Hermannstadt – Istanbul, Bukarest und Kronstadt/Brașov haben Wiens Götter in Schwarzweiß bereits besucht, und seit Freitag, dem 19. Januar, sind die gleichen Bilder von Weltklasse-Fotografin Christine de Grancy (Jahrgang 1942) nun endlich für einige Zeit auch in Hermannstadt/Sibiu zum Anfassen exponiert. „Der Spaziergang ist nicht gefährlich, uns müssen dabei keine Feuerwehrleute festhalten“, bemerkte Andrei Popov zu Ende seiner virtuosen Ausstellungs-Einführung im Blauen Haus am Großen Ring/Piața Mare. Sie schließt Sonntag, am 4. Februar, genießt international von Stadt zu Stadt die Unterstützung des Österreichi-schen Kulturforums und unterstreicht obendrein sogar stolze 50 Jahre seit Gründung der Sektion V für „Internationale Kulturangelegenheiten“ des Bundesaußenministeriums am Wiener Minoritenplatz. Und was dort mit etwas Geduld, Nachdruck und Zeit über Jahrzehnte hin möglich ist, lasse sich so oder ähnlich auch an jedem anderen Ort erleben, wie der stellvertretende Direktor des Österreichischen Kulturforums Bukarest den Vernissagen-Gängern Hermannstadts freundlich überzeugend nahelegte: die im Fotobuch „Über der Welt und den Zeiten“ (2021) gesammelten Schwarzweiß-Aufnahmen von Christine de Grancy wären auch ein Weckruf, „die jeweils eigene Stadt, in der man sein Leben zubringt, weder blasiert noch gänzlich an ihr uninteressiert zu durchkreuzen“. Den hehren Wunsch, Wiens imperiale Prachtbauten „sehr viel aufmerksamer“ als unter Gästen wie Einheimischen allgemein üblich zu besehen, fördern diese Bilder in der Tat beispielhaft. Sie hängen in Kopfhöhe an dünnen Stahlschnüren befestigt von der Decke herab und wollen Publikumsblicke durch Blättern anziehen. Nicht horizontal wie in einem gewöhnlichen Buch, sondern vertikal, aber eben doch ruhig von Foto zu Foto.
Sage und schreibe neun Stunden habe sich Christine de Grancy auf dem Dach liegend von einem Feuerwehrmann festhalten lassen, um während der kurzen vier Minuten des Abtransports der Statue von Pheme mit einem Kran von der Hochburg weg pünktlich auf den Auslöser drücken zu können. Neun Stunden ausgerechnet für die griechische Göttin des Ruhmes und des Gerüchts, da die knappst bemessenen vier Minuten vor ihrer Übergabe an eine Werkstatt zwecks Restauration schlichtweg in luftiger Höhe auf einem der mächtigsten Dächer Wiens abgewartet werden mussten. Aber auch ebenerdige Straßen-Aufnahmen sind Christine de Grancy geglückt, und auf mindestens zwei davon können die steinernen Zeugen und Leih-Götter („Zeii de împrumut ai Vienei. Martori împietriți) das Bekannt-Sein nicht für sich alleine beanspruchen – die Erinnerung an Promi-Gast Nelson Mandela etwa ist selbstverständlich genauso in Wien zuhause wie das Zurückdenken an Chemiker, Literat und Jude Carl Djerassi, den späteren „Mutter der Pille“, der 1938 mit seiner Mutter aus Österreich zum Vater nach Bulgarien floh und als amerikanischer US-Bürger erst 2004 wieder die Staatsbürgerschaft seines Heimatlandes zuerkannt erhielt. Am von Diplomat Andrei Popov artikulierten Prädikat, Christine de Grancy wäre „eine voll und ganz engagierte Fotografin“, ist nicht zu rütteln. Kein Wunder, dass Kulturaktivistin Mercedes Echerer und der von ihr gegründete wie geleitete Verein „DIE 2“ nicht nur das Fotobuch „Über der Welt und den Zeiten“, sondern auch das gleichwertige Pendant „Sturm und Spiel“ von Christine de Grancy herausgegeben haben, die als Theater-Fotografin berühmt wurde, und von der Ex-Burgtheater-Direktor Achim Benning meint, ihre Kunst hinter dem Objektiv „paktiert mit dem Leben“.