seele der betroffenen Kinder abspielt“, so Căpățână Juller. Durch das Medium Film sei es ihr möglich geworden zu zeigen, was die Kinder, Eltern und Großeltern durch die Trennung fühlten.

„Wie haben Sie den Kontakt zur Familie bekommen?“, fragt eine Schülerin zu Beginn. Ein Jahr lang suchte Laura Căpățână Juller nach einer passenden Familie. Denn sie plante, die verschiedenen Generationen über einen längeren Zeitraum zu begleiten. Am Schluss wurden daraus drei Jahre: Sie lebte bei ihnen im Haus, aß mit ihnen von einem Teller, wie es auf dem Land oft üblich ist. Nach einigen Monaten war sie bereits keine Außenstehende mehr. Die Familienmitglieder informierten sie stets, wenn Geburtstage anstanden, die Eltern der Mädchen nach Hause kamen und bei besonderen Vorkommnissen. Alle zwei bis drei Monate habe sie so immer wochenweise bei der Familie gelebt.

Ani arbeitet heute in Spanien. Zusammen mit ihrem Freund, der auch im Film vorkommt, hat sie heute zwei Kinder, die von ihren Eltern in Spanien großgezogen werden. Die Kleinere, Sanda, lebt nach wie vor in Rumänien bei der Großmutter. Irgendwie wiederholt sich die Geschichte – auch heute lebt die Familie getrennt. Bis heute ist das Haus nicht fertig gestellt worden, erzählt sie weiter. Nach verschiedenen Erhebungen zählen zwischen 95.000 und 160.000 rumänische Kinder zu den sogenannten Eurowaisen – Kinder, die mindestens ein Elternteil im Ausland haben. Die Geschichte wiederholt sich auch in der Gegenwart täglich aufs Neue. Grund genug, den Dokumentarfilm immer wieder zu zeigen. Und darauf aufmerksam zu machen, was Arbeitsmigration in den betroffenen europäischen Gesellschaften auf seelischer Ebene anrichten kann.