Hermannstadt – Als Papst Johannes Paul II. 1999 auf Einladung des damaligen rumänisch-orthodoxen Patriarchen Teoctist Arăpașu Bukarest besuchte, hätte er die drei Tage Aufenthalt gerne auch zu einer Visite in Siebenbürgen und dort besonders bei der Griechisch-Katholischen Kirche genutzt. Sein staatlicher Gastgeber Rumänien aber vereitelte jede inländische Besuchsreise nach Transsylvanien, obwohl die Amtszeit von Ex-Präsident Emil Constantinescu gerade ihren Höhepunkt erreicht hatte. Dennoch bestanden sogar römisch-katholische und griechisch-katholische Bischöfe der Provinz streng darauf, dass Papst Johannes Paul II. aus Vorsicht ein Vorbeischauen im kulturell eigenen Landesteil nördlich der Südkarpaten tunlichst meidet, wie Priester Dr. Coriolan Mureșan Dienstagnachmittag, am 30. Mai, als Gast-Vortragender in der Ökumenischen Bibliothek des evangelisch geführten Kultur- und Begegnungszentrums „Friedrich Teutsch“ ergänzte. Erst Anfang Juni 2019 mit dem Staatsbesuch von Papst Franziskus war die Zeit reif geworden, den Bischof von Rom endlich auch im vermeintlich seit jeher toleranten Siebenbürgen zu empfangen.
Nach Hermannstadt/Sibiu angereist war Dr. Coriolan Mureșan aus Dublin. Die irische Hauptstadt ist seit bald zehn Jahren Wohn- und Lebensraum für ihn und ebendort ansässige griechisch-katholische Gemeindemitglieder der Diaspora Rumäniens, um die er sich sehr bewusst kümmert. Bis Herbst 2013 war Großwardein/Oradea, eine Hochburg der Griechisch-Katholischen Kirche in Rumänien, der Ort gewesen, wo er geistlich praktizierte. Und wo ein hochbetagter Amtsbruder ihm vor Jahren einmal einschärfte, während der Messe den Heiligen Geist unbedingt mit der Wortkombination „Sfântul Spirit“ statt dem orthodox üblichen Begriff „Sfântul Duh“ zu predigen. Dass der Vatikan selbst unter Papst Johannes Paul II. in der rumänischen Traduktion des „Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium“ im Herbst 1990 den Terminus „Sfântul Duh“ verankerte, schränkt tief überzeugte Kleriker der Griechisch-Katholischen Kirche in Rumänien nicht darin ein, es dennoch anders zu halten.
Priester Dr. Coriolan Mureșan war nicht in der politischen Absicht zu seinem Vortrag nach Hermannstadt gekommen, der mächtigsten Kirche Rumäniens im Nachtrag auf den Kommunismus die Leviten zu lesen. Als Kind dafür habe er griechisch-katholische Messen in Privatwohnungen erlebt, die bei Höchststrafe untersagt waren und dem ab Anfang Dezember 1948 bis Ende 1989 gültigen Verbot zum Trotz entgegengesetzt wurden. „Das aufregendste Illegale, was ich je erlebt habe!“, raunte Zeitzeuge Dr. Mureșan in Anwesenheit von Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Ökumene-Semesters an der Lucian-Blaga-Universität Sibiu. Nur gut zehn Prozent der Kirchen, Klöster, Archive und Immobilien, die der Griechisch-Katholischen Kirche im Rumänien der Zwischenkriegszeit gehört hatten, sind ihr unterdessen rückerstattet worden. Weil ein 1990 erlassenes Gesetz vorschreibt, dass Güter im unrechtmäßigen Besitz der Rumänisch-Orthodoxen Kirche, die geschichtlich und eigentlich der Griechisch-Katholischen Kirche zustehen, letzterer exklusiv mit Approbation ersterer zurückgegeben werden dürfen. Dr. Mureșan weiß angeblich gar von einer kleinen Kirche zu berichten, die mutwillig zerstört wurde, um nicht mehr physisch rückerstattet werden zu können. Am gleichen Nachmittag im Teutsch-Haus nannte er nichtsdestotrotz auch den Ausnahme-Fall um Metropolit Nicolae Corneanu, der bereits 1990 der Griechisch-Katholischen Kirche ihr Gotteshaus und Archiv im Banater Lugosch zurückgab.
„Wenn es jemanden gab, der den Griechisch-Katholischen in der Vergangenheit half, dann die Habsburger“, markierte Priester Dr. Coriolan Mureșan in Hermannstadt. „Es wurde ihnen garantiert, dass sie ihre byzantinischen Traditionen behalten dürfen. Damals, zu Lebzeiten auch von Kaiserin Maria Theresia, hießen die Kirchen ´uniert´ und ´nicht uniert´ statt ´mit Rom kommun´ und ´nicht mit Rom kommun´.“ Bis 1918 war die Griechisch-Katholische Kirche die größte in ganz Nordsiebenbürgen. Die 1924 in Karlsburg/Alba Iulia gefeierte Krönung von König Ferdinand I., einem Monarchen römisch-katholischen Bekenntnisses, schnitt sie – obwohl sie 1923 verfassungsrechtlich anerkannt worden war. Im selben Jahrzehnt wiederum wurden im Parlament Rumäniens auch Rufe nach dem Konvertieren der griechisch-katholischen Minderheit im Staat zur Orthodoxie laut.
„Das Rosenkranz-Gebet ist keine byzantinische Tradition, wird in der Griechisch-Katholischen Kirche aber sehr gepflegt“, beschreibt Dr. Mureșan. Auch Gewohnheiten wie zum Beispiel die Via Crucis bestätigen, dass „es mit lateinischen Lockungen einfacher ist, die Leute in die Kirche zu bekommen.“ Priester im Auftrag, Rom und Byzanz miteinander zu vereinen, müssten „sehr ausbalanciert und moderat“ vorgehen.
Die vom Vatikan für die Griechisch-Katholische Kirche gestellten kanonischen Statuten sollen Gläubige davor schützen, mehr oder weniger schleichend römisch-katholisch zu werden. In Rumänien dagegen, so Dr. Coriolan Mureșan, hätten griechisch-katholische Gläubige, die auch in der Ukraine, in Ungarn, in der Slowakei, in Bulgarien, Griechenland, Italien, Albanien, Weißrussland und in Tschechien leben, noch heute mit stillschweigender Degradierung zu „Bürgern zweiter Klasse“ zu kämpfen. Otto von Habsburg hielt sie für „Prachtexemplare“. Weil byzantinisch im Ritus, katholisch in der Organisation und widerständig unter den Diktaturen nach dem Zweiten Weltkrieg.